Gesundheitsökonom Willy Oggier und Professor Ueli Kieser, Experte für Versicherungsrecht, haben heute am Tarifdelegiertentag der FMH ihr gemeinsames Gutachten zu den beiden Tarifsystemen für ambulant ärztliche Leistungen Tardoc und Ambulante Pauschalen vorgestellt. Diese sollen künftig Tarmed ablösen.
Die beiden Experten kommen in ihrem gemeinsames Gutachten zu den beiden Tarifsystemen zum Schluss, dass Tardoc als System deutlich entwickelter ist und zudem alle ärztlichen Leistungen des ambulanten Spektrums umfasst.
In ihrer Studie legen sie dar, weshalb es sinnvoller ist, Tardoc vollständig einzuführen und erst auf dieser Basis ambulante Pauschalen zu entwickeln, anstatt weiterhin zuzuwarten, bis ambulante Pauschalen weiterentwickelt sind.
«Eine gleichzeitige Einführung des Einzelleistungstarifs Tardoc und der Pauschalen halten sie nicht für zielführend», schreibt die FMH in ihrer Medienmitteilung.
Die Basis des Tarifvertrags
Aus rechtlicher Sicht gelten laut FMH sowohl für den Einzelleistungstarif als auch für die ambulanten Pauschalen die gleichen Voraussetzungen und Prüfkriterien: diese sind ein kohärentes Tarifmodell, darauf gestützt eine Tarifstruktur und ein sachgerechter Tarifvertrag.
Ambulante Pauschalen und Einzelleistungstarife müssen dieselben Anforderungen erfüllen. Sie müssen dem Gesetz entsprechen und damit eine zweckmässige, qualitativ hochwertige Medizin ermöglichen. Weiter müssen sie mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und dem Gebot der Billigkeit in Einklang stehen.
«Für die Vertragspartner gilt das Prinzip der Vertragsfreiheit und der Tarifautonomie», wird Ueli Kieser in der Medienmitteilung zitiert. «Die Vertragsparteien vereinbaren einen Tarifvertrag, die Genehmigungsbehörde prüft, ob dieser mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und der Billigkeit in Einklang steht. Wenn diese Grundsätze erfüllt sind, dann ist der Vertrag zu genehmigen.»
Tardoc als System deutlich entwickelter
Aus gesundheitsökonomischer Sicht erweise sich Tardoc als deutlich weiter entwickeltes System. «Es basiert auf einer transparenten Datengrundlage, in der die wesentlichen Parameter offengelegt und definiert sind. Und es bezieht neuste wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Medizin ein», sagt Willy Oggier.
Bei den ambulanten Pauschalen hingegen zeigt die Studie zahlreiche Mängel und weiteren Konkretisierungsbedarf auf: So bleibe die Datenbasis unklar, Abgrenzungen zu Nicht-Pflichtleistungen im ambulanten Bereich wie zum Beispiel der Hotellerie im Spital seien zu wenig klar.
Zudem seien die Daten dazu nur aus den Ist-Kosten von Spitälern erhoben worden. «Die Mehrheit der relevanten Leistungserbringer – frei praktizierende Ärzte sowie Gemeinschaftspraxen – sind nicht berücksichtigt. Bis dato liegt auch kein Konzept der statischen Kostenneutralität vor», ist der FMH-Mitteilung weiter zu entnehmen.
Empfehlung der Autoren
Die Autoren empfehlen der Genehmigungsbehörde, Tardoc vor den ambulanten Pauschalen einzuführen. Mit diesem Tarifsystem werde ein Anreiz für mehr Kosteneffizienz bei gleicher Qualität gesetzt. Zudem erhalte die Genehmigungsbehörde die nötige Transparenz für die Beurteilung der ambulanten Tarife.
Zum Gutachten
Das Gutachten von Oggier und Kieser beurteilt die beiden Tarifsysteme in Bezug auf ihre Angemessenheit und ihre Datengrundlage. In ihrer Studie nehmen die Autoren eine gesundheitsökonomische Einordnung und eine rechtliche Analyse von Art. 43 Abs. 5 KVG vor. Darauf aufbauend ordnen sie aus gesundheitsökonomischer und rechtlicher Sicht ein, wie der Artikel zu verstehen und umzusetzen ist.