Seit 2016 setzt das Universitätsklinikum rechts der Isar an der Technischen Universität München (MRI TUM) das Enterprise Content Managementsystem (ECM) HYDMedia ein. Als Dr. Jens Bauer, stellvertretender CIO und Abteilungsleiter Applikationen Medizinische Dokumentationssysteme, vier Jahre später ins Haus kam, wurde die Plattform auf den technologisch aktuellen Stand gehoben und das Projekt zur Schaffung einer Medizinischen Interoperabilitätsplattform (MIOP) definiert. „Anstelle einer lokalen Speicherplattform verwenden wir jetzt einen softwaredefinierten Objekt-Storage, kurz StorageGRID, und anwendungsseitig wurde HYDMedia durch interoperable Schnittstellen zu einem anbieterneutralen Archiv (Vendor Neutral Archive, VNA) erweitert. Seitdem verzichten wir auf proprietäre Archivierungsprotokolle und binden unsere Dokumentenquellen nur noch auf Basis von Integrationsprofilen der Initiative Integrating the Healthcare Enterprise (IHE) an, in der Hauptsache über IHE-XDS“, beschreibt Dr. Bauer die Strategie des Hauses. Da passte es, dass der Anbieter Dedalus HealthCare zu dieser Zeit selbst seine Lösung in Richtung IHE entwickelt hat.
Das MRI TUM wollte ein revisionssicheres Archiv schaffen, in dem alle Dokumente unveränderlich gespeichert und in Originalqualität abgerufen werden können. Um eine hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten, betreibt das Universitätsklinikum das Repository und die HYDMedia-Umgebung als eigenständige Plattform, die auch unabhängig vom Krankenhaus-Informationssystem (KIS) einen Dokumentenzugriff zur Verfügung stellt, zum Beispiel auch für externe Zugriffe über Portallösungen. Damit ist sichergestellt, dass die Anwender auch bei einer Downtime des KIS Zugriff auf die digitale Patientenakte und das Mediaarchiv haben.
Eine zentrale Speicherinstanz
Dahinter steht die zentrale Strategie, Datenentstehung (Datenquelle) und Datenhaltung voneinander zu trennen. Das schafft nicht nur eine hohe Verfügbarkeit der Informationen, sondern bietet dem Haus auch eine Unabhängigkeit, sollte es einmal das KIS oder andere Systeme wechseln wollen. Schließlich wird der Datenbestand separat vorgehalten und kann einfach integriert werden.
Dabei ist HYDMedia obere Speicherinstanz. Alle Dokumente, egal wo sie entstehen, werden dort im PDF-Format gespeichert. Der Aufruf aus dem KIS erfolgt über einen Link. Parallel hat das Haus eine standardisierte Klassifizierung der Dokumente über die „Klinische Dokumentenklassen-Liste“ etabliert. „Im Scanprozess haben wir die Inhalte nach den Registern der Papierakte organisiert. Das ist heute aber überholt, da wir dem Medizinischen Dienst beispielsweise die erforderlichen Dokumente fallbezogen und auf Basis einer Standard-Klassifikation übermitteln müssen. Das war mit der alten Struktur nicht zu leisten, weshalb wir jedes einzelne Dokument neu klassifiziert und entsprechend in HYDMedia gespeichert haben. So können wir einfach und schnell eine Fallakte zusammenstellen und dem MD zur Verfügung stellen“, erläutert Dr. Bauer das Vorgehen.
Zudem hat das MRI TUM weitere Interoperabilitätskomponenten eingeführt. Dazu gehört eine Registry, in der die Dokumente entsprechend registriert und in ein patientenführendes Informationssystem verlinkt werden. Der Anwender ruft sich mit einem Klick auf den Dokumentenlink über die Registry die Informationen in HYDMedia auf. Über einen Master Patient Index können nicht nur in der Klinik entstandene Dokumente archiviert und gelesen werden, sondern auch externe. „Wenn uns ein Patient beispielsweise Dokumente zur Beurteilung zusendet, können wir sie sicher ablegen. Wird er dann zur Behandlung bei uns aufgenommen, verknüpfen wir diese Dokumente über den Master Patient Index mit den klinischen Falldaten und führen sie so mit der Patientenakte zusammen“, erläutert Dr. Bauer einen Anwendungsfall.
Standardisierung erleichtert Kommunikation
Heute speisen alle Informationssysteme der Universitätsklinik ihre Daten direkt oder indirekt in HYDMedia ein. In der Vergangenheit haben alle Dokumentenquellen die Informationen in ein parametrisiertes Dokument des KIS übermittelt, das dort dann gespeichert wurde. Das Problem: Es wurde eine Kopie angelegt, die mit dem originären Dokument aus dem Quellsystem nichts mehr zu tun hatte. Heute erzeugt die Datenquelle ein originäres Dokument, das direkt im ECM gespeichert wird. Das KIS als patientenführendes System erhält die entsprechenden Links und lässt die Anwender dann auf die unveränderlichen Originaldokumente im Archiv zugreifen.
Im MRI TUM gibt es weiterhin etliche Dokumentenlieferanten, die über den HL7 V2 Standard kommunizieren. Durch die über den Kommunikationsserver übermittelten Metadaten können die PDF-Dokumente so angereichert werden, dass dann ein IHE-konformes Dokument ins Archiv gelangt. „Bei den digitalen Aufklärungsbögen haben wir aber festgestellt, dass dieser Prozess nicht so performant ist, wie wenn man über IHE Webservices kommuniziert. Aus diesem Grund binden wir die Bögen mittels Webservice ins Archiv ein und bedienen damit direkt den IHE-definierten Prozess “, so Dr. Bauer.
„CDA-Dokumente wollen wir über HYDMedia strukturiert anderen Applikationen zur Verfügung stellen.“ - Dr. Jens Bauer, Universitätsklinikum rechts der Isar
Starke Partner an der Seite
Bei all diesen Projekten können er und sein Team sich auf die Unterstützung von Dedalus HealthCare verlassen. „Gerade bei der Dokumentenarchivierung standen wir in intensivem Austausch – und das hat so gut funktioniert, dass wir alle Projekte zu unserer Zufriedenheit abschließen konnten. Zudem sind wir zuversichtlich für die Zukunft, da uns die Ideen und Strategien, die Dedalus HealthCare verfolgt, in die Karten spielen“, lobt Dr. Bauer den Partner.
Das Scannen der verbliebenen Papierakten übernimmt der Heydt Verlag. Er stellt die Mitarbeiter, die die Dokumente im Universitätsklinikum sichten, einscannen und die Qualitätsprüfungen übernehmen. So werden all die Bereiche abgedeckt, die noch nicht direkt digital archivieren. Ganz aktuell bietet der Dienstleister eine KI-basierte Dokumentenerkennung an, die die Dokumente automatisch nach definierten Typen klassifiziert. „Das wäre selbstverständlich interessant für uns, weil es die Zeit bis zur Digitalisierung der Akte verkürzen kann. Heute dauert es nicht selten vier Wochen, bis eine Station die Akte freigibt, und in der Zeit sind die Informationen nicht flächendeckend verfügbar. Wir arbeiten nun an einem Verfahren, mit KI-Unterstützung einen dezentralen Scanprozess zu etablieren. Dann würde das Dokument direkt am Ort der Entstehung gescannt und stünde allen Behandlern unmittelbar digital zur Verfügung“, sagt Dr. Bauer. Vorher muss jedoch sichergestellt sein, dass die Qualitätssicherungsmechanismen gewährleistet sind.
So oder so spielt HYDMedia eine zentrale Rolle im Datenmanagement des MRI TUM. Zahlreiche Dokumentenquellen sind bereits digitalisiert worden, was im Wesentlichen das KIS betrifft, in dem alle entstehenden Dokumente standardisiert gemäß der neuen Klassifikation archiviert werden. Die Aufklärungsbögen unterschreiben Patienten auf einem Tablet, so dass die Dokumente direkt digital in HYDMedia archiviert und ins KIS rückverlinkt werden. Ganz neu legt das Münchner Universitätsklinikum neben PDF auch strukturierte Datenobjekte im CDA-Format (Clinical Document Architecture) ab. „Diese Dokumente wollen wir dann über HYDMedia strukturiert anderen Applikationen zur Verfügung stellen. Dann können die Nutzer Informationen etwa zur Anamnese und Medikation direkt in eigenen Dokumenten weiterverarbeiten, was aus PDF-Dokumenten heraus so nicht möglich ist“, so Dr. Bauer.
"HYDMedia spielt eine zentrale Rolle in unserem Datenmanagement." - Dr. Jens Bauer Universitätsklinikum rechts der Isar
Die letzten Lücken schließen
Mit einem gerade gestarteten Projekt wollen die Verantwortlichen alle noch verbliebenen Dokumente auf eine direkte digitale Archivierung umstellen. Dazu wurden sämtliche Subsysteme so umgestellt, dass sie über HL7 V2 oder Webservices digital archivieren. Bis Jahresende sollen alle parametrisierten Dokumente, wozu neben den klinischen Informationen auch Behandlungsverträge und Leistungsvereinbarungen gehören, entsprechend angepasst werden. Auch die digitale Kurve, also die tägliche Behandlungsdokumentation, wird digital archiviert. Aktuell führt das MRI TUM die zeitstempelbasierte Signatur ein, mit der nachgewiesen werden kann, wann welche Dokumente über HYDMedia verfügbar waren. Jede Änderung erzeugt dabei eine neue Signatur, jede Aktion ist transparent nachvollziehbar.
Im nächsten Schritt soll die digitale Patientenakte auf Basis des HYDMedia Dokumentenmanagements auch um den direkten Zugriff auf gespeicherte Bildstudien sowie um strukturierte Befunde aus dem Radiologie-Informationssystem (RIS) und dem Befundungssystem für nicht-radiologische Fächer erweitert werden. Radiologische Bilddokumente werden dann über ein separates Repository eingebunden. „Und es gibt verschiedene Ideen, wie wir HYDMedia auch im wissenschaftlichen Kontext vermehrt nutzen möchten“, so Dr. Bauer. Grundlage dafür ist die Bereitstellung strukturierter Informationen in Form von CDA-Dokumenten. Im konkreten Projekt will eine Klinik für Auswertungen strukturierter Informationen direkt das HYDMedia-Archiv nutzen.
Einen weiteren Ansatz bietet das DIFUTURE-Konsortium der Medizininformatik-Initiative, an der das Klinikum rechts der Isar beteiligt ist. Noch gelangen die Daten mittels Konnektor aus dem KIS in das Datenintegrationszentrum (DIZ). „Das erfordert allerdings relativ viel manuelle Arbeit, um den Konnektor für wissenschaftliche Fragestellungen und Studien anzupassen. Durch die Trennung von Datenentstehung im KIS und Datenhaltung in HYDMedia haben wir mit letzterem eine Plattform, auf die für wissenschaftliche Zwecke über Standardprotokolle auf standardisierte, interoperable Daten direkt zugegriffen werden kann“, so Dr. Jens Bauer. Aktuell arbeiten der stellvertretende CIO und sein Team an einem FHIR-basierten Konnektor, also der Next Gen der Datenkommunikation.