MiGeL – in der Pflegebranche verursacht dieses Wort einen tiefen müden Seufzer. «Es ist unglaublich, wie viel Zeit all die involvierten Parteien mit MiGeL aufwenden. Im Vergleich zu deren Bedeutung ist das völlig unverhältnismässig». Dies sagt Patrick Imhof, Leiter Politik bei Spitex Schweiz.
Seit Oktober sind die neuen Regelungen rund um die Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) in Kraft. Medinside berichtete
hier darüber.
Die Krankenkassen müssen zahlen
Änderungen gibt es auf verschiedenen Ebenen. Die wichtigste ist wohl die, dass nun wieder die Krankenversicherer für das Pflegematerial aufkommen müssen und nicht mehr Kantone und Gemeinden.
Neu ist auch die Struktur: Bisher gab es eine einzige Liste, neu wird das Material in drei Kategorien geteilt: A, B und C. Sorgen bereitet Patrick Imhof vor allem die Liste C.
- Beim Material der Kategorie A handelt es sich um einfaches Verbrauchsmaterial sowie Geräte, die mehrfach und an verschiedenen Patienten angewendet werden: Schutzmasken, Handschuhe, Gazen, Fieberthermometer, Stethoskope, Blutdruckmessgeräte.
- Die Produkte der Kategorie B werden entweder vom Versicherten selbst oder von der Fach-person verwendet. Typisches Beispiel ist das Inkontinenzmaterial.
- Beim Material der Kategorie C handelt sich um die Mittel und Gegenstände, die ausschliesslich durch Pflegefachpersonen angewendet werden. Dazu gehören Spritzen, Venenverweilkanüle, Infusionsset, spezielle Wundreinigungslösungen.
Zu den Listen B und C ist zu sagen, dass es sich um Positivlisten handelt. Produkte, die nicht auf der Liste stehen, werden nicht durch die Krankenkasse vergütet. Sie müssten dem Patienten belastet werden. Pflegeheime und Spitex sind ausdrücklich dazu ermächtigt, den Patienten zur Kasse zu bitten, falls ein Produkt verschrieben wird, das nicht auf der Liste steht. Wobei Patienten ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen.
Die Liste C ist noch leer
Wenn sich nun Patrick Imhof wegen der Liste C Sorgen macht, dann aus dem einfachen Grund, weil sie noch leer ist. Damit Produkte wie die genannten Beispiele auf diese Liste kommen und dann ab Oktober 2022 von den Kassen vergütet werden, muss ein Antrag zur Aufnahme in die Liste gestellt werden. Die Aufnahme in die Liste muss bis Ende September 2022 erfolgt sein. Bis zu diesem Datum übernehmen Gemeinden und Kantone die entsprechenden Kosten, wie sie das bisher schon taten.
Doch wer soll diese Anträge stellen? Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erwartet dies von den Verbänden der Leistungserbringer. Diese winken jedoch ab. «Uns fehlen die Kompetenz und die Ressourcen dazu», sagt Patrick Imhof im Sitzungszimmer von Spitex Schweiz. Ausserdem wäre es ein falsches Signal an die Hersteller, die bis anhin solche Anträge stellten. «Sie könnten sich damit aus dieser Aufgabe verabschieden.»
Nicht Aufgabe der Spitex
Von einzelnen Spitex-Organisationen ist auch nicht zu erwarten, dass sie den ganzen Aufwand auf sich nehmen, von dem alle anderen Spitex-Organisationen und Pflegeheime profitierten. Zudem gar nicht klar ist, für welche Produkte schon Anträge eingereicht wurden. Und überhaupt: Wer in einer Spitex-Organisation wäre überhaupt in der Lage dazu?
Man muss wissen: Das Ausfüllen eines Antragformulars kann ziemlich komplex sein, wenn man bedenkt, was da an Informationen verlangt werden, von der Rechenschaft über die WZW-Kriterien zum Preisvergleich mit dem Ausland bis zu Literaturrecherchen.
Hoffen auf die Hersteller
Patrick Imhof hofft nun auf die Hersteller der Produkte und deren Verband Swiss Medtech. Schliesslich sollten sie ein ureigenes Interesse haben, dass ihre Produkte auf den Markt kommen und vergütet werden. Sie verfügen überdies als einzige über sämtliche, notwendige Informationen. Das BAG hat dazu eine Koordinationsgruppe aktiviert, die hierzu Unterstützung bieten soll.
Doch Sorgen machen sich auch die Patientenorganisationen. Wie gesagt: Wird ein Produkt verschrieben, das nicht auf der B- oder C-Liste steht, kann das Pflegeheim oder die Spitex die Kosten dem Patienten belasten.
«Die Bedenken der Patientenorganisationen sind nachvollziehbar», sagt Patrick Imhof. «Die Produkte, die wir für die Pflege brauchen, sollten wir auch den Krankenversicherungen verrechnen können. Wir möchten damit nicht die Klientinnen und Klienten zusätzlich belasten.»