Bei den Margen sind Auslandvergleiche Unsinn

Viel ist derzeit von überhöhten Medikamentenpreisen und Vertriebsmargen die Rede. Laut Pius Gyger sind Auslandwerte für die Abgeltung der administrierten Medikamentenmargen ökonomischer Unsinn.

, 13. September 2018 um 20:24
image
  • medikamente
  • politik
Gesundheitsleistungen in der Grundversicherung werden entweder nach staatlich bewilligungspflichtigen Tarifen oder staatlich festgelegten Preisen vergütet. Diese sollen so festgelegt werden, dass eine gute Gesundheitsversorgung gesichert und gleichzeitig effizient erbracht wird. Was das Effizienzziel betrifft, werden bei der Festsetzung hilfsweise Verfahren hinzugezogen, die einen funktionierenden Wettbewerb simulieren.

Medikamentenpreise sind länderübergreifend vergleichbar

Bei Originalmedikamenten werden beispielsweise Auslandspreisvergleiche angestellt, auf deren Basis die Preise in der Schweiz verhandelt werden. Der Grundgedanke ist einfach: Die Wertschöpfung der Produktion findet zwar im jeweiligen Herstellerland statt, Medikamente sind aber international handelbar und deshalb sind die Preise identischer Produkte auch länderübergreifend vergleichbar.

Bei Arztleistungen finden Auslandvergleiche keine Anwendung

Bei den übrigen Dienstleistungen im Gesundheitswesen findet das Instrument des Auslandvergleichs keine Anwendung. So zum Beispiel bei den Arzttarifen, Spitaltarifen, Physiotherapietarifen bis zur Abgeltung der Chiropraktiker und Ernährungsberater. 
Das hat seine Gründe. Die Dienstleistungen sind international nicht handelbar, weil sie vor Ort – also in der Schweiz – erbracht werden müssen. Die Wertschöpfung erfolgt zwingend im Inland. Es gibt also keinen wirksamen Wettbewerbsdruck aus dem Ausland. Aus diesem Grund ist auch noch niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, die Spital- oder Arzttarife in der Schweiz auf Basis von Auslandtarifen herzuleiten.

Ökonomie der Vergleiche mit dem Ausland

Dasselbe gilt für den Vertrieb und die Abgabe von Medikamenten. Die Lieferung an Apotheken und Arztpraxen bis zur Beratung und Abgabe findet zwangsläufig in der Schweiz statt. Diese Leistungen sind also international nicht handelbar, ja sie müssen unter Bedingungen in der Schweiz erbracht werden.  
Die Patienten werden wohnortsnah versorgt, die Wertschöpfung erfolgt vollumfänglich im Inland. Entgelte auf international nicht handelbare, zwangsläufig vor Ort zu erbringende Dienstleistungen auf Basis internationaler Werte fehlt daher jegliche ökonomische Logik und wäre daher regulatorischer Unsinn.

Vom Preisüberwacher befeuert

Die gegenwärtigen Diskussionen um die Medikamentenmargen werden nicht zuletzt befeuert von den Versicherern und dem Preisüberwacher. Sie weisen regelmässig auf die hohen Margen im internationalen Vergleich hin. Und sie ignorieren die Tatsache, dass Abgeltungen gemäss gesetzlichen Grundlagen die effiziente und qualitativ hochstehende Versorgung in der Schweiz sicherstellen muss. 
Nicht zuletzt auf Basis dieser regelmässigen Skandalisierungen macht sich das Eidgenössische Departement des Innern nun daran, die Medikamentenmargen neu festzulegen. Und zwar mit Sparzielen, wie die Versicherer und der Preisüberwacher das fordern.

Fazit

Auslandwerte für die Abgeltung der administrierten Medikamentenmargen für die Vertriebs- und Versorgungsleistungen heranzuziehen, ist ökonomischer Unsinn. Mit Medikamentenmargen wie im Ausland könnte der Medikamentenvertrieb von Grossisten bis zu Apotheken und Ärzten auf keinen Fall geleistet werden. Bleibt zu hoffen, dass das Eidgenössische Departement des Innern sich nicht durch einzelne Akteure im Gesundheitswesen irreführen lässt, die unabhängig der Leistungen eine reine Sparpolitik betreiben wollen.

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Mehr als die Hälfte der Medikamente war zu teuer

Nach der diesjährigen Arzneimittelüberprüfung des BAG sinken die Listenpreise von 300 Produkten.

image

Apothekerverband darf sich nicht über Santésuisse beschweren

Santésuisse darf behaupten, dass sich Apotheken mit Medikamenten-Teilpackungen «die Kassen füllen».

image

Luzern: Referendum gegen neues Spitalgesetz

Die Luzerner Grünliberalen sind gegen die Festlegung des Leistungsangebots der Spitäler im Gesetz.

image

Swissmedic: Neues Mitglied im Expertengremium

Es ist Christian Kamm, Co-Chefarzt und Leiter der stationären Neurologie des Luzerner Kantonsspitals.

image

«Kritiker der Komplementärmedizin haben eine zu einseitige Sicht»

SP-Ständerätin Franziska Roth kritisiert im Interview die Haltung von Gegnern der Komplementärmedizin. Sie verkennen den Wert der ärztlichen Expertise.

image

Überraschende Rechnung: Medizinstudium soll viermal günstiger sein

Hat die Politik bislang mit falschen Zahlen gerechnet? Eine Analyse des Verbandes der Schweizer Medizinstudierenden Swimsa deutet darauf hin.

Vom gleichen Autor

image

Physiotherapie: Die Stolpersteine im Tarifstreit

Wie weiter im Tarifstreit in der Physiobranche? Die Frage ist: Welcher Streit – jener über die Tarifstruktur oder jener über den Preis?

image

So funktioniert die Sterbehilfe in Europa

In mehreren Ländern Europas ist die Sterbehilfe entkriminalisiert worden. Ein Überblick.

image

«Genau: Das Kostenwachstum ist kein Problem»

Für FMH-Präsidentin Yvonne Gilli ist klar: Es braucht Kostenbewusstsein im Gesundheitswesen. Aber es braucht keine Kostenbremse-Initiative.