Die amerikanische Zuckerindustrie hat in den 1960er Jahren ein Projekt in Auftrag gegeben, das den Zusammenhang von Zuckerkonsum und tödlichen Herzkrankheiten herunterspielen soll. Von ihr beauftragte Forscher gaben vor allem Fetten die Schuld an den Krankheiten und beeinflussten so die Ernährungsdebatte massgeblich.
Dies zeigt eine Analyse von historischen Dokumenten, die jetzt im Fachjournal
«JAMA Internal Medicine» veröffentlicht wurde. Forscher der
University of California haben mehr als 300 Dokumente ausgewertet, die einen Zusammenhang zwischen dem Verband der Zuckerindustrie und mehreren Forschern herstellten, welche in dessen Auftrag die Studien durchgeführt hatten.
Zucker vs. Fett
Ab dem 1950er Jahren kam es in den USA zu einem deutlichen Anstieg von tödlichen Herzinfarkten, was eine wissenschaftliche Debatte um die möglichen Ursachen auslöste. Die Vermutung kam auf, dass die Ernährung eine Rolle spielte.
Zwei wissenschaftliche Deutungen standen sich gegenüber. Die eine machte den zunehmenden Zuckerkonsum für den Anstieg verantwortlich, die andere den wachsenden Verzehr von gesättigten Fettsäuren, der zu einem Anstieg des Cholesterinspiegels führt.
Zur Studie:
Personelle Verflechtung
Die Debatte beschäftigte auch die US-Zuckerindustrie. Sie beschloss, unter dem Titel «Projekt 226» Forschungen zu beauftragen, deren Ergebnisse den hohen Zuckerkonsum in einem günstigen Licht erscheinen lassen sollten.
Im Rahmen des Projekts wurde im
«New England Journal of Medicine» ein Überblicksartikel veröffentlicht, der den Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Herzerkrankungen relativiert. Dafür flossen insgesamt fast 50'000 Dollar an Forscher der Harvard University, deren Vorsitzender eines Lehrstuhls gleichzeitig Mitglied der Stiftung war, die das Projekt in Auftrag gegeben hatte. Die personelle Verflechtung wurde nicht transparent gemacht.
Beeinflussung der Ernährungsforschung
Als Ursache für tödliche Herzerkrankungen führten die Autoren des Artikels Fette und Cholesterine an. «Auf der Basis von epidemiologischen, experimentellen und klinischen Beweisen» kamen sie zum Schluss, dass die Vermeidung von gesättigten Fetten, ein vermehrter Verbrauch von ungesättigten Fetten und die Vermeidung von cholesterinhaltigen Nahrungsmitteln am ehesten in der Lage wären, den Cholesterinwert zu senken.
Von einer möglichen Rolle des Zuckers ist im Fazit des Artikels keine Rede mehr. Der Zuckerbranche ist es damit gelungen, die Richtung der Ernährungsforschung vorzugeben.
Andere Regeln als heute
Der US-Branchenverband
Sugar Association bestreitet die Darstellung im JAMA Internal Medicine nicht. Er räumt aber ein, damals habe es eben noch nicht die gleichen Anforderungen an Transparenz und Offenlegung der Finanzierung gegeben wie heute, schreibt er in einer
Stellungnahme.