Krankenkassen – Totgeburt Vermittlerregulierung

Weil das am 16.12.22 vom Parlament verabschiedete Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (RVV) den Krankenkassen nicht passt, werden sie dem Bundesrat wohl nie beantragen, ihre Branchenvereinbarung rechtsverbindlich zu erklären.

, 17. Dezember 2022 um 07:00
image
Laut Parlamentsdiensten wird mit dem Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (Vermittlerregulierung) «lästigen Vermittleranrufen ein Riegel geschoben wird, indem die Kaltakquise verboten wird.» Das ist diplomatisch formuliert etwas verkürzt und etwas klarer formuliert ganz einfach nicht wahr, denn gegen den Telefonterror wirkt das Fermeldegesetz (FMG) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Ein Kassenkartell

Auf Gesuch von Versicherern, die zusammen mindestens 66 Prozent der Versicherten vertreten, kann der Bundesrat gemäss Vermittlerregulierung eine Branchenvereinbarung auf dem Verordnungsweg «allgemeinverbindlich» (rechtsverbindlich für alle Krankenversicherer) erklären. In der seit dem 1.1.21 gültige Branchenvereinbarung verpflichten sich die Krankenversicherer:
  1. auf den Telefonterror zu verzichten;
  2. die Qualität der Vermittlertätigkeit zu sichern und
  3. die Provisionen Neukund:innen an Vermittler auf 70 Franken (Grundversicherung) bzw. eine Jahresprämie (Zusatzversicherung) zu beschränken.

Gegen den Telefonterror gibt es das Fermeldegesetz (FMG) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Vermittlern, die den Leuten Versicherungsverträge aufschwatzen, die sie weder wollen noch brauchen, müsste die Finma die Akkreditierung entziehen. Und die Begrenzung der Provisionen ist ein Verstoss gegen das Kartellgesetz (KG). Eigentlich haben die Krankenversicherer dem Parlament unter dem Vorwand, man tue etwas gegen den Telefonterror und gegen dubiose Vermittler ein Kartell untergejubelt, das nur die Provisionen an externe, aber nicht an die bei den Kassen angestellten Vermittler begrenzt.

Eine Vermittlerregulierung, die nie zur Anwendung kommt

Bundesrat und Ständerat haben das Spiel durchschaut und in der RVV verankert, dass die Vergütung der Vermittlertätigkeit wirtschaftlich sein muss und für externe und angestellte Vermittler gelten soll. Dem faulen Kompromiss, die Provisionen an Mitarbeitende der Kassen nur dann zu begrenzen, wenn diese auch für die Konkurrenz arbeiten, stimmte nur der Nationalrat zu. Welcher Krankenversicherer stellt Vermittler an, die für die Konkurrenz arbeiten?
Die Einigungskonferenz, zusammengesetzt aus je 13 Mitglieder der Gesundheitskommissionen beider Räte, schlug die Ständeratsvariante zur Schlussabstimmung vor. Der Nationalrat stimmte am 16. Dezember mit 110 zu 79 Stimmen bei 7 Enthaltungen und der Ständerat mit 27 zu 9 Stimmen bei 8 Enthaltungen der Vorlage über die Versicherungsvermittlung zu.
Da die Versicherer die Gleichbehandlung des externen und internen Vertriebs unbedingt verhindern wollten, werden sie dem Bundesrat vorläufig keinen Antrag stellen, ihre Branchenvereinbarung für alle Krankenkassen rechtsverbindlich zu erklären. Ob die Kassen ihre Branchenvereinbarung anpassen und das Vergütungskarell auch auf das eigene Personal ausweiten und dann den Antrag an den Bundesrat stellen, ist ungewiss. Ebenfalls ungewiss ist, ob die Wettbewerbskommission dieses Kartell untersucht. Gewiss ist aber, dass dieses Kartell im zweiten Jahr nach der Inkraftsetzung zu einer Reduktion der Provisionen an externe Vermittler geführt hat. Weil die telefonische Kaltakquise verboten ist und Provisionen an externe Vermittler gedeckelt sind, verlagert sich der Wettbewerb um neue Kundinnen und Kunden auf andere, teurere Akquisitionskanäle. Anstatt immer wieder neue Gesetze zu verabschieden, täte das Parlament gut daran, dafür zu sorgen, dass Bundesrat, Verwaltung und Finma die guten Gesetze konsequenter vollziehen, die wir haben.
  • felix schneuwly
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Was Alain Berset immer wieder verschweigt

Unser Gesundheitsminister Alain Berset ist ein begnadeter Kommunikator. Interessant ist, was er jeweils nicht sagt, weil Medienschaffende nicht danach fragen. So auch im NZZ-Interview vom 13. Mai 2022.

image

Steigende Gesundheitsausgaben – Alarmismus schadet

Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) prognostiziert bis 2040 steigende Gesundheitsausgaben pro Kopf zwischen 45 und 60 Prozent. Nur mit intelligenter Regulierung kann das Wachstum gebremst werden.

image

Die Mitte manövriert sich mit der Kostenbremse ins Abseits

Die Mitte-Fraktion stimmt seit der Lancierung der Kostenbremse-Initiative fast jeder untauglichen KVG-Revision zu, welche mit noch mehr Bürokratie den Kostenanstieg bremsen möchte und mehr schadet als nützt. Und die GLP folgt ihr.

image

Krankenkassen – neue Kunden werden teurer

Wir bekommen tatsächlich weniger Werbeanrufe für Krankenkassen, Zeitungsabos oder Weindegustationen als früher. Grund ist eine Branchenvereinbarung der Krankenkassen, die aber auch unerwünschte Nebenwirkungen hat und die Kundenwerbung insgesamt teurer macht.

image

Gesundheitskosten – kein Grund zur Panik

Zwischen 2010 und 2020 sind die Kosten der mit den Grundversicherungsprämien versicherten medizinischen Leistungen jährlich um 2,5 Prozent pro Kopf gestiegen. Das Parlament sollte Bundesrat Bersets Reformhysterie stoppen und zuerst die Wirkung der beschlossenen KVG-Reformen evaluieren lassen.

image

Spitalzusatzversicherungen - zwei Motionäre auf ordnungspolitischer Geisterfahrt

Zwei Freiburger Grossräte verlangen, dass der Kanton die Spitalrechnungen der Halbprivat- und Privatpatienten kontrolliert. In anderen Kantonen der Westschweiz geistern ähnlich schräge Ideen herum, welche die Rollenkonflikte der Kantone im Gesundheitswesen verschärfen.

Vom gleichen Autor

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

Ein Gruss aus der sozialistischen Planwirtschaft

Unklare Ziele, diffuse Verantwortung, aber viel Bürokratie: Der Qualitätsartikel im KVG ist ein fehlkonstruiertes Monster.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

EPD: Noch mehr Geld und Zwang machen es auch nicht besser

Ein brauchbares elektronisches Patientendossier wäre überfällig. Aber weiterhin sind wichtige Fragen offen. Zum Beispiel: Wie müsste das EPD sein, damit es auch genutzt wird? Warum fehlen viele praktische Features?

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

«Berset hätte die Fehler von Dreifuss und Couchepin nicht wiederholen dürfen»

Der Krankenkassen-Experte erklärt im Gastbeitrag, weshalb das Bundesamt für Gesundheit bei der Prämiengenehmigung fundamentale Fehler macht.