Interview mit Cornelius-Monroe Huber, CNO
Cornelius-Monroe Huber ist gelernter dipl. Pflegefachmann HF und hat sich im Verlaufe seiner Karriere mit Weiterbildungen im Management, empirischer Wissenschaft und einem MAS in Management Health Care Institutions an der Kalaidos FH weiterentwickelt. Seit November 2020 ist er Chief Nursing Officer (CNO) und Mitglied der Geschäftsleitung im Kantonsspital Baselland.
Was bedeutet Shared Governance in der Pflege im KSBL?
Shared Governance ist eine Struktur und ein Prozess für Partnerschaft, Gerechtigkeit, Rechenschaftspflicht und Eigenverantwortung. Unsere Shared Governance Philosophie basiert auf den Grundsätzen der Lean Prinzipien, einer Konsens orientierten Entscheidungsfindung und der transformationalen Führung. Wir haben festgestellt, dass das Einbinden von Pflegefach und -bildung in die Entscheidungsfindung wegweisend ist für das Commitment und die Mitarbeitendenzufriedenheit im Unternehmensbereich Pflege.
Der/die Mitarbeiter/-in, der/die Hauptexpertise am Patientenbett mitbringt, hat so die Möglichkeit, sich an der Entwicklung der Pflege und des Unternehmens zu beteiligen. So erhält Management, Fach und Bildung in organisatorischen Angelegenheiten gleichermassen Entscheidungsgewicht.
Wie wird Shared Governance im Pflegealltag gelebt?
Mit dem Ansatz von Shared Governance (ShG) versuchen wir bewusst den Top-down Ansatz zu minimieren und fördern gleichzeitig Inklusion und die Entscheidungsfindung am Ort des Geschehens – nämlich im operativen Alltag. Eine Shared Governance Kultur im KSBL fördert ein enges Zusammenspiel zwischen Management, Fach und Bildung, ohne diese in ihrer Expertise zu schwächen.
Auf jeder Hierarchiestufe gibt es die sogenannten ShG-Teams. Auf der Ebene Team / Station besteht das Leitungsteam aus der Stationsleitung, der Fachverantwortung und den Berufsbildenden. Diese treffen sich in regelmässigen Abständen zu einem Meeting und besprechen anstehende Punkte zur Entwicklung und Optimierung des Stationsalltages. Sämtliche «To Do’s» werden auf dem sogenannten Shared Governance Board festgehalten. Damit hat die ShG-Ebene des oberen Kaders, bestehend aus der Berufsbildungsverantwortung, der Pflegeexpertise und der Pflegeleitung die Möglichkeit, getroffene Entscheidungen visualisiert erklärt zu bekommen. Diese ist dann zuständig, Themen in der übergeordneten Organisationseinheit zu prüfen und bei Bedarf an die nächste Shared Governance Ebene zu rapportieren. Diese Form der kaskadierten Informations- und Kommunikationspolitik funktioniert nach dem gleichen Prinzip bis hin zum Chief Nursing Officer (CNO), welcher die Anliegen und relevanten Schnittstellenthematiken in der Geschäftsleitung vertritt und mit dem ganzen Wissen aller ShG-Ebenen Entscheidungen treffen kann. Damit ein regelmässiger Austausch zwischen allen Teams stattfinden kann, haben wir Kommunikations- und Sitzungsgefässe des Unternehmensbereiches Pflege danach ausgerichtet. Der Gemba Walk (Führung vor Ort), wird derzeit auf allen Shared Governance Ebenen standardisiert. Um Entscheidungen nicht nur nachvollziehen, sondern deren Umsetzung live erleben zu können ist es unumgänglich, dass die Führung an den Ort des Geschehens geht, sieht, hört, Fragen stellt, Erfolge feiert und Wertschätzung ausdrückt.
Ein weiteres Ziel ist es, neben der disziplinaren Entscheidungsfindung, diese auch in interdisziplinären Gremien, gerade zwischen Arzt und Pflege, kultivieren zu können. Damit haben wir eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Fokus auf ein bestmögliches Patientenerlebnis mit umfassender Expertise betrachtet wird.
Wo liegen die Risiken und Herausforderungen?
Wenn man aus einer Organisation kommt, bei der das Management bisher die hauptsächliche Entscheidungskompetenz hatte, dann benötigt es für einen erfolgreichen Change in der Führungskultur Transparenz. Dies geschieht mit persönlichen Gesprächen über das Rollenverständnis und die Kompetenzentwicklung einzelner Schlüsselpersonen und Funktionsgruppen. Wir wollen dem Management keine Verantwortung absprechen, sondern verständlich machen, dass alleinig getroffene Entscheidungen viel schwerer zu tragen und umzusetzen sind, wie solche, die breiter abgewogen wurden. Man darf nicht vergessen, dass bei einer solchen Entwicklung Befindlichkeit eine Rolle spielen kann. Gerade Führungskräfte der Generation Babyboomer und «X» haben andere Modelle kennengelernt und könnten sich in einer Shared Governance Philosophie angegriffen fühlen. Dass diese mit ihrer meist immensen Expertise eine tragende Rolle in der Veränderung spielen, ist nicht immer auf den ersten Blick klar.
Durch die Präsenz des Pflegemanagements in der Pflege KSBL konnte eine Positionierung der Fachexpertise und der Pflegebildung nie wirklich stattfinden. Das hat nichts damit zu tun, dass man nicht wollte, sondern eher, dass die Strukturen dafür nicht geschaffen waren. «Ich bin überzeugt, dass es für eine Veränderung in der Führungskultur auch die Überlegungen in der Organisationsstruktur benötigt.» Wir wollen die Verantwortungen und Kompetenzen der Fach- und Bildungslinie in der Pflege stärken, damit eine Konsens orientierte Entscheidungsfindung überhaupt möglich ist.
Sind mehrere Personen in Entscheidungen involviert, benötigt es ein gemeinsames Verständnis über Aufgaben, Kompetenzen, einer transparenten Kommunikations- und Informationspolitik und das gemeinsame Bewusstsein über die Konsequenzen jeder getroffenen Entscheidung. Das fordert viel Selbstachtsamkeit, sowie Kritik- und Konfliktfähigkeit. ShG basiert für uns auf dem Prinzip des «lebenslangen Lernens» und dafür muss Jede/r bereit sein.
Zusammengefasst ist ShG ein weiterer Change, welcher nur erfolgreich sein kann, wenn wir Mitarbeitende dort abholen wo sie stehen, Entwicklungspotential identifizieren und fördern und die Struktur der Soll- Kultur anpassen. Klingt einfach – ist es aber nicht.
Wollen sie mehr über das KSBL als Arbeitgeber erfahren?
Wo sehen sie als CNO die Vorteile?
Für den Unternehmensbereich Pflege war es ein wichtiger Schritt sich für die Shared Governance Philosophie zu entscheiden. Wir haben schnell gemerkt, dass dies mit unseren Zielen sehr gut harmoniert und das Ergebnis klar fokussiert ist – eine exzellente, patientenzentrierte Versorgung, welche weit über den disziplinären und unternehmerischen Fokus reicht.
Das heisst noch viel Arbeit für uns. Mit den hervorragenden Mitarbeitenden, welche wir im Unternehmensbereich und im gesamten Unternehmen haben, freue ich mich, gemeinsam diesen Weg zu beschreiten.
Das Kantonsspital Baselland
Das Kantonsspital Baselland (KSBL) hat den Auftrag, die medizinische Versorgung von rund einer Viertelmillion Menschen sicherzustellen. Und gleichzeitig engagiert es sich aktiv in der medizinischen Aus- und Weiterbildung. Mit unseren Kliniken und Instituten an drei Standorten bieten wir das volle Angebot erstklassiger medizinischer Leistungen eines so genannten Zentrumsspitals. Vereinzelt haben wir die Expertise einzelner Fachbereiche bewusst an jeweils einem Standort konzentriert. Mit diesem Modell bieten wir heute Patienten im Baselbiet und darüber hinaus überall die Leistungsfülle eines grossen Spitals und gleichzeitig die Bündelung von medizinischem Wissen in Schwerpunktkliniken. Dank unseren eigenen Universitätskliniken und -instituten, Forschungskooperationen mit weiteren Universitäten und integrierten Forschungsprojekten mit Healthcare/Life-Science-Unternehmen können wir unseren Patienten modernste Medizin und Technologien anbieten.