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«Es ist wie beim Bergsteigen: Neue Spuren sind anstrengend»

Wie sollen Hotellerie und Medizin im Gesundheitstourismus zusammenarbeiten? Flexibilität und Qualität gehören zu den wichtigsten Faktoren, sagen Hotelier Christoph Schlatter und Kardiologe Christian Schmied im Interview.

, 24. August 2018 um 06:00
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Christoph Schlatter, wie haben Sie Ihre Hotel-Mitarbeitenden auf den Umgang mit Herzpatienten vorbereitet?
Christoph Schlatter: Wir haben alle Mitarbeiter im Umgang mit Herzkranken geschult. Jeder hat einen Ersthilfekurs absolviert und wurde informiert, wie man Akutsituationen bei einem herzkranken Menschen schnell erkennt.
Können denn jetzt alle mit einem Defibrillator umgehen?
Ja in der Tat, der Umgang mit dem Defibrillator wurde geschult. Dies war aber schon von Santasana der Standard in unseren Hotels.
Und Sie?
Der Defibrillator redet mit einem und erklärt, was zu tun ist… Aber es ist sicher eine grosse Herausforderung, in einer Stresssituation das richtige zu tun.
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    Christoph Schlatter

    Ist Hotelier sowie Mitinitiant und Geschäftsführer des Projekts Santasana St. Moritz. Schlatter ist CEO der Laudinella AG, welche die Hotels Laudinella und Reine Victoria in St. Moritz betreibt.

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    Christian Schmied

    Der Kardiologe ist medizinischer Leiter des Projekts Santasana St. Moritz. PD. Dr. med. Schmied ist Leitender Arzt der kardiologischen Poliklinik sowie der Sportmedizin/ Sportkardiologie und des ambulanten kardiologischen Rehabilitationsprogramms am Universitätsspital Zürich.

Herr Schmied, haben Sie keine Bedenken, wenn Patienten statt in einer Reha-Klinik in einem Hotel wohnen?
Christian Schmied: Nein, da habe ich keinerlei Bedenken. Für unser Programm müssen die Patienten gesundheitlich stabil sein, was wir im Rahmen einer ausführlichen Eintrittsuntersuchung evaluieren. Erst dann wird ein individualisiertes Trainingsprogramm für jeden Patienten zusammengestellt.  
Wie werden die Patienten während ihres Aufenthaltes medizinisch betreut?
Schmied: Nach der ärztlichen Eintrittsuntersuchung werden sie während des Trainings permanent von Fachkräften betreut und überwacht. Auf allfällige Notfallsituationen sind wir vorbereitet und haben ein entsprechendes Notfallkonzept. Dies gilt natürlich insbesondere für Aussenaktivitäten in der Natur. Sollten ausserhalb der Trainings medizinische Probleme auftreten, ist unser Team jederzeit erreichbar, und wir basieren auf dem bestens ausgebauten medizinischen Netzwerk im Oberengadin.
Wäre es nicht sinnvoller und vor allem günstiger, wenn die Rehabilitation am Wohnort und nicht in einem Hotel stattfindet?
Schlatter: Bei der Reha soll man sich von einem Akutereignis erholen, welches meistens in der eigenen gewohnten Umgebung stattgefunden hat. In St. Moritz kann der Patient auch Abstand gewinnen, um dann mit Zuversicht wieder nach Hause zurückzukommen. Das ist ein starkes Erlebnis, da sollten die wenigen Mehrkosten keine grosse Rolle spielen.
Wie reagieren die Krankenversicherer auf das Angebot? 
Schlatter: Unser Angebot ist neu und erst daran, den Weg in das Krankenkassenprogramm zu finden. Das Interesse ist gross; einige Versicherungen übernehmen die ärztlichen und therapeutischen Leistungen, bei der Übernachtung gibt es teilweise eine kleine Vergütung.
Herz-Reha im Höhenklima gibt es in den USA das schon sehr lange. In der Schweiz ist sie ein Novum. Weshalb?
Schmied: Ein eigentliches Novum stellt sie auch in der Schweiz nicht dar. Nur mussten bedauerlicherweise die meisten Institutionen – etwa in Davos – ihre Programme einstellen. Dies hatte aber keine medizinischen, sondern vor allem ökonomische Gründe. Umso wichtiger erscheinen mir deshalb neue, innovative und kosteneffiziente Konzepte wie das von Santasana St. Moritz.
Gab es Reaktionen von gesunden Gästen auf die Patienten in ihrem Hotel?
Schlatter: Einem Herzpatienten sieht man nicht an, dass er gerade in der Reha ist. Sowieso ist ein Hotel ist immer ein Mikrokosmos der Gesellschaft. Dazu gehören Gäste, denen es gut geht, Gäste denen es weniger gut geht, verschiedene Nationen, Religionen mit Ihren Bedürfnissen. Der Santasana-Gast passt also perfekt in dieses Umfeld.

«In einem Hotel kann viel passieren, vielleicht verlieben sich ja Teilenehmer ineinander, immerhin handelt es sich ja um eine Herzwoche»

Bisher hatten Sie erst einzelne Patienten in der Reha. Wie viele sollen es pro Jahr werden?
Schlatter: Unser Ziel ist es, mittelfristig 30 bis 50 Patienten pro Jahr in der Reha zu behandeln. Wir sind zuversichtlich, dass die Herzwoche einen zusätzlichen Impuls gibt, um dieses Ziel 2019 erstmals zu erreichen.
Die «Herzwochen» in ihren Hotels sind neu. Partnervermittlung?
Schlatter: In einem Hotel kann viel passieren, vielleicht verlieben sich ja Teilenehmer ineinander, immerhin handelt es sich ja um eine Herzwoche. Spass bei Seite: Bei der Herzwoche geht es uns darum, auch aktiv in der Prävention zu sein. Die Prävention soll unser Reha-Angebot ergänzen, das ist ein Thema, welches mehr in Richtung Gesundheitstourismus geht.
Eine Woche Herz-Prävention. Bringt das medizinisch etwas?
Schmied: Wir möchten mit unserer Herzwoche die Teilnehmer für die Herz-Prävention sensibilisieren und motivieren: «Vorsorgen ist besser als Heilen». Dass Vorsorge mittels eines gesunden Lebensstils hocheffektiv ist und sogar Spass macht, vermitteln wir mit einem spannenden und vielseitigen Programm.
Herr Schmied, Sie sind ein führender Kardiologie am Unispital Zürich. Wie kommen Sie dazu, sich für ein kleines Projekt in St. Moritz zu engagieren?
Schmied: Dies hat einerseits ganz persönliche Gründe: Ich liebe das Engadin schon seit meiner Kindheit und freue mich jedes Mal von Neuem, wenn ich in St. Moritz aus dem Zug steige. Aber selbstverständlich stehe ich voll und ganz hinter dem Konzept eines kompakten Rehabilitationsprogramms auf ambulanter Basis in der Höhenlage des Oberengadins.

«Wir möchten zeigen, dass wir ebenso gut und vielleicht sogar besser sind als andere Konzepte»

Die Schulmedizin beruht auf der so genannten wissenschaftlichen Evidenz. Das bedeutet, dass all unser Tun auf Studien basieren sollte, welche entsprechendes Handeln als für die Patienten positiv bewiesen haben. Wir überprüfen von Beginn unseres Santasana-Programms an die Folgen und Effekte unseres Konzeptes wissenschaftlich im Rahmen von Studien.
Ab wann ist mit Erkenntnissen zu rechnen?
Schmied: Frühe und individuelle Erkenntnisse lassen sich bereits nach den ersten Patienten gewinnen. So haben bisher alle Teilnehmer ihre körperliche Leistungsfähigkeit und ihr kardiovaskuläres Risikoverhalten verbessern können. Natürlich gewinnen diese Ergebnisse aber erst dann an Aussagekraft, wenn viele Patienten unser Programm durchlaufen haben.

«Wir müssen mit der wissenschaftlichen Auswertung und positiven Ergebnissen von unserem neuen Konzept überzeugen»

Entscheidend werden dann Vergleichsstudien mit anderen, etablierten Reha-Konzepten sein. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der Höhenlage des Oberengadins. Wir möchten zeigen, dass wir ebenso gut und vielleicht sogar besser sind als andere Konzepte. Ganz entscheidend ist in der Prävention ausserdem die Nachhaltigkeit – das lebenslange Weiterführen eines gesunden Lebensstils. Und auch diesbezüglich versuchen wir, mit unserem Programm neue Massstäbe zu setzen.

Das Projekt Santasana

Kardio-Reha im Höhenklima: Für dieses Angebot schlossen sich im Herbst 2016 mehrere Gesundheits- und Tourismus-Anbieter aus dem Engadin zusammen. Lanciert wurde Santasana von Viktor F. Fässler, der die Gesundheitsbranche unter anderem als Mitgründer von H-Net kennt.
Werden die Schweizer Ärzte das zur Kenntnis nehmen? Man hört, es gebe bei der Herz-Reha im Höhenklima eine ziemliche Zurückhaltung...
Schmied: Wir müssen mit der wissenschaftlichen Auswertung und positiven Ergebnissen von unserem neuen Konzept überzeugen. Und das werden wir auch. Erste Ergebnisse lassen diese positiven Erwartungen zu. Es geht dabei nicht nur darum, zu zeigen, dass ein intensives Herzrehabilitationsprogramm im Oberengadin hocheffektiv und nachhaltig ist, sondern auch sicher. Dadurch können wir allfällige Bedenken aus der Welt schaffen.
Sie arbeiten jetzt drei Jahre an diesem Projekt und hatten erst einzelne Patienten. Können Sie ihren Hotelier-Kollegen den Einstieg in den Gesundheitstourismus empfehlen?
Schlatter: Das Tourismusgeschäft verlangt Flexibilität von jedem der in diesem Markt tätig ist. Das bedeutet auch Innovation, und das braucht Kraft und Ausdauer. Ich vergleiche das gern mit dem Bergsteigen: neue Spuren sind anstrengend und brauchen länger, aber man kommt auch als erster dorthin wo bis jetzt noch niemand gewesen ist. Das gleiche machen wir mit der Santasana, es geht uns um Qualität und Vertrauen, sehr wichtig wenn es um Gesundheit geht, alles andere wäre unseriös.

Gesundheitstourismus als Chance

Die 4. Konferenz «Gesundheit & Tourismus» findet am 19. September in Pontresina statt. Fachleute aus dem Gesundheitsdienstleister, Mediziner, Hoteliers, Touristiker und Vertreter der Politik tauschen sich über den Gesundheitstourismus im Alpenraum aus.
Tickets zum Vorverkaufspreis von 300 Franken noch bis zum 31. August.
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