Telemedizin-Startup: «Häufig ist kein persönlicher Arzt-Patientenkontakt notwendig»

Das Schweizer Startup «Derma2go» baut derzeit ein Netzwerk für die Teledermatologie auf. Nun will Gründer und Arzt Christian Greis die onlinebasierte Beratungsplattform an der grössten Startup-Konferenz in Europa präsentieren.

, 17. Oktober 2018 um 05:00
image
  • forschung
  • telemedizin
  • teledermatologie
  • digital health
Ärzte sind nicht «nur» medizinische Spezialisten, sondern betätigen sich auch als innovative Unternehmer. Dies zeigt ein Blick auf die Startup-Szene. Seit ein paar Wochen ist die digitale Ärztewelt in der Schweiz mit «Derma2go»  um ein Angebot reicher. Die Idee dahinter: eine gesicherte Kommunikationsplattform soll es Patienten ermöglichen, dermatologischen Rat zu erhalten – online innert kurzer Zeit. Hinter dem Startup steckt Christian Greis, 30 Jahre alt, Assistenzarzt in der Klinik für Dermatologie am Universitätsspital Zürich (USZ).
Der junge Hautarzt hat das Projekt vor zwei Jahren ins Leben gerufen – mit einigen Kollegen und Professoren. Inzwischen ist daraus ein Startup geworden. Dem Team angeschlossen haben sich mehrere Haut- und Chefärzte sowie IT-Spezialisten. Das Ziel von «Derma2go» ist der Aufbau eines schweizweiten Netzwerks mit vielen Dermatologen und Nutzern. An der Kommunikationsplattform sind aktuell über 90 Spezialisten interessiert, auch Spitäler wollen das System mit in ihr Portfolio aufnehmen, sagt Arzt Christian Greis zu Medinside. Das Startup will das System mindestens zwei Dritteln aller Dermatologen in der Schweiz zur Verfügung stellen.

Förderpreis von der Gesellschaft für Dermatologie

Anerkennung erhält «Derma2go» von der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV). Vor kurzem hat das Projekt im Rahmen der 100. Jahresversammlung zwei Förderpreise im Wert von mehreren Tausend Franken gewonnen – unter anderem in der Kategorie «innovative Projekte». Das Startup ist zudem Finalist bei der Ifas Innovation Challenge 2018 und stellt das Projekt an der Fachmesse für den Gesundheitsmarkt in Zürich vor.
Ein Höhepunkt in der Geschichte des Startups dürfte zudem im Dezember stattfinden: Gründer Greis hat eben von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung (innosuisse) eine Einladung nach Helsinki erhalten. An Europas grösster Startup-Konferenz (Slush) trifft sich die Startup-Szene, um vor einem internationalen Publikum Projekte vorzustellen. Erwartet werden rund 20'000 Teilnehmer, 2'600 Startups und 1'500 Investoren. Eine gute Gelegenheit, die Idee sowie die Teledermatologie im Allgemeinen auch ausserhalb der Schweiz bekannter zu machen.

In Verhandlung mit den Krankenversicherern

Mediziner und Unternehmer heisst umgekehrt Unternehmer und Mediziner. Auch wissenschaftlich ist das Projekt abgestützt: Eine kürzlich durchgeführte Studie von Greis und Prof. Alexander Navarini zeigte, dass insbesondere junge Patienten diesen Service schätzen. Die Studie wurde im Fachmagazin «Journal of Dermatological Treatment» publiziert. Zudem belegten Studien, dass in der Dermatologie für die Blickdiagnose häufig kein persönlicher Arzt-Patienten Kontakt notwendig ist, um eine Erkrankung zu erkennen.
Der Beratungsprozess hinter «Derma2go» funktioniert relativ einfach: Bilder hochladen, Fragen beantworten und in weniger als 24 Stunden erhalten Patienten werktags eine Einschätzung und eine Therapieempfehlung – oder Rückfragen vom Facharzt. Es können alle Hautärzte online erreicht werden, die diese Dienstleistung über ihre Webseite anbieten. Für die Vermittlung wird das Unternehmen von den teilnehmenden Dermatologen mit einer Gebühr abgegolten. Die Kosten für den Patient: derzeit 75 Franken. Aktuell ist der Service noch eine Selbstzahlerleistung. Man sei aber mit den Krankenversicherern in Verhandlung, sagt Greis.

Markt für Teledermatologie wächst 

Mit der Idee einer Plattform für Online-Dermatologie-Beratung scheint Christian Greis nicht alleine auf dem Markt zu sein. Auch Anbieter wie onlinedoctor.ch, die Plattform der Berner Universitätsklinik für Dermatologie oder die Online-Praxis von Christian Schuster verfolgen ähnliche Ideen.   
Anders als bisherige Anbieter will Greis mit «Derma2go» aber primär das System und die Software zur Verfügung stellen, und somit Ärzten von der Einzelpraxis bis zum Universitätsspital individuelle Online-Konsultationen ermöglichen. Bei «Derma2go» steigt der Patient über die Webseite seines Hautarztes ein und wird so zum zentralen System weitergeleitet, aber vom persönlichen Hautarzt beraten. Ein anschauliches Beispiel für diesen Vorgang zeigt das «Derma competence center» in Zürich. 

Ausweitung auf andere Fachdisziplinen denkbar

Im Gespräch mit Christian Greis kommt nicht nur ein kompetenter Arzt zum Vorschein, sondern auch ein innovativer Unternehmer. Der 30-Jährige kann sich vorstellen, die Plattform auch auf andere Fachdisziplinen auszuweiten: zum Beispiel auf die Ophthalmologie. Augenärzte hätten bereits Interesse bekundet, sagt er. Geplant sei dereinst auch der Einbezug eines neuronalen Netzwerkes und künstliche Intelligenz im Beratungsprozess. 
Für «Derma2go» steht vorerst der Schweizer Markt im Fokus. Doch auch eine Expansion ins Ausland ist für Greis denkbar: etwa nach Deutschland. Dort steht die Telemedizin und die Teledermatologie nach einigen Gesetzesänderungen erst in den Anfängen. Klar ist: Die Teledermatologie scheint in Bezug auf die diagnostische Genauigkeit und Zuverlässigkeit der «face-to-face»-Konsultation in vielen Erkrankungsbildern ebenbürtig. Für die Teledermatologie und deren Unternehmer wie «Derma2go» ist das eine grosse unternehmerische Chance.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Studie: Tageszeit könnte Krebstherapie beeinflussen

Am frühen Morgen seien Krebsmedikamente besonders wirksam, am frühen Nachmittag weniger. Spitäler richten sich bislang nicht danach.

image

Je weniger Pflege-Fachleute, desto längere Spitalaufenthalte

Mit Team-Nursing können Spitäler viel Geld sparen. Doch eine US-Studie zeigt, dass die Patienten unter diesem Modell leiden.

image

SAMW: Diese KSBL-Ärztin ist ein Vorbild

Magdalena Filipowicz Sinnreich gewinnt den diesjährigen Stern-Gattiker-Preis.

image

Ostschweizer Kispi und HSG: Gemeinsames Diabetes-Forschungsprojekt

Untersucht wird, wie sich Blutzuckerschwankungen auf die Nervengesundheit bei Kindern mit Diabetes Typ 1 auswirken - und welche Rolle Lebensstilfaktoren spielen.

image

Das «Time Magazine» ehrt noch einen Schweizer

Fidel Strub verlor seine rechte Gesichtshälfte an die Tropenkrankheit Noma. Seit Jahren kämpft er für deren Erforschung.

image

Die nächste Stufe: Behandlung per WhatsApp?

Die Lausanner Telemedizin-Firma Soignez-Moi testet einen neuen Kanal für den Arzt-Patienten-Kontakt.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.