«Unbeschwert in die Ferien reisen»: Das könnte der Titel eines Hotelprospekts sein. Aber nein: Es handelt sich um Werbung für die Häuser der Tertianumgruppe, die in der Schweiz 83 Wohn- und Pflegezentren sowie Residenzen betreibt. Angehörige, die sonst ihre betagten Angehörigen betreuen, sollen sich eine «Verschnaufpause» gönnen und ihre Eltern mit dem «Ferien-Paket» betreuen lassen, heisst es in der Werbung.
Wie im Hotel: Rabatt ab zehn Tagen Aufenthalt
Auch die pflegebedürftigen Senioren selber werden umworben: Sie seien jederzeit gut unterhalten mit Konzerten, Lesungen, Kochen und Backen. Und wie es sich für einen Hotelprospekt gehört, sind acht Feriendestinationen in der Region abgebildet – samt Preis pro Tag im Einzelzimmer. Sogar einen Tag Rabatt bei einem Zehntage-Aufenthalt gibt es.
«Wir machen das jeweils vor der Ferienzeit», sagt Roger Zintl, Regionenleiter Mittelland bei Tertianum, auf Anfrage von Medinside. Denn viele Senioren und deren Angehörigen wüssten nicht, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt.
Kommt bald der Nachholbedarf?
Und ja:» Selbstverständlich machen wir das nur, wenn wir freie Zimmer haben», räumt Zintl ein. Wie viele das derzeit sind, will er nicht genau beziffern. Er sagt aber: «Seit Herbst stagniert die Belegung.» Und vor allem: Seither gibt es weniger Neueintritte als üblich. Zintl führt das unter anderem darauf zurück, dass pflegende Angehörige während der Pandemie eher Zeit hatten, ihre Eltern oder Grosseltern selber zu betreuen. Zintl vermutet aber: «Es wird nun Nachholbedarf geben.»
Umso mehr hofft Zintl nun auf die Feriengäste. Sie zahlen gleich viel wie Daueraufenthalter. Zum Beispiel 199 Franken pro Tag in der Résidence in Bern. Dazu kommen die Pflegekosten, die bis 23 Franken Selbstbehalt pro Tag ausmachen. Ferien in Seniorenbetrieben werden allerdings nicht im grossen Stil gebucht. Zintl spricht von einer oder zwei Anfragen pro Betrieb.
Appetithäppchen für Skeptische
Doch auch wenn die Ferienaufenthalte für sich allein kein Geschäft sind: Sie seien eine Investition in die Zukunft, betont Zintl. Denn es komme immer wieder vor, dass aus dem Ferien- ein Langzeit- oder sogar ein Daueraufenthalt werde. «Oft lassen sich Hemmschwellen abbauen», hat Roger Zintl festgestellt. «Manche merken, dass es ihnen eigentlich gut gefällt, dass sie nicht immer allein sind, oder dass es ihnen vielleicht auch gesundheitlich besser geht.»
Auch die Altersheimgruppe Senevita wirbt um Feriengäste. «Kurz- und Ferienaufenthalte jederzeit möglich», schreibt Senevita auf ihrer Website. Die Preise sind ähnlich wie bei Tertianum. Ein Tag im Senevita Bern-Westside kostet ohne Pflege 195 Franken, in Bern-Bümpliz 173 Franken.
Ferien am Murten- oder am Thunersee
Sowohl Tertianum als auch Senevita sprechen daneben auch rüstige Senioren mit Unternehmungslust an: So gibt es in der Senevita Résidence Beaulieu das Angebot «Seniorenferien in Murten». Eine Woche Ferien mit Vollpension für zwei Personen im Appartement mit einer Schiffahrt, einem Museumseintritt und einigen anderen Aktivitäten für 1640 Franken. Auch Tertianum bietet ein Ferienziel am See an: Die Gäste können dort übernachten, «wo Kaiser und Kaiserin residierten», nämlich im Bellevue-Park am Thunersee.
Ob mit diesem Angebot leere Betten in den Betrieben kompensiert werden, will Senevita-Mediensprecherin Brigitte Hager nicht sagen; «Wir kommunizieren keine Zahlen zur Auslastung und auch nicht zur gebuchten Zahl der Ferienaufenthalte»
Auch so werben Alterseinrichtungen um neue Bewohner
Besichtigungen mit «Zvieri» bei Kaffee und Kuchen gibt es im Burgerspittel in Bern, wie das unten stehende Inserat verspricht. In seiner Werbung spricht das Unternehmen gleich das aktuelle Problem an: «Die Corona-Pandemie hat Ängste vor einem Eintritt in eine Altersinstitution ausgelöst.»Tertianum lädt zudem auch zum vergünstigten Probewohnen in einem Appartment (siehe Inserat weiter unten).
Zeitungsinserat des Burgerspittels.
Zeitungsinserat von Tertianum.