Die Insel Gruppe legt Berufung ein gegen das Urteil, welches das Berner Regionalgericht im Zivilstreit mit der ehemaligen Oberärztin Natalie Urwyler gefällt hatte. Sie will das Urteil durch das Obergericht überprüfen lassen.
Es sei nicht nachvollziehbar, dass man als Arbeitgeberin
nach der Freistellung von Angestellten verpflichtet sein soll, diese in Abwesenheit weiter zu befördern,
erklärt die Insel Gruppe dazu.
Natalie Urwyler hatte darin ein zweites Mal Recht bekommen. Nachdem sie gerichtlich bereits erfolgreich gegen ihre Kündigung vorgegangen war, stimmte ihr das Gericht auch bei einer zweiten Klage zu: Das Spital habe ihr während der Zeit ihrer Freistellung eine Beförderung verwehrt – wobei auch hineinspielte, dass sie eine Frau ist.
Diskriminierung ja oder nein?
Allerdings stellte das Gericht auch fest: Eine geschlechtsspezifische Diskriminierung während der aktiven Tätigkeit von Natalie Urwyler bei der Insel Gruppe habe nicht stattgefunden. Das diesbezüglich erstellte unabhängige Gutachten wird «als vollständig, in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar» bezeichnet.
«Beim Rechtsstreit mit Natalie Urwyler handelt es sich um einen Arbeitsrechtsprozess», kommentiert Insel-Personaldirektorin Nicole Stämpfli: «Im Kern gab es einen persönlichen Konflikt mit ihrem damaligen Vorgesetzten, der nicht mehr aufzulösen war und schliesslich zur Kündigung von Natalie Urwyler geführt hat. Die Kündigung hatte mit dem Geschlecht von Natalie Urwyler keinen Zusammenhang.»
Das Regionalgericht Bern-Mittelland fällte am 26. Januar 2024 im Zivilverfahren Natalie Urwyler gegen die Insel Gruppe ein Urteil. Darin hielt es fest:
- Natalie Urwyler wurde bis zu ihrer Freistellung im Jahr 2014 von der Insel Gruppe bezüglich Entlöhnung aus dem Pool privatärztlicher Honorare nicht diskriminiert.
- Aber: Natalie Urwyler hätte seit der Freistellung trotz ihrer Abwesenheit zur leitenden Ärztin befördert werden müssen. Wegen dieser Nichtbeförderung sei sie diskriminiert worden.
Freistellung
Das nun strittige Urteil bezieht sich also auf die Zeit, in der Natalie Urwyler von der Insel Gruppe freigestellt war. Die Frage lautet: Wurde sie dabei auch (auf gewisse Weise indirekt) diskriminiert, weil sie in dieser Phase Anspruch auf eine Beförderung gehabt hätte? Ist es sogar eine geschlechtsspezifische Diskriminierung (weil am Anfang des Konflikts Fragen des Mutterschafts-Schutzes standen)?
Dafür gibt es laut Einschätzung der Insel-Seite keine triftigen Gründe. Denn:
- Für die Freistellung 2014 gebe es überzeugende Gründe, die vom Berner Obergericht bereits 2015 bestätigt wurden: Das Vertrauensverhältnis war gestört, was zu einem sehr angespannten und belasteten Arbeitsklima in einem hochsensiblen Bereich führte.
- Es sei realitätsfremd, dass freigestellte Arbeitnehmende, die ein gestörtes Vertrauensverhältnis zu ihren Vorgesetzten aufweisen, Anspruch auf Beförderung haben sollen.
- Ohnehin gebe es in Spitälern auch für aktiv beschäftigte Personen keinen Anspruch auf Beförderung.
Rachekündigung
Natalie Urwyler hingegen sieht ihre Schwanger- und Mutterschaft als Hauptgrund. Gegenüber
Fernsehen SRF sagte die Anästhesistin, dass sie nach ihrer Schwangerschaft ausgebremst worden sei. «Ich wurde in meiner Karriere behindert, im Vergleich mit den Männern nicht gefördert und bin langsamer vorangekommen.»
Im Juni 2014, noch bevor sie nach dem Mutterschaftsurlaub wieder ins Berufsleben zurückwollte, kündete ihr das Inselspital. Sie wehrte sich bereits damals vor Gericht, wobei sie 2018 gewann – das Berner Obergericht sprach gar von einer «Rachekündigung». Und es verpflichtete das Spital, Urwyler wieder einzustellen.
Das erneute Anstellungsverhältnis war allerdings von kurzer Dauer und die Ärztin wurde erneut freigestellt.
Für die Insel Gruppe hat der Fall inzwischen einen starken Grundsatz-Charakter angenommen. Einerseits habe das umfangreiche Verfahren keine Hinweise für strukturelle Gleichstellungsprobleme an der Insel Gruppe ergeben, so die hauseigene Einschätzung. Andererseits sei die Tragweite des Entscheids des Regionalgerichts Bern gross; das Urteil könnte kaum abschätzbare Auswirkungen auf die gesamte Arbeitswelt haben.
Daher sei es wichtig, den Sachverhalt von einer zweiten Instanz beurteilen zu lassen.