Die von Antoine Hubert gesteuerte Privatspitalkette Swiss Medical Network (SMN) will in Moutier im Kanton Bern ein neues System der integrierten Versorgung aufbauen. Das Versorgungsmodell nach dem Modell der amerikanischen Gruppe Kaiser Permanente wurde
gross angekündigt. Hubert erhielt von vielen Seiten Jubel. Weitere Projekte sollen schweizweit folgen.
Doch es gibt auch kritische Stimmen gegen das Vorhaben. Nun melden auch die ersten Parlamentarier Vorbehalte: In einer Interpellation erwähnt der Genfer Nationalrat Christian Dandrès die Skandale und die verschiedenen Gerichtsverfahren, die in den USA gegen die umstrittene Gesundheitsorganisation Kaiser Permanente laufen.
Unternehmen mit «schwerwiegenden Mängeln»
So sollen Ärztinnen und Ärzte von der Organisation unter Druck gesetzt worden sein, mit falschen Diagnosecodes überhöhte Rechnungen zu stellen. Ausserdem hätten sich dieses Jahr Tausende von Pflegefachleuten von Kaiser Permanente zur Wehr gesetzt und verlangt, dass die Patientinnen und Patienten unbedingt notwendige Pflege («desperately needed») erhalten, wie er ausführt.
Der Jurist und SP-Nationalrat erwähnt weiter, dass auch die Gewerkschaften des medizinischen Personals in den USA auf «schwerwiegende Mängel» in diesem Unternehmen hinweisen. So müssten etwa die Patientinnen und Patienten bis zu acht Wochen auf Behandlungen warten, die wöchentlich durchgeführt werden sollten.
Nationalrat sieht Risiken
Für ihn und seine Mitunterzeichnenden ist klar: «Diese Missstände und Mängel sind grösstenteils auf die Risiken zurückzuführen, die bestehen, wenn das medizinische Personal direkt dem Versicherer unterstellt ist und zwischen dem Versicherer und einem börsennotierten Konzern, der hohe Renditen anstrebt, eine Verbindung besteht.»
Der 42-jährige Genfer Anwalt möchte hinweisend auf die zahlreichen Schlagzeilen in den Medien (etwa
hier) wissen, wie der Bundesrat beziehungsweise das Bundesamt für Gesundheit (BAG) diese Risiken mit Blick auf die neue Versorgungsorganisation «Réseau de l'Arc» einschätzten?
Visana hat noch kein Gesuch eingereicht
In seiner Antwort bleibt der Bundesrat vage: Auf die Frage der Risiken geht er gar nicht erst ein. Er verweist auf die Spitalplanung und auf die Kantone, die Gesundheitsfachpersonen oder Spitäler beaufsichtigen. Die Kantone hätten aus Kostengründen ein Interesse, dass die Leistungserbringer sich gut vernetzen. Dies könne auch durch «besondere Versicherungsformen» und durch «Netzwerke zur koordinieren Versorgung» unterstützt werden, geht aus dem Schreiben hervor.
Zur Visana und zur Versicherungsform mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers verweist der Bundesrat auf die Eingabe der Prämien beim BAG. Die entsprechenden Versicherungsbedingungen sowie die Prämientarife müssten fünf Monate vor Beginn der Gültigkeit eingereicht werden. Ein entsprechendes Gesuch sei bis jetzt aber noch nicht eingegangen.
Ehemaliger FMH-Vizepräsident als Unterstützer
Die Widerstände gegen die Vorbildorganisation von Swiss Medical Network, Visana und dem Kanton Bern waren zu erwarten. Insbesondere von politisch linker Seite werden die Rekordgewinne von Kaiser Permanente auf Kosten der Patientenversorgung kritisiert. So sind als Mitunterzeichner mehrere Ratsmitglieder der SP oder der Grünen aufgeführt, etwa Balthasar Glättli, Pierre-Yves Maillard oder Cédric Wermuth. Unterstützung erhält die Interpellation aber auch von der Waadtländer Ärztin Brigitte Crottaz oder von Michel Matter, dem ehemaligen Vizepräsidenten der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH.