Spätestens ab 11. Mai müssen die Kantone jede Neuinfektion mit Covid-19 konsequent rückverfolgen. Das hat der Bundesrat heute bekanntgegeben. Bei jeder infizierten Person forschen die Behörden künftig genau nach, mit welchen anderen Personen die Infizierten in den letzten zwei Tagen Kontakt hatten. Die infizierte Person selber und die Kontaktpersonen werden dann isoliert, damit sie keine anderen Personen mehr anstecken.
App allein reicht nicht
Geplant ist, dass in der Schweiz auch eine freiwillige App zur anonymen Kontaktnachverfolgung via Bluetooth angeboten wird. Die App würde weder Standort- noch Bewegungsdaten erfassen. Bundesrat Alain Berset betonte, dass eine solche App die konventionelle Nachverfolgung nicht ersetzen werde. Es brauche beides, sagte er an der Medienkonferenz des Bundesrats.
Erstaunlich ist, wie hoch bereits jetzt die Akzeptanz einer solchen App bei der Bevölkerung ist. Zwei von fünf Schweizerinnen und Schweizern sorgen sich zwar, dass sie mit einer Contact-Tracing-App stärker überwacht werden könnten. Trotzdem würden 68 Prozent so eine App installieren. Zu diesen Resultaten kommt eine Befragung der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Skeptiker befürchten Fehlalarme
Die Gründe für die Ablehnung: Neben der Überwachung fürchtet ein Teil der Befragten auch, dass die App Fehlalarme auslösen könnte oder das Smartphone leichter gehackt werden könnte. Handkehrum wären aber fast 9 von 10 Befragten bereit, in der App zu melden, wenn sie selber mit dem Sars-CoV-2 infiziert wären.
Ebenfalls wäre die grosse Mehrheit bereit, ihre Kontakte zu vermindern oder bei sich zuhause in Quarantäne zu bleiben, falls sie von der App dazu aufgefordert würden. «Allerdings lässt sich von den heutigen Absichten nicht zwingend auf die spätere tatsächliche Nutzung schliessen», kommentierte Nico Ebert, Dozent am Institut für Wirtschaftsinformatik der ZHAW, die Aussagen. An der Umfrage nahmen rund 2000 Personen aus allen Landesteilen teil.
Tausende werden in die Quarantäne müssen
Das konsequente Nachverfolgen der Ansteckungsketten wird – mit oder ohne App – einschneidende Folgen haben: «Künftig werden sich viele Leute in Quarantäne begeben müssen», stellte Matthias Egger, Leiter der Corona-Task-Force des Bundesrats, in einem Interview mit der «Berner Zeitung» Aussicht. Er rechnet in der Schweiz mit Tausenden von Betroffenen, die zuhause bleiben müssen. Das sei aber immer noch viel besser, als wenn wir alle zuhause bleiben müssten.
Sehr kritisch eingestellt gegenüber der digitalen Kontrolle ist der Verein Ethik und Medizin Schweiz (VEMS). Er setzt eher auf die konventionelle Nachverfolgung von Kontakten. Denn so sei die Trefferquote wesentlich höher als mit einer App. Es gebe derzeit genug Personal, das den Kantonen helfen könne, eine solche Nachverfolgung zu bewältigen. Die digitale Kontrolle sei vielleicht billiger, jedoch ein «gefährliches soziales Experiment», kommen Michel Romanens und Flavian Kurth vom VEMS zum Schluss.