Krebsmedikamente haben Gewinnmarge von 85 Prozent

Ein altes Anliegen ist erneut im Parlament: die horrenden Kosten für Krebsmedikamente.

, 6. März 2024 um 08:19
image
SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen: «Die Medikamentenkosten sind innerhalb von acht Jahren um über 44 Prozent gestiegen.» | Screenshot: www.parlament.ch
Preisfrage: Wie hoch ist die Gewinnspanne der Pharmaunternehmen bei Krebsmedikamenten? Die Antwort: 85 Prozent. Das geht aus einem Bericht der Sozial- und Gesundheitskommission des Ständerats (SGK-S) hervor. Der Bericht stützt sich wiederum auf wissenschaftliche Studien, Expertenberichte und Finanzanalysen.
Wörtlich steht dort: «Gemäss Biotechnologiesachverständigen werden für Medikamente, deren Herstellungskosten sich auf 50 Franken belaufen, zum Beispiel eine Ampulle Herceptin, 2095 Franken berechnet.»
Der Report von Ende Januar 2024 war nun Thema im Ständerat. Entstanden ist er aufgrund einer Standesinitiative des Kantons Jura, die Ende 2019 eingereicht wurde, also noch vor Ausbruch der Pandemie.
Das Parlament des Kantons Jura fordert darin das Bundesparlament auf, neue Rechtsbestimmungen zu erlassen, damit das Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Anstieg der Medikamentenpreise stoppen und die Preise «langfristig auf ein vernünftiges Niveau» senken kann.
In der Begründung der Initiative geht es vorab um Medikamente zur Krebsbehandlung, die «astronomische Höhen erreicht haben und weiter ungebremst ansteigen». Angesichts der Tatsache, dass in der Schweiz jedes Jahr bei mehr als 40'000 Personen eine Krebserkrankung diagnostiziert werden, sei der Markt für Krebsmedikamente für Pharmakonzerne sehr lukrativ.

Kostenanstieg: 44 Prozent

Nun wiederholte SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen in der kleinen Kammer, dass die Kosten für Medikamente in den letzten Jahren stark gewachsen seien: «Während sich in der OKP die Leistungen für Medikamente im Jahr 2022 auf insgesamt 8,4 Milliarden beliefen und damit 22,4 Prozent der Gesamtkosten ausmachten, hatten diese Kosten im Jahr 2014 noch 5,8 Milliarden Franken oder 20,4 Prozent der Gesamtkosten betragen», sagte die Bernerin im Namen der Kommission. Damit seien die Medikamentenkosten innerhalb von acht Jahren um über 44 Prozent gestiegen.
Schon im April 2021 und dann im Januar 2022 hatten die beiden Kommissionen der Standesinitiative zugestimmt. Noch ist nichts passiert – ausser eben dem genannten Bericht –, weil halt die vorberatenden Kommissionen mit Arbeiten überlastet sind. Deshalb wird nun die Behandlungsfrist für die Standesinitiative um zwei Jahre verlängert.
  • Zum Thema: Viele neue Krebs-Medikamente haben wenig Nutzen.
Flavia Wasserfallen machte zudem auf diverse Bestrebungen aufmerksam, um das Kostenwachstum für Medikamente zu bremsen. So schlug der Bundesrat beim zweiten Kostendämpfungspaket mehrere Massnahmen vor, mit denen das Kostenwachstum bei den Medikamenten gebremst werden soll.
Zudem verabschiedete der Bundesrat im zweiten Semester 2023 Verordnungsänderungen, um Anreize zu schaffen, dass häufiger Generika statt Originalpräparate verwendet werden.
Zurück zu den Krebsmedikamenten: Gemäss dem genannten Bericht der SGK-S verteidigen die Pharmafirmen diese komplett von den Herstellungskosten abgekoppelten Preise damit, dass mit diesen Einnahmen die künftigen innovativen Medikamente finanziert würden. Dies gelte namentlich bei klinischen Tests für neue experimentelle Präparate.

Die WHO widerspricht

Wie im Bericht weiter zu lesen steht, widerspricht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diesem Argument. Sie hält fest, dass durch die hohen Preise der Krebsmedikamente Gewinne erzielt werden, die weit über den allfälligen Forschungskosten lägen.
In einem im Januar veröffentlichten Bericht schreibt die WHO, dass die Pharmaunternehmen für jeden in die Krebsforschung investierten Dollar durchschnittlich Einnahmen von 14,5 Dollar generierten. «Die WHO ist der Ansicht, dass eine Preissenkung im Hinblick auf einen breiten Zugang zu den Medikamenten, auf die finanzielle Stabilität der Gesundheitssysteme und auf künftige Innovationen unerlässlich ist.»

Erinnerung an Eugen David

Und noch etwas: Schon von einem gewissen Eugen David gehört? Der St. Galler sass ab 1987 für die CVP zwölf Jahre im Nationalrat und dann bis 2011 weitere zwölf Jahre im Ständerat. Im Jahr 2006 erklärte der Bundesrat, sich der Preisproblematik bewusst zu sein. Er beantragte dem Nationalrat die Annahme des Postulats eben dieses Eugen David. Darin wird der Bundesrat aufgefordert, bei den Arzneimitteln Preissenkungsmassnahmen zu prüfen.
  • politik
  • medikament
  • Onkologie
  • Gesundheitskosten
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Chefarzt-Löhne: Wie aus Millionen Milliarden werden

Die Ärztelöhne werden wieder mal zum Medien- und Polit-Thema. Mit eigenwilligen Berechnungen.

image

Die Gesundheitskosten stiegen nochmals, aber…

Inzwischen liegen die Schweizer Gesundheitsausgaben über 90 Milliarden Franken. Allerdings: Man kann vorsichtig optimistisch sein.

image
Gastbeitrag von Alex Steinacher

Notfall: Wenn schon Taxe, dann flächendeckend

Die Politik fordert eine 50-Franken-Gebühr für Bagatellfälle auf dem Spital-Notfall. Doch es gibt schlauere Lösungen. Ein Vorschlag von Alex Steinacher.

image

Es bleibt dabei: Die Krankenkasse bezahlt den Zahnarzt nicht

Der Nationalrat lehnte einen Vorstoss dazu deutlich ab.

image

BAG: Neue Leiterin der Abteilung Internationales

Barbara Schedler Fischer folgt im August auf Nora Kronig Romero.

image

Notfall: 50 Franken für Bagatellfälle

Ein altes Anliegen kommt wieder aufs Tapet: Die Gesundheitskommission des Nationalrats stellt zwei Varianten vor.

Vom gleichen Autor

image

Berns Gesundheitsdirektor Schnegg verlangt Unmögliches

Dass die Berner Spitex-Landschaft vor der Einführung von Efas umgekrempelt wird, ist für Betroffene unverständlich.

image

Spitalkrise: Die Schuld der Kantone

Für KSGR-Chef Hugo Keune sind die Krankenkassen schuld an der Spitalmisere. «Jein», sagt Heinz Locher: Die Kantone sind mitschuldig.

image

Zu Besuch bei Viktor-Gewinnerin Chantal Britt

Seit vier Jahren leidet die Präsidentin von Long-Covid-Schweiz unter postviralen Beschwerden. Was sie am meisten stört: Dass die Krankheit nicht ernsthaft erforscht wird.