Medizin-Dolmetscherdienst ab sofort in der Schweiz

Klarheit für Patienten, Kommunikationstraining für Profis: Auf der Online-Plattform «Was hab‘ ich?» übersetzen Medizinstudenten und Ärzte die Befunde in Alltagsdeutsch.

, 17. März 2017 um 09:43
image
  • trends
  • praxis
  • insel gruppe
Das Projekt «Was hab ich?» haben wir hier ja auch schon präsentiert, es wurde in Deutschland vielfach ausgezeichnet: Dabei übersetzen Medizinstudenten und Ärzte ehrenamtlich Befunde auf Alltagsdeutsch. Kostenlos und anonym können die Patienten also online erfahren, was der Doktor über sie geschrieben hat. 
Jetzt startet der «Übersetzungsdienst» mit einer Schweizer Site. Ab sofort können hiesige Patienten auf Washabich.ch ihre Befunde einreichen. Innert weniger Tage erhalten sie eine Übersetzung des «Mediziner-Lateins». 

Trainingsfeld für Mediziner

Unterstützt werden die «Was hab ich?»-Macher von der Insel Gruppe: Der Berner Spitalverbund wird dem Startup beim Aufbau eines Schweizer Netzwerks helfen.
«Wir sind überzeugt, dass ein informierter Patient viel besser am Behandlungs- und Heilungsverlauf teilnehmen kann», sagt Henrik Pfahler, Bereichsleiter Medizinsteuerung der Insel Gruppe in Bern. «Auf der anderen Seite lernen Medizinstudierende so schon in ihrer Ausbildung, sich laienverständlich auszudrücken.» — «Was hab ich?» quasi als Intensiv-Training in patientenfreundlicher Kommunikation…
image
Online-Auftritt von «Was hab ich?» Schweiz
Zu den Starthelfern in der Schweiz zählt auch die Stiftung Konsumentenschutz: Die neue Site ermögliche es hiesigen Patienten, «ihre Rolle im Gesundheitssystem aktiv wahrzunehmen», sagt Ivo Meli, Projektleiter Gesundheit der SKS. «Damit kommen wir unserem Anliegen, unnötige Behandlungen zu vermeiden und damit die Versorgungsqualität zu verbessern, ein Stück näher.»
Unterstützung zugesagt haben ferner die Swiss Medical Students‘ Association Swimsa sowie dem Assistenz- und Oberärzteverband VSAO

  • Zur Facebook-Seite von «Was hab ich?»

Erstes Ziel ist nun, viele Schweizer Mediziner, ob angehend oder erfahren, für das Ehrenamt als Übersetzer zu gewinnen. Gesucht seien auch weitere Unterstützer für das gemeinnützige Projekt, so die Mitteilung der Insel Gruppe.

Wer versteht, fragt besser

«Was hab‘ ich?» war 2011 von Studenten in Dresden gegründet worden. Es basiert auf der einfachen Idee, das Wissen von Medizinstudierenden gratis für die Patienten zugänglich zu machen. «Unsere Vision ist es, Arzt und Patienten auf Augenhöhe zu bringen», sagt Mitgründer und Geschäftsführer Ansgar Jonietz. «Denn wer seinen Befund versteht, der kann dem Arzt im nächsten Gespräch bessere Fragen stellen. Der kann informiertere Entscheidungen treffen – zum Beispiel für oder gegen eine Operation.»
Bis heute wurden in Deutschland via «Was hab ich?» knapp 35'000 Befunde übersetzt. 

«Good-bye» auf Deutsch: Eine Kooperation von «Was hab ich?» und den Paracelsus-Kliniken


In Deutschland taten sich die «Was hab ich?»-Macher Ende 2015 auch mit den Paracelsus-Kliniken zusammen – also einer Gesundheitsgruppe mit rund 40 Einrichtungen. Gemeinsam lancierten sie die Idee eines «Entlassungs-Briefes».
Das heisst: Jeder Patient der Inneren Abteilung erhält den vorläufigen Arztbrief, der nach dem stationären Aufenthalt an den Hausarzt geht, als Patientenbrief nach Hause geschickt – in Alltagssprache. Die Arztbriefe werden von Mitarbeitern von «Was hab‘ ich?» übersetzt; die Kosten trägt komplett die Klinik. Das Gemeinschaftsprojekt wird aber auch vom deutschen Gesundheitsministerium gefördert.
Patienten vergessen Informationen rasch
Im Hintergrund steht, dass viele Menschen den Bekannten oder Verwandten gar nicht recht erklären können, was nun medizinisch Sache ist bei ihnen – und sie vergessen auch innert Kürze bis zu 80 Prozent der Informationen, die ihnen der Arzt gegeben hat.
Die Macher der Paracelsus-Kliniken hoffen, dass das Projekt auch die Art verändert, wie Patienten mit ihren Ärzten reden, und dass der Dialog partnerschaftlicher wird.
Der Versuch stiess in der ersten Phase auf grosse Resonanz: Zwei von drei Patienten nutzten das Angebot in den ersten neun Monaten.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Notfallpauschalen: Politiker machen Druck auf Versicherer

Im Ständerat fordert eine erste Motion höhere Tarife für Notfalleinsätze und Permanencen.

image

Zürich: Teil-Einigung im Tarifstreit, Taxpunktwert steigt um 2 Rappen

Die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich einigte sich mit HSK und CSS auf einen Wert für die ambulant tätigen Mediziner.

image

Notfallpauschalen: Bundesrat kann nichts tun

Die Landesregierung sieht keine Möglichkeit, dass Bern kurzfristig eingreift. Allerdings wird sie im Tardoc-Verfahren speziell auf die Dringlichkeits-Entschädigungen achten.

image

Cyberattacke auf Praxisgruppe Vidymed

Die Waadtländer Gruppe kämpft mit den Folgen eines Cyberangriffs, der ihre IT-Systeme lahmlegte. Ein Krisenstab sucht allfällige Datenlecks.

image

200 Millionen Franken für Femhealth-Projekte

Seit 2021 fördert der Akzelerator Tech4Eva Startups für die Gesundheit der Frau. Dabei zeigt sich, wie sehr dieses Thema im Trend liegt.

image

Krise bei Permanencen und Praxen: Wird der Bundesrat aktiv?

Was bewirkt der Bundesgerichts-Eingriff bei den Notfall-Entschädigungen? Was kann die Politik tun? Dazu muss die Landesregierung am Montag Stellung nehmen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.