Der 13. Dezember 2019 bleibt Daniel Heinrich wohl noch lange in Erinnerung. Der Facharzt für Gastroenterologie und Innere Medizin führte damals gerade Vertragsverhandlungen mit zwei Ärzten, weil er Verstärkung für seine Gastropraxen in Bülach und in Wallisellen brauchte. Doch dann machte ihm die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich von einem Tag auf den andern einen jähen Strich durch seine Pläne.
Ein Verbot mit sofortiger Wirkung
An jenem Freitag vor anderthalb Jahren erliess die Direktion mit sofortiger Wirkung eine Verordnung gegen die Zulassung von Spezialisten und gegen die Zuwanderung ausländischer Ärzte. Wer nicht mindestens drei Jahre an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte tätig war, erhielt ab sofort keine Zulassung mehr.
Damit wollte Zürich die Zahl der Praxisneueröffnungen reduzieren. Denn ohne Zulassung können Ärzte nicht zulasten der obligatorischen Krankenversicherungen abrechnen. Von der Beschränkung ausgenommen sind nur Ärzte der Grundversorgung, also Haus-, Kinder- und Jugendärzte sowie Spitalärzte.
Egal, ob «grundversorgungsnah» oder «Marktausfischer»
«Es hat alle Spezialisten gleichermassen getroffen», sagt Daniel Heinrich rückblickend gegenüber Medinside. Was ihn dabei ärgert: «Es wird nicht unterschieden, ob ein Arzt wie etwa in der Praxis-Gastroenterologie eine sehr grundversorgungsnahe Tätigkeit ausübt, oder ob ein Arzt einen Markt ausfischt, wie es etwa gewisse Augenärzte tun.»
Heinrichs Problem: In der Gastroenterologie werden derzeit pro Jahr nur rund ein Dutzend Ärzte ausgebildet. Sie werden komplett von Kliniken absorbiert. «Deshalb bin ich darauf angewiesen, ausländische Ärzte – es sind vor allem deutsche – anstellen zu können, damit ich überhaupt alle zugewiesenen Patienten behandeln kann», erzählt Heinrich.
Heinrich focht den Ärztestopp vor Gericht an
Heinrich musste die laufenden Vertragsverhandlungen mit den zwei ausländischen Ärzten, die er anstellen wollte, abbrechen. Doch er wehrte sich – wohl als einziger der rund 3000 Spezialisten im Kanton Zürich. Er ging vor Verwaltungsgericht und beschwerte sich gegen die Verordnung des Regierungsrats.
Der Kanton habe kein Recht, einen Zulassungsstopp zu erlassen. Ausserdem habe er verschieden lange Spiesse geschaffen: «Unter anderem das Universitätsspital entging dem Ärztestopp, weil Mediziner von ambulanten Polikliniken von der Beschränkung ausgenommen sind.»
Gericht wollte den Ärztestopp nicht stoppen
«Leider hatte das Verwaltungsgericht nicht den Mut aufgebracht, den regierungsrätlichen Überfall auf die ärztlichen Zulassungen zu stoppen», musste Daniel Heinrich feststellen. Das Verwaltungsgericht wies seine Beschwerde ab.
Bis zuletzt hatte Heinrich gehofft. Die ganze Zeit über stand er mit den beiden kurzfristig «abgewürgten» Kandidaten in Kontakt. So hätte er bei einer Gutheissung seiner Beschwerde sofort eine Niederlassungsbewilligung beantragen können.
Nun muss er die Praxis in Wallisellen schliessen
Doch nun kommt es anders: Er muss seinen zweiten Praxisstandort in Wallisellen schliessen. Die Folge davon: Noch längere Wartezeiten für die Patienten am verbleibenden Praxisstandort in Bülach.
Eigentlich hatte sich Heinrich vorgestellt, in Wallisellen zwei jüngeren Kollegen die Gelegenheit zu bieten, im Team zu arbeiten - mit der Absicht, dass sie sich später an der Praxis beteiligen und vielleicht sogar dereinst seine Nachfolge antreten könnten.
Daniel Heinrichs Praxis ist spezialisiert auf Erkrankungen des Magendarmtrakts einschliesslich der Leber, Gallenblase und Bauchspeicheldrüse. In der Praxis werden vor allem Darm- und Magenspiegelungen vorgenommen – «grundversorgungsnah», wie Heinrich sagt.
Auch andere Spezialisten nah an der Grundversorgung
Nicht nur sein eigenes Spezialgebiet sieht der Gastroenterologe vom Ärztestopp ungerechtfertigt getroffen. Nah an der Grundversorgung sind seiner Meinung nach auch die Kardiologen, Pneumologen, Geriater, Endokrinologen, Infektiologen, Gynäkologen und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte.
Anstelle eines Pauschalverbotes fände Daniel Heinrich eine feinere Steuerung gerechter, welche berücksichtigt, in welchen Fächern es an Ärzten mangelt.
Kein Lohn-Dumping bei ausländischen Ärzten
Den Verdacht, dass er ausländische Fachärzte bevorzugt, weil sie günstiger arbeiten, weist Daniel Heinrich weit von sich. «Selbstverständlich würde ich jederzeit auch Schweizer Kollegen oder Kolleginnen anstellen. Ich will mit gut qualifizierten Fachärzten auf Augenhöhe zusammenarbeiten, die auch das gleiche Gehalt wie ich selber erhalten sollen.»
Aber es würden viel zu wenig Fachärzte ausgebildet, welche auch in Praxen arbeiten. «Die Tätigkeit im Spital finden viele spannender und bleiben deshalb dort. Heinrich räumt auch einen Nachteil der Praxis ein: «Die Arbeit ist strenger, weil man sich um alles selber kümmern muss.»
Deshalb arbeiten Spezialisten lieber in der Schweiz
Und warum besteht kein Mangel an ausgebildeten Gastroenterologen aus dem Ausland? Erhalten sie in der Schweiz mehr Lohn? Heinrich hat noch nie konkrete Zahlen gehört. Aber es gebe auch andere Gründe, warum die Spezialisten ihr Herkunftsland verlassen und lieber in der Schweiz arbeiten.
Etwa der Budget-Druck: Pro Arzt und Jahr können den Krankenkassen nur Leistungen bis zu einer bestimmten Grenze verrechnet werden. Wird das Budget überzogen, werden die Ärzte rückzahlungspflichtig. Auch würden für viele Leistungen, wie etwa die Magenspiegelung, nicht kostendeckende Beträge erstattet. «Viele Gastroenterologen im Ausland machen deshalb nur noch Magenspiegelungen, wenn dies mit derselben Spritze für eine gleichzeitige Darmspiegelung erledigt werden kann.»
Neue Zulassungsbestimmungen für Ärzte und Ärztinnen ab Juli 2021
Während fast zwanzig Jahren gab es in der Schweiz befristete oder kantonale Zulassungsbeschränkungen für Ärzte. Derzeit gibt es nur noch in Graubünden und in den beiden Appenzell keine Beschränkung. Zürich führte seine Zulassungsbeschränkung vor anderthalb Jahren ein – mit sofortiger Wirkung, weil man einen Ansturm von neuen Bewerbern vermeiden wollte.
Ab Juli 2021 soll es eine neue dauerhafte gesetzliche Grundlage für die Zulassung von Ärzten in der ganzen Schweiz geben.
Will ein Arzt in der Schweiz eine Zulassung für eine ambulante Tätigkeit erhalten, so müssen künftig zwingende Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sein:
- Mindestens seit drei Jahren im beantragten Fachgebiet an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte tätig.
- Bestandene Sprachprüfung in der Amtssprache der Tätigkeitsregion.
- Kantone müssen Höchstzahlen für Ärzte festlegen. Sie gelten sowohl für Praxen als auch für Spital-Ambulatorien.