«Ich glaube, als Team hat man bessere Chancen aufzusteigen»

Partnersuche einmal anders: Auf der Plattform Doppeldoc können Ärztinnen und Ärzte Jobsharing-Partner suchen. Gründerin Salome Kisker erklärt im Interview, was es braucht, damit die Zweierteams funktionieren.

, 24. April 2018 um 08:00
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Frau Kisker, mit ihrem Portal doppeldoc.ch vermitteln Sie Jobsharing-Partner für Ärztinnen und Ärzte. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Salome Kisker: Nach dem ersten Jahr meiner Facharztausbildung kam unsere Tochter zur Welt. Das bedeutete aber nicht das Ende meiner Ausbildung: Nach der Mutterschaftspause stieg ich mit einer Teilzeitstelle wieder ein. Für meine Jobsharing-Partnerin und für mich hat sich das Jobsharing-Modell bei der Stationsarbeit am Kantonsspital Graubünden sehr gut bewährt. Als ich realisierte, dass es keine Koordinationsstelle für teilzeitarbeitende Ärztinnen und Ärzte gibt, wollte ich das ändern. Im Januar 2018 konnten wir mit doppeldoc.ch loslegen.
Wer steckt sonst noch hinter dem Portal?
Hinter dem Portal stehen mein Bruder Jakob Kisker und ich. Mein Bruder hat Industriedesign studiert. Er arbeitet in London und in verschiedenen Ländern in Afrika und Asien für eine Nonprofit-Organisation als Berater. Bei Doppeldoc kann er seine Erfahrung in der Umsetzung von Idee zum Produkt einbringen. Ich habe 2012 das Staatsexamen in Zürich gemacht, bin Mutter von zwei Töchtern und arbeite als Praxisassistentin in einer Hausarztpraxis in Olten und bin auf dem Weg zur Allgemeinen Internistin.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Portal - was läuft gut, was weniger?
Die Reaktionen sind sehr positiv. Für viele Ärztinnen und Ärzte sind Teilzeitstellen ein grosses Bedürfnis. Sie möchten neben der Arbeit auch Zeit für die Familie oder für ein aufwändigeres Hobby haben. Leider sind nicht alle Spitäler bereit, sich auf alternative Arbeitsmodelle einzulassen. Ein Paar, das sich über Doppeldoc kennengelernt hat, konnte sich darum nicht beim Wunschspital bewerben. In Zukunft möchten wir auf unserer Website noch bessere Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch bieten. Denn mit guten Argumenten lassen sich noch mehr Spitäler vom Jobsharing überzeugen, da sind wir sicher.

«Es ist doch erstaunlich, dass sich bisher kaum Männer angemeldet haben.»

Gibt es ein typisches Profil der Doppeldoc-Nutzer?
Die Doppeldoc-Community umfasst momentan ungefähr 50 Ärztinnen und Ärzte, sie wächst stetig. Hauptsächlich haben sich junge Assistenzärztinnen mit Kindern angemeldet. Viele sind in der Ausbildung zu Allgemeinen Internistinnen oder Pädiaterinnen. Aber es haben sich auch Ärztinnen und Ärzte aus anderen Fachgebieten und anderen Kaderstufen angemeldet. Wie gesagt: Für Teilzeitarbeit interessieren sich sehr viele Mediziner.
Wie erleben Sie das Interesse der Ärztinnen und Ärzte am Jobsharing?
Die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte bevorzugt herkömmliche Teilzeitarbeit vor Jobsharing. Das Teilen einer Stelle bedeutet viele Verpflichtungen zur Partnerin oder zum Partner - das schreckt viele im ersten Moment ab. Aber sie sind dann doch neugierig, wenn ich von meinen Erfahrungen erzähle. Und reagieren überrascht, wenn ich von den Vorteilen berichte. So glaube ich zum Beispiel, dass man als Team bessere Chancen hat aufzusteigen.
Gibt es Unterschiede je nach Fachrichtung, Geschlecht oder Alter?
Bisher melden sich vor allem Assistenzärztinnen mit kleinen Kindern bei Doppeldoc an. Natürlich wissen wir nicht, wie viele Mediziner in der Schweiz Teilzeit arbeiten. Aber es ist doch erstaunlich, dass sich bisher kaum Männer angemeldet haben.
Wie hoch ist die Bereitschaft der Spitäler und Praxen generell, Jobsharing-Modelle einzuführen? Wo ist sie ausgeprägter, wo weniger?
Es kommt sehr auf die Klinikleitung an. An gewissen Orten unterstützt man bewusst Teilzeitmodelle, andere haben keine andere Wahl, da sie sonst keine Ärztinnen und Ärzte finden. Und dann gibt es diejenigen, die wegen Vorbehalten ablehnen. Im ambulanten Sektor und in den Praxen ist herkömmliche Teilzeitarbeit meistens möglich. Schwierig ist es in den Chirurgischen Fächern und den medizinischen Spezialisierungen. Überspitzt gesagt: Wer nicht 100 Prozent arbeiten kann und nicht Praxispädiater oder Hausärztin werden will, muss sich durchbeissen.

«Es braucht Chefinnen und Chefs, die selber mutig vorangehen.»

Was muss passieren, dass sich Jobsharing in den Spitälern durchsetzt?
Es braucht eine Koordinationsstelle wie Doppeldoc, wo man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann und wo man schon relativ früh eine Partnerin, einen Partner kennenlernen kann. Zudem ist Aufklärungsarbeit wichtig. Es gibt nämlich viele Vorurteile gegenüber Jobsharing. Zum Beispiel, dass man einspringen muss, wenn der Jobsharing-Partner oder die -Partnerin krank ist. Die Lösung ist ein separater Jobsharing-Vertrag, da das Modell in eine juristische Grauzone fällt. 
Für Vorgesetzte klingt das vor allem nach viel Aufwand. 
Es braucht Chefinnen und Chefs, die Jobsharing anbieten. Und vielleicht selber mutig voran gehen. Denn gerade für Kaderstellen bietet Jobsharing gute Möglichkeiten. Warum nicht einen Lehrstuhl für Innere Medizin teilen und daneben klinisch tätig sein?
Worauf müssen die Stellenpartner besonders achten, damit das Jobsharing klappt?
Die Chemie zwischen den Partnern muss stimmen. Man muss bereit sein, Kompromisse einzugehen. Und gut planen können: Denn Ferien oder die Aufteilung der Arbeitstage müssen mit einer weiteren Person und deren Familie abgestimmt werden. Und dann ist es wie in jeder Beziehung: Es ist zentral, dass die gegenseitigen Erwartungen geklärt werden. Auch Regelmässiges Feedback und eine positive Einstellung sind für eine gute Zusammenarbeit unabdingbar. Zudem wichtig ist die gemeinsame Besprechung der Patienten. Dafür sollte der Arbeitgeber überschneidende Arbeitszeiten einplanen. Wir hatten zum Beispiel jeweils fünf Stellenprozent Zeit, zu der wir gemeinsam anwesend waren und die Patienten-Fälle durchgingen.

«Da mein Partner, auch er ist Arzt, ebenfalls nur Teilzeit arbeitet, entlasten wir uns gegenseitig. Dass uns dies gelingt, empfinde ich als ein grosses Glück.»

Sie haben letztes Jahr den Förderpreis «Deine Gesunde Arzt-Idee» gewonnen. Welchen Einfluss hatte die Auszeichnung auf die Entwicklung des Portals?
Der Förderpreis hat uns wichtige Kontakte verschafft, die uns beim Marketing weiterhelfen können. Zudem waren die 10'000 Franken eine willkommene finanzielle Hilfe während der Entwicklungsphase.
Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit Jobsharing gemacht?
Über zwei Jahre lang teilte ich mit einer anderen Assistenzärztin eine Vollzeitstelle auf der Inneren Medizin am Kantonsspital Chur. Jede von uns war mit einem eigenen Vertrag zu 55 Prozent angestellt. Da wir eine Art Pilot-Projekt waren, spürten wir teilweise Vorbehalte bei einzelnen Vorgesetzten. Wir haben jedoch als Team immer zusammengehalten. Dabei ist eine schöne Freundschaft entstanden. Die gegenseitige Unterstützung ist sehr wichtig, denn Teilzeitarbeit auf der Station ist immer mit mehr Aufwand verbunden. Das will ich nicht schönreden. Dennoch bringt Jobsharing im Vergleich mit herkömmlicher Teilzeitarbeit für alle Beteiligten mehr Vorteile.
Wie sieht Ihre berufliche Situation derzeit aus?
Ich bin daran, den Facharzt für die Allgemeine Innere Medizin zu absolvieren. Momentan arbeite ich zu 50 Prozent in einer Hausarztpraxis als Praxisassistentin. Ich arbeite alternierend zwei oder drei Tage pro Woche. An diesen Tagen vertrete ich einen der drei Hausärzte. Ich mache sozusagen Jobsharing mit meinen Lehrärzten (lacht). Die restliche Zeit verbringe ich mit unseren beiden tollen Töchtern. Da mein Partner, auch er ist Arzt, ebenfalls nur Teilzeit arbeitet, entlasten wir uns gegenseitig. Dass uns dies gelingt, empfinde ich als ein grosses Glück.
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