Damit es gleich klar ist: Wer sich viel der Sonne aussetzt, hat ein höheres Hautkrebs-Risiko – an dieser Einsicht ändert sich überhaupt nichts. Im Gegenteil: Die Langfrist-Studie, um die es hier geht, bestätigt die Korrelation.
Aber die Daten besagen eben auch, dass Menschen, die gern sonnenbaden, seltener an Herz-Kreislauf-Krankheiten sterben; und dass auch andere Krankheiten – jenseits von Krebs und Herz-Kreislauf-Problemen – bei ihnen seltener auftreten.
Die Aussagen stammen aus Schweden. Dort verfolgten Dermatologen und Frauenärzte des Karolinska Institutet und der Universität Lund die Entwicklung von 29'500 Frauen. Zuerst einmal erfasste das Team um Pelle Lindqvist von 1990 bis 1992 die Daten der erwähnten Frauen im Alter zwischen 25 und 64. Dabei erhob man auch, ob sie eher eine «active sunlight exposure» bevorzugten. Beziehungsweise ob sie es vermieden, sich den Strahlen auszusetzen. Eine Frage lautete etwa: Wie oft sonnenbaden Sie? Täglich? Nie?
Zwei Jahrzehnte später wiederholten die Forscher das Muster und erfassten die gesundheitliche Entwicklung und die Überlebensraten der ursprünglich befragten Frauen. Zusammengefasst: Die Sonnenfreundinnen hatten offenbar bessere Chancen gehabt. Denn jene Frauen, die angaben, sehr häufig die Sonne zu suchen, hatten im Schnitt eine um 0,6 bis 2,1 Jahre höhere Lebenserwartung als jene Frauen, die explizit möglichst stets im Schatten bleiben wollten.
Nun gibt es allerdings einige Vorbehalte. Der erste: Die Studie erfasste nur Frauen. Die zweite: Die doch eher gedämpften Licht- und Sonnenverhältnisse in Skandinavien müssen sich nicht auf andere Gegenden übertragen lassen.
Nicht nur mehr Melanome
Und der bemerkenswerteste: Jene Frauen, die öfter in der Sonne waren, riskierten allgemein mehr Krebsdiagnosen; also nicht nur mehr Melanome. Die schwedischen Ärzte vermuten einen Grund in der höheren Lebenserwartung: Die Sonnen-Frauen lebten länger – und so stieg natürlich auch die Möglichkeit, dass bei ihnen ein Tumor diagnostiziert werden musste.
Kommt hinzu, dass natürlich andere Faktoren die Überlebenschancen dieser Gruppe verbessern könnten. Naheliegend wäre etwa, dass Frauen mit hoher Sonnen-Frequenz mehr Sport treiben, seltener rauchen und einfach allgemein ein gesünderes Outdoor-Leben bevorzugen.
Das Tabak-Sonne-Paradox
Allerdings rechnete das Team aus Stockholm und Lund solche Faktoren heraus. Und dabei berücksichtigte es insbesondere den Tabakkonsum. Dabei stiess es auf ein weiteres paradox wirkendes Verhältnis: Raucherinnen, die eher viel an der Sonne waren, hatten in etwa dieselbe Lebenserwartung wie Nichtraucherinnen, welche die Strahlen am stärksten mieden.
Das würde ja heissen: Schattenmenschen leben etwa ähnlich riskant wie Raucher…
Die Vitamin-D-Frage
Dass man nun trotzdem nicht einfach zum hemmungslosen Sonnebrutzel-Spass aufrufen kann, hat einen klaren Grund: Die Daten aus Schweden belegen zwar eine tiefere Mortalität der Sonnenanbeterinnen – aber sie liefern schlicht und einfach keine plausible Erklärung.
Naheliegend wäre aber, dass hier die gute, alte Debatte ums Vitamin D neu angeregt wird. Denn bekanntlich regt das Sonnenlicht auf der Haut die Produktion des Vitamins an – und dieses wiederum gilt als Wunderwaffe gegen diverse Leiden, von Demenz über Osteoporose bis Krebs. Nachdem der Glaube an Vitamin D in letzter Zeit zunehmend kritisiert wurde, wäre dies wieder ein gegenläufiges Signal.
Allgemein jedenfalls könnte die schwedische Studie zu einer gewissen Imageverbesserung der Sonne in der medizinischen Debatte beitragen. Bereits letztes Jahr hatte Richard Weller, ein Dermatologieprofessor aus Edinburgh, offensiv vor der Verteufelung der Sonnen–
Exposure gewarnt.
Im «New Scientist» legte er dar, dass vor allem ältere Menschen die Sonne zu sehr meiden, und dass es Indizien gibt, wonach mit regelmässiger Sonnenbestrahlung bessere Blutdruckwerte und weniger Kreislauf-Erkrankungen einhergehen.
Eine mögliche Erklärung: Die Sonneneinstrahlung könnte zu einer höheren Ausschüttung von Stickstoffmonoxid führen, was sich wiederum blutdrucksenkend auswirken mag.