Covid-Impfung: Ist das Risiko von Herzproblemen gross?

Myokarditis und Perikarditis: Diese Nebenwirkungen machen Angst. Nun relativieren Forschende mit einer Metaanalyse von 22 Studien diese Sorge.

, 14. April 2022 um 05:43
image
Die Impfstoffe gegen das Sars-CoV-2-Virus können unterschiedliche Nebenwirkungen auslösen – knappe 40 Prozent der Verdachtsfälle in der Schweiz gelten als «schwerwiegend» (siehe Text weiter unten). Zu den schwerwiegenden Reaktionen gehören zum Beispiel neurologische Störungen, Muskelschmerzen, Atemnot, Thrombosen, Anaphylaxie oder Herzprobleme. 
Weltweit in Alarm versetzten unter anderem die häufig auftretenden Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen (Myokarditis und Perikarditis) bei jungen Männern; hauptsächlich nach Impfungen mit Moderna. Die ersten umfassenden Daten, die darauf hinwiesen, dass Entzündungen des Herzmuskels oder des Herzbeutels häufiger nach mRNA-Impfungen gegen Covid-19 vorkommen, stammten aus Israel. 
Nachdem zahlreiche nordische Länder die Verwendung des Vakzins eingeschränkt hatten, reagierten auch die deutsche Ständige Impfkommission Stiko sowie das BAG (Bundesamt für Gesundheit) und die EKIF (Eidgenössische Impfkommission) mit Anpassungen ihrer Impfempfehlung (Moderna nur noch bei unter 30-Jährigen). 

Kontroverse Diskussionen

Obschon die Nebenwirkungen Myokarditis oder Perikarditis von der Wissenschaft als «sehr selten» deklariert wurden blieb die Frage, wie oft es tatsächlich zu diesen Nebenwirkungen kommt, im Raum stehen und wurde kontrovers diskutiert
Jetzt schafft eine Studie aus Singapur  in «The Lancet - Respiratory Medicine» eine neue Perspektive: Ein Forscherteam von der National University of Singapore ging der Frage nach, ob die Myokarditis tatsächlich häufiger nach der Corona-Impfung auftritt als nach anderen Impfungen. Das sind ihre Ergebnisse:

Seltene Komplikation

Eine Metaanalyse von vier internationale Datenbanken, 22 Studien mit über 400 Millionen Impfungen kommt zum Ergebnis, dass das Risiko einer Myoperikarditis nach Covid-Impfungen mit dem anderer Impfungen ver­gleichbar ist. Teilweise besteht sogar ein geringeres Risiko:
Die Gesamtinzidenz lag gemäss der Forschenden bei 18 Fällen pro Million Covid-19-Impfdosen, während die Rate von Myoperikarditis bei anderen Impfungen im Schnitt 56 pro Million Impfdosen betrug. 
Der Analyse zufolge stellen folgende Faktoren ein Risiko dar:
  • ein Alter unter 30 Jahren (40,9 Fälle pro Million Dosen),
  • männliches Geschlecht (23 Fälle pro Million Dosen),
  • Impfung mit einem mRNA-Vakzin (22,6 Fälle pro Million Dosen) und
  • eine Zweitimpfung (31,1 Fälle pro Million Dosen) – jeweils im Vergleich zu allen COVID-19-Impfungen in der Allgemeinbevölkerung.
Wie der Erstautor Ryan Ruiyang Ling von der Yong Loo Lin School of Medicine an der National University of Singapore, Singapur, und seine Kollegen festhalten, überwiege dass der Nutzen einer Impfung gegen das Sars-CoV-2-Virus dieser seltenen Nebenwirkung trotzdem.

Influenza und Pocken im Vergleich

Die Analyse der Wissenschaftler basierte wie eingangs erwähnt auf vier internationalen Datenbanken. In diesen sind neben Covid-Impfungen auch  Influenza- oder Pockenimpfungen verzeichnet. 
Einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen der Myoperikarditisinzidenz nach Covid-Impfungen (18 Fälle pro Million Dosen) und Nicht-Covid-19-Impfungen (56 Fälle pro Million Dosen) habe es nicht gegeben, schreiben sie weiter. 

Myokarditis/Perikarditis in der Schweiz

Bis zum 5. April hat Swissmedic 14'624 Meldungen über vermutete unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) ausgewertet. 9'133 (62,5 Prozent) wurden als «nicht schwerwiegend» gemeldet, 5'491 Verdachtsfälle (37,5 Prozent) als «schwerwiegend».
Swissmedic hält fest, dass es nach Impfungen mit mRNA-Vakzinen sehr selten Fälle von Myokarditis und Perikarditis gegeben hat. «Die Fälle traten in der Regel innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung auf, und zwar häufiger nach der zweiten Dosis und bei jüngeren Männern», schreibt die Zulassungsbehörde.  
Bis zum 4. April wurden, bei etwa 15,7 Millionen verabreichten Impfdosen, 400 Verdachtsberichte von Myokarditis und/oder Perikarditis aus der Schweiz gemeldet und evaluiert. 
Davon traten 90 Fälle im zeitlichem Zusammenhang mit Comirnaty auf (davon 15 nach dritter Impfung) und 295 mit Spikevax (davon 16 nach dritter Impfung), in elf Fällen ist der Impfstoff bislang nicht bekannt, vier Fälle wurden nach dem Covid-Impfstoff von Janssen berichtet. 
Die Betroffenen waren überwiegend männlich (n = 295, 73,7 Prozent), das mittlere Alter lag bei 36,5 Jahren (Median 33, Spanne 14 bis 88 Jahre). Die Betroffenen wurden medizinisch behandelt und sind mehrheitlich bereits wieder genesen. Es gebe zurzeit keine Hinweise dafür, dass nach Booster- beziehungsweise Dritt-Impfungen vermehrt Berichte über Myokarditis und/oder Perikarditis gemeldet würden, ist weiter zu lesen. 
Verschiedene Studien würden zeigen, dass Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei Personen unter 30 Jahren nach der Impfung mit Spikevax häufiger beobachtet wurden als nach der Impfung mit Comirnaty. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Was kostet der Leistungsausbau? Keine Ahnung

Was sind die finanziellen Folgen des Leistungsausbaus in der Grundversicherung? Der Bundesrat will das nicht wissen.

image

Massiv weniger Frühgeburten während Corona

Deutsche Daten zeigen verblüffende Abweichungen während der Lockdowns. Das könnte wichtige Einsichten für Neonatologie und den Umgang mit Risikoschwangerschaften eröffnen.

image

Zu Besuch bei Viktor-Gewinnerin Chantal Britt

Seit vier Jahren leidet die Präsidentin von Long-Covid-Schweiz unter postviralen Beschwerden. Was sie am meisten stört: Dass die Krankheit nicht ernsthaft erforscht wird.

image

«Hört auf mit dem Begriff ‚Long Covid‘»

Natürlich gibt es das Syndrom. Aber laut einer neuen Studie unterscheidet es sich nicht von anderen postviralen Leiden.

image
Gastbeitrag von Andri Silberschmidt

Digitalisierung: Jetzt können wir die PS auf den Boden bringen

Wenn es um Digitalisierung geht, wird zuviel über Fax und EPD diskutiert – und zu wenig über Prozesse. Höchste Zeit, das zu ändern.

image

Die Menschen fühlen sich so gesund wie vor Corona

Die Covid-Turbulenzen konnten der gesundheitlichen Selbstsicherheit von Herrn und Frau Schweizer wenig anhaben: Dies besagen neue Daten.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.