Bundesrat obsiegt gegen Tarifpartner - aber nur knapp

Die Laborkosten steigen und steigen. Das Problem ist nicht der Tarif. Es ist die Menge.

, 26. September 2024 um 13:17
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«Bitte Frau Bundesrätin, prüfen Sie weitere Limitationen, beispielsweise bei Tests bezüglich Schilddrüsenhormone.» Flavia Wasserfallen, SP-Ständerätin. | Screenshot: SRF
Sollen die Labortarife weiterhin vom Bundesrat festgelegt oder durch die Tarifpartner ausgehandelt werden? Darüber debattierte der Ständerat am Donnerstagmorgen. Eine knappe Mehrheit von 22 gegen 20 Stimmen will am Status quo festhalten.
Der Zuger Mitte-Ständerat Peter Hegglin plädiert für eine strukturelle Anpassung, damit die Laborpreise mittel- und langfristig gesenkt werden können. Das heisst, nach seiner Meinung sollten die Tarifpartner künftig die Tarife aushandeln.

Kosten steigen und steigen

Der Krankenkassen-Lobbyist begründet dies mit der Kostenentwicklung bei den Labors: So sind die Kosten für Laboranalysen von 2010 bis 2019 von 910 Millionen auf 1,5 Milliarden Franken pro Jahr gestiegen. Auch im ersten Semester 2024 stiegen die Kosten um «sagenhafte 13 Prozent». Daneben nennt Hegglin eine Reihe von Beispielen und Kostenvergleichen mit dem Ausland (siehe Kasten).
Doch werden es die Tarifpartner besser machen als der Bundesrat? Die Antwort dazu liefert der Waadtländer SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard: «Diejenigen, die auf dieses Projekt eingehen möchten, lade ich ein, mir ein Gebiet zu nennen, in dem sich die Tarifpartner nach einer Kostensteigerung auf eine lineare Senkung von 10 Prozent geeinigt haben. (...) Sie werden niemals ein einziges Beispiel finden.» Genau das hat aber der Bundesrat vor zwei Jahren gemacht.
Flavia Wasserfallen - auch sie Mitglied der SP - konterte das Votum von Hegglin mit der treffenden Aussage: «Nicht der Preis ist das Problem, sondern die Menge.» Das zeigte übrigens kürzlich ein Beitrag der «Rundschau». Medinside berichtete darüber.

Beispiel Vitamin D

Laut Wasserfallen könnte man die Mengenausweitung mit Einschränkungen in den Griff bekommen. Das zeige das Beispiel der Analysen für Vitamin D. Sie seien «durch die Decke gegangen», ehe das Departement reagierte. In der Folge wurden 50 Prozent weniger Vitamin-D-Tests abgerechnet.
Die Massnahme müssten bei Ärztinnen und Ärzten ansetzen, nicht beim Labor. Und dann richtete Flavia Wasserfallen eine Bitte an die Departementsvorsteherin: «Bitte prüfen Sie weitere solche Limitationen, beispielsweise bei Tests bezüglich Schilddrüsenhormone.»

Mehr Wettbewerb

Peter Hegglin, der als VR-Präsident der RVK Rück und als Verwaltungsrat von Santésuisse das Heil in der Tarifpartnerschaft sucht, sagte dann noch: «Ein bisschen mehr Wettbewerb täte der Laborbranche auch gut.»
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Peter Hegglin sieht das Heil im Wettbewerb.

Doch ist es nicht gerade der Wettbewerb, der die Labors dazu veranlasst, Arztpraxen mit Kickbacks zu ködern? Was es mit diesen Kickbacks auf sich hat, zeigte jüngst die Sendung «Kassensturz».
In diesem Beitrag sagt die Gynäkologin Brigitte Schlatter: Die Kickbacks seien für sie ein gutes Beispiel dafür, «dass der vielbeschworene Wettbewerb im Gesundheitswesen nicht Kosten senkt, sondern über die Mengenausweitung steigert.»

Zu viele Verhandlungspartner

Was der Gewerkschafter Pierre-Yves Maillard auch noch sagte: «Sollten künftig die Tarifpartner die Labortarife aushandeln, so müssten die Krankenversicherer nicht nur mit einer Vielzahl von privaten Labors, sondern auch mit Spitalpraxen und Arztpraxen mit eigenen Laboren verhandeln.»
Angesichts dieser großen Anzahl an Tarifpartnern sei kein besseres Resultat zu erwarten. Im Gegenteil: Es sei zu befürchten, dass es zu Verhandlungsblockaden kommt, wie bei der Revision der Tarifstruktur Tarmed oder derjenigen für die Physiotherapie. Diese Blockaden zwangen den Bundesrat wiederholt dazu, subsidiär einzugreifen.
Und noch etwas: Bei einer Konsultation hat sich die grosse Mehrheit der Betroffenen gegen eine Praxisänderung ausgesprochen. Auch alle Kantone sind dagegen. So ist es doch erstaunlich, dass trotzdem fast die Hälfte der anwesenden Standesvertreter aufs Gesetz eintreten wollten. Nun liegt der Ball beim Nationalrat.

Zu den Kosten für Laboranalysen

  • Von 2010 bis 2019 sind in der Schweiz die Kosten der Laboranalysen von 910 Millionen auf 1,5 Milliarden Franken pro Jahr gestiegen.
  • 2020 verursachten die in spezialisierten Labors durchgeführten medizinischen Analysen Kosten von 1,02 Milliarden Franken.
  • 2020 betrugen die Kosten für Analysen in Praxislaboratorien 580 Millionen Franken. In diesen Zahlen sind die Kostenbeteiligungen sowie die direkten Ausgaben der privaten Haushalte nicht berücksichtigt.
  • Die Out-of-Pocket-Zahlungen für Laboranalysen haben sich seit 2010 verdreifacht und sind von 266 Millionen auf 781 Millionen Franken im Jahr 2019 gestiegen.
  • Die Gesamtkosten für medizinische Laboranalysen in der Schweiz beliefen sich 2019 auf 2,3 Milliarden Franken.
  • Im Halbjahr 2024 sind die Analysekosten schon wieder um «sagenhafte 13 Prozent» gestiegen.
  • Die Kosten für Laboranalysen sind in den letzten Jahren deutlich stärker gestiegen sind als der Durchschnitt der anderen Leistungsbereiche in der Grundversicherung.
  • Die Preise für die Analysen in der Schweiz sind durchschnittlich dreimal höher als in vergleichbaren Nachbarländern.
  • Eine Blutuntersuchung in einem Praxislaboratorium kostet in der Schweiz 31-mal mehr als in Deutschland.
  • Eine Kreatininanalyse zur Erkennung, Diagnose oder Überwachung einer Niereninsuffizienz ist 18-mal teurer als in Deutschland.
  • Die zehn in spezialisierten Labors in der Schweiz durchgeführten Analysen dieses Vergleichs sind im Schnitt 2,3-mal teurer als in den drei Vergleichsländern.
  • Die Tarife der Praxislaboratorien der Schweiz sind durchschnittlich 4,5-mal teurer als in vergleichbaren Ländern.

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