Das Aquisekartell der Krankenkassen

Die Branchenvereinbarung der Krankenversicherer ist ein Kartell und sollte verboten und nicht noch vom Bundesrat rechtsverbindlich erklärt werden.

, 3. September 2022 um 13:05
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Die am 1. Januar 2021 in Kraft gesetzte Branchenvereinbarung (BVV) der Krankenversicherer will drei Probleme lösen:
Erstens den Telefonterror beenden, zweitens die Qualität der Vermittlertätigkeit verbessern und drittens die Provisionen bei 70 Franken für einen neuen Grundversicherungskunden bzw. bei einer Jahresprämie für eine neue Zusatzversicherungskundin deckeln.
Die ersten beiden Punkte sind nicht mehr als das Versprechen, dass man sich an geltendes Recht (Fernmeldegesetz, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Versicherungsaufsichtsgesetz und Krankenversicherungsaufsichtsgesetz) hält, was recht dreist ist.
Und der dritte Punkt bedeutet ein Kartell, das die Wettbewerbskommission (Weko) verbieten sollte.

Provisionen sind nur ein Teil der Akquisekosten

Stefan Wirz, Geschäftsleitungsmitglied des Maklerzentrums Schweiz, fordert im Interview in «HZ Insurance» vom 2.9.22 einem Provisionsdeckel bei 1'500 Franken. Dieser Deckel wäre ebenso beliebig und willkürlich wie die Jahresprämie gemäss BVV.
Relevant sind doch nicht die Provisionen für Neukunden, sondern die gesamten Akquisitionskosten von der Beschaffung der Kontaktdaten potentieller Neukunden bis zum Vertragsabschluss in Relation zum Prämien-Schaden-Verhältnis der Kunden während ihrer gesamten Verweildauer beim jeweiligen Versicherer.

Die zwei Aufsichtsgesetze und Aufsichtsbehörden genügen

Es braucht weder das BVV-Kartell noch das Rahmengesetz, welches den Bundesrat ermächtigen soll, dieses Kartell als rechtsverbindlich zu erklären, denn sowohl im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) als auch im Krankenversicherungsaufsichtsgesetz (KVAG) steht der Grundsatz, dass die Verwaltungskosten der Krankenversicherer insgesamt wirtschaftlich sein müssen.
Die versicherten medizinischen Leistungen übrigens auch. Es genügt also, wenn die Finma als Aufsichtsbehörde der Krankenzusatzversicherer und das BAG als Aufsichtsbehörde der Krankengrundversicherer dafür sorgen, dass die Verwaltungskosten nicht unwirtschaftlich hoch sind.
Wo die Versicherer die Schwerpunkte setzen, um konkurrenzfähig zu sein, soll der Markt entscheiden. Einer will wachsen und gibt mehr Geld für Kundenakquisition im internen Vertrieb aus. Ein zweiter will ebenfalls wachsen und setzt auf einen externen Vertrieb. Ein dritter investiert in Personal und Sericequalität, weil er auf Kundenbindung setzt.

Erlaubte und unerlaubte Umgehungen der BVV

Stephan Wirz kritisiert zu Recht, dass die Branchenvereinbarung den internen Vertrieb nicht regelt und so den Wettbewerb verzerrt. Einige Krankenversicherer machen nun mit Übernahmen von Maklerfirmen, Übernahmen Angestellter von Maklerfirmen, Mehrheitsbeteiligungen an Maklerfirmen oder mit neuen Joint-Venture-Firmen zusammen mit Maklerfirmen aus dem externen einen internen Vertrieb, um sich so der BVV bzw. der Konrolle durch die Aufsichtskommission zu entziehen. Auch das Maklerzentrum der Wirz-Familie macht da mit.

Das Kartell verteuert die Kundenakquisition

Die Krankenversicherer sind kreativ, beim Umgehen der BVV. Und die Aufsichtskommission «fair vermittler» muss nun entscheiden, welche Umgehungen OK sind und welche nicht. Die Akquisitionskosten der Krankenversicherer verlagern sich von den Provisionen zum Marketing und steigen insgesamt. Auch dieses Kartell ist nicht im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten.
  • versicherer
  • felix schneuwly
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