Der technologische Wandel setzt Augenärzte unter Druck

Vista-Chef Christoph Gassner erklärt, was es für die Branche bedeutet, wenn man den Augeninnendruck mit Smartphone-Apps messen kann. Und weshalb Vista wachsen will.

, 30. September 2021 um 05:00
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Herr Gassner, wir sitzen hier in Bern in der Jack’s Brasserie. Ausgerechnet in einer Stadt, in der Vista gar nicht vertreten ist.

Unser Ziel ist es, dass wir innert kurzer Zeit unser Netz ausbauen können. Als Heimwehberner wünsche ich mir natürlich, dass wir möglichst bald auch in der Bundesstadt vertreten sein werden.

Bestehen konkrete Projekte?

Projekte Ja, konkret ist noch nichts und spruchreif erst recht nicht.

Vista hat 18 Standorte, davon 11 in der Region Basel und 7 in der Region Zürich. Wollen Sie weiterwachsen.

Wir sind nicht nur in Basel und Zürich, sondern auch in Brugg und in Pfäffikon im Kanton Schwyz vertreten …..

… ich zählte das zum Grossraum Zürich.

Sagen Sie einem Brugger nie, er sei ein Zürcher. Aber ja, wir haben Ausbaupläne. Wir bauen derzeit zwei weitere ophthalmologische Kliniken, in Zürich und Liestal. Zürich wird am 1. Januar 2022 eröffnet, und Liestal wahrscheinlich im dritten Quartal 2022.

Warum ist es für Vista wichtig, in der ganzen Schweiz präsent zu sein?

Wir müssen nicht zwingend in der ganzen Schweiz präsent sein. Es ist uns aber wichtig, nachhaltig zu wachsen. Nur so können wir unsere Patienten auch dann betreuen, wenn sie den Wohnort wechseln. Genau das gleiche gilt für unsere Mitarbeitenden, wenn sie ihr Domizil verlegen und weiter bei Vista arbeiten möchten. Zudem gibt uns eine schweizweite Präsenz die Möglichkeit, an allen Standorten sämtliche Disziplinen der Ophthalmologie anzubieten.

Moment: Sie können an allen Standorten alle Disziplinen anbieten, weil sie viele Standorte haben?

Wir beschäftigen hochspezialisierte Ärzte, die in ihrem Fachgebiet an einem einzigen Standort nicht ausgelastet wären. Nehmen wir das Beispiel der Neuroophthalmologie: Diese Spezialisten arbeiten an einem Tag an diesem und an einem anderen Tag am anderen Standort. Extrem wichtig ist auch Ausbildung und Forschung. Junge Assistenzärzte profitieren davon, wenn sie an verschiedenen Orten bei unterschiedlichen Ophthalmologen wirken und lernen können. Zudem betreibt die Vista eine eigene Forschungsabteilung. Dank unserem breiten Kundenstamm können wir bei klinischen Studien einen wirksamen Beitrag leisten.
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    Christoph Gassner

    studierte in Lausanne und Michigan Wirtschaft- und Finanzwissenschaft, arbeitete bei Deloitte in Zürich als Wirtschaftsprüfer, ehe er ins Gesundheitswesen wechselte. Acht Jahre wirkte er bei der Pflegeheimkette Senevita, zuletzt als CEO. Seit einem Jahr ist der 45-Jährige CEO der Vista-Gruppe.

Sie haben in Binningen und in Pfäffikon auch stationäre Betten. Braucht es das? Avos, ambulant vor stationär, hat ja bei der Ophthalmologie nicht halt gemacht.

Sie haben recht: Die Ophthalmologie ist eine der medizinischen Disziplinen, bei der sich in den letzten zwei Jahrzehnten Avos besonders ausgeprägt durchgesetzt hat. Und doch gibt es chirurgische Eingriffe, bei denen man um stationäre Betreuung nicht herumkommt. Ich denke an Netzhautablösungen oder gewisse Tränenwegsoperationen. Der Anteil der stationären Eingriffe ist aber zugegebenermassen sehr klein.

Wie können Sie dann Ihre Betten in Basel und Pfäffikon auslasten?

Unsere Bettenstationen sind recht klein. In Pfäffikon haben wir 6, in Binningen 11 Betten.

Kürzlich konnten wir lesen, dass Peter Trüb und Peter Schöneborn ihre Augenklinik Seefeld der Vista verkauft haben. Peter Trüb tritt in den Ruhestand; doch Peter Schöneborn setzt seine Tätigkeit fort. Was ist seine Motivation, vom Unternehmer zum Angestellten zu mutieren?

Ich kann nicht für Peter Schöneborn sprechen, doch oft geht es um eine Nachfolgeregelung. Die Augenklinik Seefeld hat eine grosse Infrastruktur, die ein Augenarzt alleine nicht auszulasten vermag. Zudem geht es vielen Ärzten ähnlich: Sie sind hochspezialisierte Mediziner, bei denen der Austausch unter Fachleuten extrem wichtig ist. So fühlen sie sich in einem Netzwerk besser aufgehoben. 

Wie viele Augenärzte sind bei der Vista unter Vertrag?

Wir beschäftigen an die 60 Ophthalmologen, die sich austauschen und fachlich ergänzen. Hinzu kommt, dass Ärzte sich im Angestelltenverhältnis voll auf die Medizin konzentrieren können und von Administrativem, das ihnen häufig nicht so am Herzen liegt, durch unser Backoffice entlastet werden.

Korrigieren Sie mich: Konservative Augenkliniken sind ein Auslaufmodell. Was sie können, können Optiker dank dem technologischen Fortschritt mittlerweile auch.

Das Wort Auslaufmodell ist mir zu pointiert. Aber es ist klar: Die technologische Entwicklung ermöglicht es Optikern, mehr und mehr Dienstleistungen anzubieten, die bisher ausschliesslich Augenärzten vorbehalten waren. Dies wird zu erhöhter Konkurrenz führen. Der konservative Augenarzt bleibt aber als Mediziner zentral. Es ist wirklich beeindruckend zu sehen, welche Entwicklung die bildgebenden Verfahren in der Ophthalmologie durchgemacht haben.

An was denken Sie zum Beispiel?

Zum Beispiel an die Fundusfotografie zur Untersuchung des Hintergrundes eines Auges, der Netzhaut. Für solche hochspezialisierten Kameras bezahlte man noch vor zehn Jahren hunderttausende von Franken. In nicht allzu ferner Zukunft wird man diese Aufnahmen mit der Handykamera bewerkstelligen können. Es passiert sehr viel auf der technologischen Seite. Und weil die Ophthalmologie eine sehr technische medizinische Disziplin ist, ist auch klar, dass der Anteil der Technologie in der Ophthalmologie immer wichtiger wird.

Wie verhält es sich mit dem Augeninnendruck? Kann der nicht auch bald mit Smartphone-Apps gemessen werden?

Diese Apps gibt es bereits, auch wenn sie noch nicht breit eingesetzt werden. Sie werden zum Beispiel Glaukom-Patienten die regelmässig erforderlichen Kontrollen beim Arzt ersparen. Für die Auswertung der Daten und die Therapieempfehlung wird es aber nach wie vor einen Augenarzt brauchen.

Was heisst das für Ihre Gruppierung?

Vista ist nicht so sehr im konservativen, sondern sehr stark im chirurgischen und im refraktiven Bereich tätig. Und dort ist der technologische Druck kleiner. Bis in den Operationssälen die Robotik Einzug halten wird, dauert es noch etwas länger. Und auch dort wird es nach wie vor die Einschätzung des Arztes brauchen, um eine individuelle Behandlung zu ermöglichen.

Wenn ich richtig gezählt habe, verfügt Vista über sechs chirurgische Zentren, deren zwölf sind konservative Augenarztpraxen. Diese zwölf dürften es also in Zukunft schwerer haben, oder?

Bei Einzelpraxen dürfte das wohl zutreffen. Im Verbund ist ein konservativer Augenarzt immer auch ein wichtiger Zuweiser. Ihm werden Patientinnen und Patienten von Allgemeinpraktikern zugewiesen. Und er selber kann Patienten dann an unsere chirurgischen Standorte weitervermitteln, sofern dazu Bedarf besteht. Patienten gehen lieber zuerst zum Augenarzt als direkt in die Augenklinik.

Beim Optiker wäre die Schwellenangst noch tiefer. Wann kauft Vista eine Optikerkette?

Wir machen uns selbstverständlich Gedanken über vertikale Integrationen. Wir sind deshalb mit Optikern Kooperationen eingegangen. Ich glaube aber nicht, dass Vista in diesen Bereich direkt investieren wird.

Sie rapportieren nach München, dem Hauptsitz ihrer Muttergesellschaft Veonet. Wie oft sind Sie mit Ihrem Chef in Kontakt?

Ich bin mit meinem Chef einmal pro Woche in Kontakt. Wir telefonieren meist etwa eine Stunde….

…was sagte er beim letzten Telefonat zum Verkaufsgerücht der Veonet?

Es tut mir leid, aber dazu kann ich nichts sagen. 
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