Nichtübertragbare Erkrankungen, kurz NCD (Non-Communicable Diseases), sind weltweit die häufigste Todesursache. In der Schweiz leidet mehr als ein Viertel der Bevölkerung an einer nichtübertragbaren Krankheit. Chronische Erkrankungen verursachen fast 90 Prozent der Krankheitskosten. Ein grosser Teil davon könnte durch wirkungsvolle Prävention eingespart werden.
Wir wissen, was uns krank macht. Und wir können etwas dagegen tun.
Die Risiken für NCD wie Rauchen, mangelnde körperliche Bewegung und unausgewogene Ernährung sind bekannt und vermeidbar. Deshalb hat der Bundesrat bereits in seiner Strategie «Gesundheit2020» aus dem Jahre 2013 definiert, dass präventive Angebote ausgebaut und besser in der Gesundheitsversorgung verortet werden müssen.
Dass es einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitsversorgung braucht, ist also seit bald 10 Jahren offiziell anerkannt. Präventive Leistungen sollen künftig in der gesamten Versorgungskette angeboten werden. Zu diesem Zweck hat Gesundheitsförderung Schweiz in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit unter dem Titel Prävention in der Gesundheitsversorgung (PGV) einen neuen Interventionsbereich eröffnet.
Einerseits sollen dank der PGV künftig Risikogruppen frühzeitig erreicht und damit Erkrankungen verhindert werden. Anderseits soll chronisch kranken Menschen aufgezeigt werden, wie sie mit ihrem Leiden umgehen und dieses positiv beeinflussen können. Ganz grundsätzlich helfen Präventionsangebote in der Gesundheitsversorgung, die Patientinnen und Patienten stärker am Behandlungsprozess zu beteiligen. Nebst dem Ausbau präventiver Angebote kommt Aus-, Weiter- und Fortbildungen im Bereich PGV eine zentrale Rolle zu.
Pionierprojekt «Sompsynet» hilft Betroffenen und senkt Kosten
Im neuen Interventionsbereich PGV fördert Gesundheitsförderung Schweiz innovative Projekte zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten entlang der Gesundheitspfade. Stets mit dem Ziel, die Autonomie und Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu fördern, den Behandlungsbedarf zu vermindern und die Kostenstruktur des Behandlungsprozesses zu verbessern.
Ein solches Projekt ist «Sompsynet» des Gesundheitsdepartements und Universitätsspitals des Kantons Basel-Stadt. Patientinnen und Patienten mit körperlichen Erkrankungen in Schweizer Akutspitälern sind häufig auch psychosozial belastet. Diese Beeinträchtigungen wirken sich negativ auf den Krankheitsverlauf aus. Die Betroffenen bleiben länger im Spital, werden häufiger rehospitalisiert und verursachen im Schnitt rund 30 Prozent höhere Kosten. Ziel von «Sompsynet»ist es, Patientinnen und Patienten mit psychischen oder sozialen Belastungen früh zu erkennen und rasch geeignete Unterstützungsangebote zu vermitteln. Noch während des Spitalaufenthaltes werden mit einer neuartigen Screening-Methode der Schweregrad ermittelt und geeignete Behandlungen veranlasst. Das Projekt Sompsynet läuft noch bis Ende 2023, und die Resultate werden mit Spannung erwartet.
«GLA:D» hilft fast allen Arthrose-Betroffenen nachweislich zu einem besseren Leben
Ein weiteres Projekt ist «GLA:D» (Englisch: Good Life with osteoArthritis in Denmark). In der Schweiz leiden rund 1,5 Millionen Menschen an Arthrose, Tendenz steigend. Erwähnenswert: Heute werden nirgends auf der Welt verhältnismässig mehr Hüft- und Knie-Gelenkersatz- Operationen durchgeführt als in der Schweiz. Die damit verbundenen Kosten sind enorm.
Arthrose ist zwar nicht heilbar, aber präventive Behandlungen verlangsamen den Knorpelschwund und lindern die Beschwerden. Hier setzt das Projekt an: Das «GLA:D Schweizer Arthrose Programm» ist ein leitlinien-basiertes und qualitätskontrolliertes Programm, das in der Schweiz seit 2019 von 654 zertifizierten Physiotherapeuten und -therapeutinnen angeboten wird. Das Programm besteht aus den drei Bereichen «Beratung und Instruktion», «Übungen» und «Qualitätskontrolle mittels Datenerhebung». Es verbessert nachweislich die Funktion der Gelenke und reduziert Schmerzen, Krankheitstage sowie die Anzahl Operationen.
Die Resultate aus dem
«GLA:D Schweiz Jahresbericht 2021» überzeugen: Nach Abschluss des rund 8-wöchigen Programms verringerten sich die Schmerzen bei Personen mit Knieproblemen um 27 Prozent, bei Personen mit Hüftproblemen um 25 Prozent. Der Schmerzmittelkonsum reduzierte sich bei den Kniepatienten um 25 Prozent, bei den Hüftpatientinnen um 21 Prozent. Die Lebensqualität verbesserte sich bei allen Teilnehmenden signifikant. Total waren über 91 Prozent aller Teilnehmenden zufrieden bis sehr zufrieden mit dem Programm.
Prävention finanziert sich aus ihrem Nutzen
Nichtübertragbare Krankheiten sind weiterhin auf dem Vormarsch, denn die demographische Entwicklung zieht eine Vielzahl von altersabhängigen Erkrankungen nach sich. Präventive Ansätze zur Minderung der Krankheitsbelastung gewinnen darum an ökonomischer und sozialer Bedeutung. Nur wenn präventive Strategien auch im Versorgungssystem zu einem zentralen Bestandteil werden, können die künftigen Herausforderungen im Gesundheitsbereich bewältigt werden.
- Quelle: Thomas Mattig: «Prävention von chronischen Krankheiten. Strategien und Beispiele aus der Schweiz», herausgegeben von Gesundheitsförderung Schweiz.