Das Schweizer Gesundheitswesen kämpft mit Personalmangel, Lieferengpässen bei Medikamenten und Medizinaltechnik. Erstmals zeigt Comparis auf, wie sich diese Probleme auf die Patientinnen und Patienten auswirken.
Wie die Umfrage mit 1'020 Personen aus allen Schweizer Regionen zeigt, war in den vergangenen sechs Monaten ein Viertel der Bevölkerung von einem medizinischen Engpass direkt oder indirekt betroffen:
- 11 Prozent gaben an, selbst betroffen gewesen zu sein.
- Bei 8 Prozent war eine andere Person im Haushalt betroffen.
- Bei weiteren 6 Prozent erhielt die befragte Person selbst und zusätzlich eine weitere Person im Haushalt die benötigten Güter oder Behandlungen nicht wie gewohnt.
Kinder leiden am meisten
Bedenklich: Leben Kinder im Haushalt, ist der Anteil signifikant höher. So geben 31 Prozent der Befragten mit Kindern an, betroffen gewesen zu sein. Bei den Befragten ohne Kinder bei sich zu Hause sind es nur 22 Prozent.
«Dass insbesondere Kinder unter medizinischen Versorgungsengpässen leiden, zeigt, wie falsch die Gesundheitspolitik mit dem Kostenröhrenblick der letzten zehn Jahre war», kritisiert der Comparis-Experte Felix Schneuwly in einem
Communiqué.
Man löse die Probleme nicht mit Sparpaketen, sondern mit einer Finanzierung, die sich am Behandlungserfolg orientiere, mit offenen Grenzen und besserer Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern
Mehr Schweizer Medikamente
Comparis schlug den Befragten sieben Massnahmen vor, welche die Versorgungssicherheit mit Medikamenten erhöhen könnten.
Die Ergebnisse:
- Drei Viertel fänden es sinnvoll, wenn mehr Medikamente in der Schweiz produziert würden.
- Aber auch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit sowie die Lockerung der Zulassungsbeschränkungen werden befürwortet.
- 65 Prozent der Befragten sind für eine verstärkte Zusammenarbeit der Schweiz mit anderen Staaten.
- 60 Prozent wünschen sich, dass die Schweiz den Import von Medikamenten und Medizinalprodukten zulässt, wenn diese in Ländern mit vergleichbaren Zulassungskriterien bereits erhältlich sind.
- 54 Prozent würden es zudem begrüssen, wenn in der Schweiz anstelle der heutigen festen Packungsgrössen Medikamente vermehrt rationiert abgegeben würden.
«Die Umfrage zeigt, dass sich die Bevölkerung Lösungen von der Politik wünscht und dass sie wenig Verständnis für verschwenderischen Umgang mit Medikamenten hat. Dass eine inländische Produktion populär ist, überrascht wenig, da sie die vermeintlich sicherste, unabhängigste Variante ist», so Felix Schneuwly.
Der Haken
Die Krux: Würden Medikamente in der Schweiz produziert, hätte das einen Preisanstieg zur Folge. Höhere Preise bezahlen zu müssen, das wollen laut Umfrage allerdings nur 16 Prozent.
«Die Leute, die eine inländische Produktion befürworten, müssen bedenken, dass diese die Produkte stark verteuern würde und weiter von Rohstoffen aus dem Ausland abhängig wäre», macht Schneuwly deutlich. «Hohe Preise wollen die Leute offenbar nicht.»
Dabei sei es so: «Wenn der vom Bundesamt für Gesundheit festgesetzte Preis für einen Hersteller zu tief ist, produziert er eben nicht in der Schweiz oder liefert das in China oder Indien produzierte Medikament nicht hierher.» Die Wahrheit liege oft zwischen den Extrempositionen.
«Heimatschutz reicht nicht»
Trotz hoher Betroffenheit rangieren medizinische Engpässe aktuell nicht in den Top-Sorgen der Bevölkerung. Mit 40 Prozent liegen die Medikamentenengpässe deutlich unter den Sorgen um die Krankenkassenprämien (62 Prozent), die Wohnkosten (60 Prozent) oder die Altersvorsorge (57 Prozent).
«Wie bei der Credit Suisse werden bestimmte Themen erst dann zur Top-Sorge, wenn es zu spät ist.» Die Politik sei also gut beraten, jetzt zu handeln.
«Und in der hoch spezialisierten und vernetzten Welt von heute und morgen reicht Heimatschutz nicht, um medizinische Lieferengpässe in der Schweiz zu verhindern, es braucht offene Grenzen und eine gute internationale Zusammenarbeit», so Schneuwly.