Nach der Bekanntgabe der Prämien für das Jahr 2024 ist nicht guter Rat teuer, sondern inflationär vorhanden. Vor allem Politiker und Politikerinnen jeglicher Couleur wissen um die Lösungen, habe Rezepte parat, um die Prämien zu senken oder mindestens nicht in diesem Ausmass zu erhöhen.
Somit ist das Thema Leistungsreduktion in der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) auch wieder im Gespräch. Wie will das Parlament solche Vorschläge zur Reduktion der Leistungen in der OKP diskutieren, wenn es in den letzten vier Jahren nicht einmal zustande gebracht hat, die Vorlage über die einheitliche Finanzierung (Efas) zu Ende zu diskutieren?
Thomas Straubhaar ist VR-Präsident des Spitals Bülach und des Kantonsspital Obwalden.
Leider können viele Fachleute nicht zwischen Kosten und Finanzierung unterscheiden. Die schweizerische Volkwirtschaft kann einen Anteil von zirka 12 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) als Gesundheitsausgaben tragen. Für eine leistungsfähige Volkwirtschaft scheint dieser Anteil nicht zu hoch zu sein.
Als Gegenleistung erhalten wir eine sehr gute Gesundheitsversorgung und dadurch eine relativ gesunde Bevölkerung mit einer hohen, überdurchschnittlichen Lebenserwartung. Diese Leistungen werden bei den Kostendiskussionen gerne vergessen. Damit soll nicht gesagt werden, dass die zum Teil veralteten Strukturen und Organisationen im Gesundheitswesen nicht verbessert und effizienter gestaltet werden können, was zu Kosteneinsparungen führen würden.
Vielen interessierten Personen ist aber bewusst, dass die bisherige Finanzierung rasch an Grenzen stösst – oder diese bereits überschritten hat. Wenn Miete und Krankenversicherung gegen die Hälfte des Ausgabenbudgets eines Haushalts ausmachen, besteht ein Finanzierungsnotstand der Krankenversicherung.
Mittlerweile dürfte bekannt sein, dass die üblichen marktwirtschaftlichen Instrumente nicht greifen und deshalb andere Wege gesucht werden müssen. Wegen einer gewissen Selbstbedienungsmentalität der Bevölkerung bei der Nutzung der Gesundheitsdienstleistungen werden wir nicht um eine vermehrte Eigenbeteiligung an den persönlichen Gesundheitskosten herum kommen.
«Das heisst, dass die OKP zu einer Versicherung für Grossrisiken wird.»
Denn ein bewussterer Umgang mit den Leistungen des Gesundheitssystems führt zu einer überlegteren Inanspruchnahme, damit zur Vermeidung unnötiger Leistungen und somit zur Reduktion von Kosten.
Grössere Eigenbeteiligung bedeutet eine substanzielle Erhöhung der Franchise; das heisst, dass die OKP eine Versicherung für Grossrisiken wird. Deshalb der Vorschlag, die Franchise auf 10'000 Franken pro Jahr zu erhöhen. Damit würden gemäss Auswertungen der Helsana Versicherungen die mittleren Kosten pro versicherte Person um zirka 50 Prozent sinken und somit auch die mittlere Prämie, nämlich von 360 auf 180 Franken pro Monat.
Rückversicherung für alle
Für die meisten Versicherten ist eine Franchise von 10'000 Franken kaum selber zu finanzieren. Deshalb muss dieser Eigenanteil rückversicherbar sein. Das heisst, eine Versicherung übernimmt einen Teil der Franchise.
Diese Rückversicherung, die nicht obligatorisch ist, kann individuell ausgestaltet sein, zum Beispiel als Bonus-Malus-Versicherung; sie kann gewisse Leistungen ausschliessen, etwa Bagatell- Konsultationen; sie kann Managed Care Modelle vorschreiben; sie kann den Verzicht auf stationären Aufenthalt für bestimmt Eingriffe oder stationäre Reha vorsehen; oder sie kann einen individuellen Selbstbehalt enthalten, je nach individueller Möglichkeit.
Bedingung für diese individuelle Rückversicherung, die dem Versicherungsvertrags-Gesetz (VVG) unterstellt sein muss, ist, dass alle Personen versichert werden müssen.
«Für Personen in bescheidenen finanziellen Verhältnissen braucht es eine Unterstützung in Form einer Managed-Care-Versicherung.»
Im Gegensatz zu der neuen OKP-Prämie, die ein Grossteil der Bevölkerung selbständig finanzieren könnte, ist dies für die Kosten der Rückversicherung nicht der Fall. Deshalb braucht es für Personen in bescheidenen finanziellen Verhältnissen eine Unterstützung in Form einer Managed Care Versicherung. Die Prämien sollen einkommensabhängig festgelegt werden; die Differenz zu der versicherungstechnischen Prämie bezahlt die öffentliche Hand.
Die Vorteile der vorgeschlagenen Lösung:
- Eine OKP-Grossrisikoversicherung deckt Risiken ab, die heute keine Person mehr selber finanzieren kann. Die persönliche Versicherung der Kosten für einfache Leistungen führt zu einer grösseren Selbstverantwortung und damit zu weniger unnötigen Leistungen
- Mit Managed-Care-Angeboten können Patienten besser durch das komplexe Gesundheitssystem geführt werden; damit kann die Versorgung verbessert und es können Kosten gespart werden.
- Die Finanzierung von Personen in bescheidenen finanziellen Verhältnisse ist weniger schematisch als die heutigen Prämienverbilligungen
- Die Krankenversicherer können im sich im Angebot von Rückversicherungen differenzieren.