Zürcher Arzt fordert Pflegepraktikum fürs Medizinstudium

Die raren Medizinstudiumsplätze sollen nur noch für geeignete Studierende zugänglich sein. Die Zugangshürde wäre ein Pflegepraktikum.

, 11. Oktober 2024 um 09:54
image
Der Zürcher Arzt und Mitte-Kantonsrat Josef Widler: Er will im Kantonsparlament ein obligatorisches Pflegepraktikum durchsetzen. | PD
«Die Medizinstudenten sitzen im Elfenbeinturm, sie machen sich häufig falsche Vorstellungen davon, wie der Alltag im Spital aussieht.» So beschreibt der Zürcher Arzt und Mitte-Kantonsrat Josef Widler in der der «NZZ» das Problem in der Ausbildung von angehenden Ärztinnen und Ärzten.

Praktikum soll Leiden zeigen

Seine Lösung: Im Kanton Zürich soll künftig ein mindestens sechsmonatiges Pflegepraktikum zur Pflicht für den Zugang zum Medizinstudiumwerden. Diese Forderung hat er im Kantonsparlament eingereicht.
Er findet: «Heute kommen Studierende der Humanmedizin erst im fünften Studienjahr in Kontakt mit kranken und sterbenden Menschen.» Viele Studierende würden sich dann dazu entschliessen, nicht als Ärztinnen oder Ärzte tätig zu werden. «Im Pflegepraktikum sollen sie deshalb mit dem Leiden von pflegebedürftigen und sterbenden Menschen in Berührung gebracht werden.»

Rare Studienplätze den Geeigneten überlassen

Davon verspricht sich Widler eine frühzeitige Selektion: Wer im Praktikum merke, dass die Medizin doch nicht das Richtige ist, überlasse dann einen der raren Studienplätze jemandem, der für den Beruf besser geeignet ist.
«Offenbar ist die heutige Auswahlmethode nicht geeignet, resiliente Personen zu selektionieren. Es soll deshalb den Anwärterinnen und Anwärtern für ein Medizinstudium ermöglicht werden, während mindestens sechs Monaten als Hilfspflegende ein Praktikum zu absolvieren», so Widlers Absicht.

Junge Ärzte sind skeptisch

Der Zürcher Verband der Assistenz- und Oberärzte ist nicht sicher, ob ein solches Praktikum das Richtige sei, um Abgänge von jungen Ärztinnen und Ärzten zu vermindern, schreibt die «NZZ». Der Verband würde eher auf eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit auf 42 Stunden plus 4 Stunden Weiterbildung setzen.
Um die richtigen Personen für die Ärzteausbildung zu selektionieren, sollten neue Auswahlverfahren geprüft werden. So würden beispielsweise in den Niederlanden Interviews mit den Kandidatinnen und Kandidaten durchgeführt.

Spitäler wollen Geld und kürzere Dauer

Die Spitäler sehen die Idee der Pflegepraktika grundsätzlich positiv. Der Verband der Zürcher Krankenhäuser findet aber, der Aufwand müsse den Spitälern kostendeckend bezahlt werden.
Das Praktikum müsste ausserdem auf einen Monat beschränkt werden. Einerseits um die Spitäler nicht übermässig zu belasten, andererseits um die Ärzteausbildung nicht zusätzlich zu verlängern. Schon heute dauere es mindestens elf Jahre bis zum Facharzttitel der Inneren Medizin.
    Artikel teilen

    Loading

    Kommentar

    Mehr zum Thema

    image

    Schweizer Assistenzärzte: Viele Ruhetage, aber geringe Work-Life-Balance

    Eine Studie zeigt: Im europäischen Vergleich haben Schweizer Assistenzärzte zwar mit am meisten Ruhetage pro Monat – zugleich klagen sie überdurchschnittlich oft über ihre Work-Life-Balance.

    image

    Ambulantisierung: Neues OP-Zentrum in Thun

    Die Spital STS AG eröffnet 2027 ein Operationszentrum mit vier Sälen. Damit schafft sie zusätzliche Kapazitäten und verlagert ambulante Fälle aus dem Spital Thun.

    image

    Integrative Angebote bleiben Sache der Kantone

    Der Ständerat widersetzt sich neuen Vorgaben im Gesundheitswesen. Viele Kantone verfügen ohnehin über integrative Angebote.

    image

    Wie die Tessiner Kantonsspitäler 1300 stationäre Fälle verlagern wollen

    Die Ente Ospedaliero Cantonal testet mit der Einkaufsgemeinschaft HSK ein Tarifmodell, das viel mehr Eingriffe vom stationären in den ambulanten Bereich drängen soll.

    image

    Jetzt definitiv: Sparhammer im Waadtländer Gesundheitswesen

    Nach einer mehrstündigen Debatte beschloss das Kantonsparlament in Lausanne, dass Regionalspitäler, Gesundheitszentren, Pflegeheimen und Angehörigenpflege zu sparen.

    image

    «Historische Abstimmung»: Weg frei für neues Kantonsspital im Jura

    Das Hôpital du Jura beantragte eine Garantie über 95 Millionen Franken für ein neues Spital in Délémont. Nach der Regierung gab nun auch das Parlament grünes Licht.

    Vom gleichen Autor

    image

    Spitex Zürich erhält einen neuen CEO

    Der Geschäftsleiter der Regio-Spitex Limmattal wird der neue Chef der Spitex Zürich. Der bisherige CEO, Markus Reck, geht in Pension.

    image

    Datenleck bei Hirslanden Zürich: Es war menschliches Fehlverhalten - kein IT-Problem

    Ein Hirslanden-Belegarzt gab seine Login-Daten zu den Patientenakten weiter. Die Zugriffsrechte von Belegärzten seien aber kein grundsätzliches Problem, betont der Hirslanden-Sprecher.

    image

    Lindenhof gibt Spitalstandort Engeried auf

    Grosser Umbau in der Berner Lindenhofgruppe: Im Engeried gibt es künftig nur noch ambulante Radiologie und Arztpraxen. Der Rest wird an den Lindenhof und an den Sonnenhof verlegt.