Wie kann die Kostenexplosion des Gesundheitswesens gestoppt werden? Indem medizinische Leistungen nur dann voll vergütet werden, wenn die Qualität stimmt und der Patient zufrieden ist. Dies ist zumindest die Überzeugung des Krankenversicherers Groupe Mutuel, wie er an einer Medienorientierung in Zürich erklärte.
Laut CEO Thomas Boyer muss der Patient in den Mittelpunkt gestellt werden. Dies geschähe, wenn Patientinnen und Patienten nach dem Behandlungserfolg befragt würden. «Patient Reported Outcomes Measures» heisst das Fachwort dazu, bekannt als PROM's. Das Basler Universitätsspital (USB) nutzt dieses Tool bereits. Seit 2017 erhebt es systematisch PROM's für über 20 Erkrankungen.
Der Patient wird nicht gefragt
Gemäss einer von Link durchgeführten Umfrage wurden fast zwei Drittel der Befragten noch nie nach der eigenen Zufriedenheit über das Behandlungsresultat gefragt. Bei der Patientengruppe der 30- bis 44-jährigen sind es nahezu drei Viertel.
Laut Thomas Boyer ist es daher wichtig, die Qualität der Behandlung in den Vordergrund zu stellen, wie das im stationären Bereich mit ANQ zum Teil gemacht werde.
Aber ist es nicht so, dass mit PROM's oder anderen Qualitätsmessungen womöglich die Qualität verbessert, aber kein einziger Franken eingespart wird? Als Antwort darauf sagt Thomas Boyer «Pay for Quality». Danach sollen medizinische Leistungen nur dann voll vergütet werden, wenn die Qualität stimmt und der Patient zufrieden ist.
Ein grosser Teil der Bevölkerung scheint einem solchen Ansinnen nicht abgeneigt zu sein. Gemäss der genannten Link-Umfrage finden es 41 Prozent der Befragten richtig, dass die Behandlungsqualität den Preis bestimmt. Mehr als die Hälfte wünscht sich eine Bewertungsplattform für Ärtze und Spitäler.
Wenig konkret
Wie das konkret aussehen soll, ist aber unklar, auch wenn zumindest in der Literatur Vorstellungen über «Pay for Quality» oder «Value Based Healthcare» schon länger diskutiert wird. Frage an Thomas Boyer: Beispiel Hüftoperation. Patient bekommt einen Infekt. Er muss nochmals operiert werden. Was dann? Wird dann das Spital und der operierende Arzt für die zweite Operation weniger Geld erhalten?
«Im Prinzip schon», meint der CEO, wobei man Stand heute solche Fragen nicht abschliessend beantworten könne. Man befinde sich im Prozess erst am Anfang. Im Pilotprojekt müssten genau solche Fragen erörtert werden.
Pilotprojekt
Beim genannten Pilotprojekt sind neben Groupe Mutuel auch das Basler Unispital und das Hôpital de la Tour beteiligt. Die Partnerschaft besteht seit gut einem Jahr. Wie damals
hier zu lesen war, will sie für Leistungserbringer Anreize schaffen, um mit den bestehenden Ressourcen die bestmöglichen Ergebnisse für Patienten zu erzielen.
Thomas J. Grichting ist Generalsekretär von Groupe Mutuel. Er sagte an der Medienorientierung: «Es fehlt der Mut, die bekannten Rezepte umzusetzen». Wobei hier die Frage erlaubt sei, ob es sich hier wirklich um Rezepte handelt oder angesichts politischer Realitäten nicht eher um eine Vision.
Denn die Einführung von Value Based Healthcare wäre ein Paradigmawechsel. Es müssten neue Abgeltungsmodelle entwickelt werden. Doch wie soll das realisert werden, wenn die Player im Gesundheitswesen nicht einmal in der Lage sind - um nur ein Beispiel zu nehmen - innert vernünftiger Zeit den veralteten Ärztetarif den neusten Entwicklungen anzupassen?
Deutschschweizer sind selbstkritischer als die Romands
Wer ist schuld am Prämienanstieg? 26 Prozent der Befragten schieben die Kostenexplosion in erster Linie der Pharmabranche zu. An zweiter Stelle folgen mit 21 Prozent bereits die Versicherten selber. 18 Prozent suchen die Schuld bei den Krankenversicherern und erstaunlich wenige 14 Prozent machen die Politiker für den Prämienanstieg verantwortlich.
Obschon Leistungserbringer wie Spitäler und Ärzte die grössten Kostenblöcke bilden, kommen sie in der Umfrage glimpflich davon: nur 11 Prozent sehen das Problem bei den effektiv grössten Kostenverursachern.
Dies ergab eine schweizweite Umfrage von Link im Auftrag der Groupe Mutuel. Ob die Antworten gleich ausgefallen wären, wenn die Befragten von sich aus die Kostentreiber hätten nennen müssen, darf bezweifelt werden. Können die Befragten jedoch aus einer Liste potentieller Kostenverursacher auswählen, figurieren erfahrungsgemäss jene zuoberst, dessen Image nicht unbedingt das Beste ist, im vorliegenden Fall die Pharmabranche. Ärzte und Spitäler haben es besser.
Aussagekräftiger sind die unterschiedlichen Bewertungen zwischen Jung und Alt und zwischen Deutsch und Welsch. In der Alterskategorie bis 29 Jahre kommen Bund und Kantone mit 18 Prozent besonders schlecht weg. Dafür sind die Jungen gegenüber der Pharmabranche wohlwollender eingestellt als die Ü60.
Und punkto Röstigraben fällt auf, dass die Deutschschweizer selbstkritischer sind als die Romands. 25 Prozent der Deutschschweizer sehen sich selber, eben die Versicherten, als Schuldige für den Prämienanstieg. In der Romandie sind es bloss 11 Prozent.