Die 6-jährige Noe leidet an einem seltenen Gendefekt und ist als Folge dessen von einem lebensbedrohlichen Hirntumor betroffen. Ein Grossteil ihres Lebens hat das Mädchen im Spital verbracht, ihre alleinerziehende Mama immer an ihrer Seite. Die Angst um ihre Tochter, die Ungewissheit, die fehlende Entlastung und das schlechte Gewissen gegenüber ihrer älteren Tochter haben bei der 30-Jährigen Spuren hinterlassen. Die Folge: Erschöpfung und Burnout.
Entlastung und Auszeit
Ein Ort, wo sie sich gemeinsam mit ihren zwei Töchtern erholen könnte, fehlt bislang in der Schweiz. Das soll sich nun ändern. Derzeit arbeiten drei Initiativen an der Realisierung von Kinderhospizen bzw. eines Mehrgenerationen-Palliativzentrums. Denkt man bei «Hospiz» unweigerlich an einen Ort zum Sterben, (Medinside berichtete
hier) sollen die Kinderhospize vielmehr der Entlastung und Auszeit betroffener Familien dienen.
Fehlendes Angebot in der Schweiz
Mehr als 5 000 Kinder und Jugendliche leben in der Schweiz mit einer lebensverkürzenden Erkrankung. Während es in Europa 133 Kinderhospize gibt – 20 davon allein in Deutschland – fehlt in der Schweiz ein solches Angebot. Laut Nicola Presti von der Stiftung Kinderhospiz Schweiz ist die aktuelle Versorgungssituation in der Schweiz für Kinder und Jugendliche mit einem palliativen Betreuungsbedarf, weit entfernt von den Zielen der «Nationalen Strategie Palliative Care» 2010. «Es stehen weder genügend Angebote der Palliative Care zur Verfügung, noch ist die Finanzierung von Angeboten nachhaltig gesichert», sagt sie.
Mangelnde Akzeptanz
Einen Grund dafür sieht sie auch in der mangelnden Akzeptanz von Kinderhospizen: Diese hätten als stationäre Einrichtungen einen hohen Erklärungsbedarf und die Einbettung in die Spital- und Pflegelandschaft werde häufig in Frage gestellt. So bestünde vielerorts das Missverständnis, dass es sich bei einem Kinderhospiz in erster Linie um einen Ort zur Sterbebegleitung handle. Gemäss Erfahrungen der Kinderhospize in Deutschland versterben jedoch nur etwa 3 Prozent dieser Kinder im Hospiz. Im Gegensatz zum Erwachsenenhospiz stehen vielmehr Angebote in Form von Übergangs- und Entlastungsbetreuung im Fokus.
Erweiterung innerhalb der Versorgungskette
Die Kinderhospize sehen ihre Rolle deshalb als eine Erweiterung innerhalb der Versorgungskette zwischen Akut-Kinderspitälern, Pflege zu Hause mit Unterstützung von ambulanten Angeboten, Pädiatrischen Palliative-Care-Teams und Freiwilligen Diensten.
Unklare Stellung im Gesundheitssystem
Politisch und gesetzlich fallen Kinderhospize derzeit durch alle Maschen und es ist bislang unklar, wo sie in der Versorgungsstruktur eingegliedert werden können. Leistungsaufträge für Kinderhospize gibt es keine. Dass der Handlungsbedarf auf vielen Ebenen hoch ist, räumt auch Nationalrätin Flavia Wasserfallen ein. Als Mitglied der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit setzt sie sich für die Bedürfnisse von Kindern und ihren Familien ein: «Es fehlt eine gesicherte Finanzierung auf Bundes- und kantonaler Ebene, was wir politisch lösen müssen.»
Finanzierung durch Spenden
Auch hier versuchen die drei Initiativen gemeinsam, die verantwortlichen Gremien stärker zu sensibilisieren. Aktuell muss die Finanzierung der stationären Kinderhospize, d. h. Bau (Neu- / Umbau), Betrieb sowie die palliative Pflege und Betreuung überwiegend durch Spenden sichergestellt werden.