«Lukas Engelberger liess Alte im Stich»: So titelte die «Basler Zeitung» vorigen Sommer. Und sie unterstellte damit dem verantwortlichen Regierungsrat Engelberger, er habe den Tod von Menschen, die in Basler Altersheimen lebten, in Kauf genommen.
Zu spät geholfen?
Der konkrete Vorwurf lautete: Das Demenzzentrum Martha-Stiftung, das 15 Tote zu beklagen hatte, habe früh Hilfe beim Gesundheitsdepartement von Lukas Engelberger gesucht – «doch die Unterstützung kam zu spät.»
Ein happiger Vorwurf. Doch Engelberger (45), CVP-Regierungsrat und Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), konnte nie persönlich Stellung dazu nehmen.
«Politiker in Spitzenamt muss sich das gefallen lassen»
Stattdessen schrieb die Zeitung nur allgemein: Die höheren Todeszahlen erkläre man sich beim Basler Gesundheitsdepartement damit, dass bei Dementen die Verhaltensregeln «unmöglich» eingehalten werden könnten und viele Bewohner wegen einer Vorerkrankung ein höheres Sterberisiko hätten. Die Zeitung wertete das gar als Ausrede, indem sie schrieb, dass die Geschäftsleiterin des Zentrums, Monica Basler, das anders sehe.
Engelbergers Gesundheitsdepartement wandte sich wegen des Artikels mit einer Beschwerde an den Presserat, eine Selbstkontroll-Organisation der Schweizer Medien. Dem Presserat gegenüber sagte der verantwortliche Journalist: Die Schlagzeile «Lukas Engelberger liess Alte im Stich» sei eine absolut legitime und durch Fakten gestützte Zuspitzung, die sich ein gewählter Exekutivpolitiker in einem solchen Spitzenamt gefallen lassen müsse.
Die Frage darf man stellen
Das sah wiederum der Presserat anders: Er gab zwar dem Journalisten Recht, dass die Frage, ob Tote zu verhindern gewesen wären, zweifellos im öffentlichen Interesse gelegen sei. Sie zu stellen sei auch dann legitim, wenn einem politisch Verantwortlichen kein Vorsatz unterstellt wird.
Doch unterstelle der Titel des Artikels dem verantwortlichen Regierungsrat Engelberger mehr: Er habe «Alte im Stich» gelassen und somit ihren Tod in Kauf genommen. Völlig ungeachtet des Wahrheitsgehalts sei dies ein schwerer Vorwurf, der ein illegales oder damit vergleichbares Verhalten unterstellt. «Engelberger hätte folglich mit diesem schweren Vorwurf konfrontiert werden müssen», kommt der Presserat zum Schluss.
Engelberger kam dann doch noch zu Wort
Der Journalist hätte Regierungsrat Engelberger oder wenigstens seine Presseverantwortliche zu den konkreten Vorwürfen Stellung beziehen lassen müssen. Er hat das unterlassen. Die «Basler Zeitung» habe deshalb gegen den Presse-Kodex verstossen.
In der «Basellandschaftlichen Zeitung» kam Engelberger wenig später dann zu Wort: Der Vorwurf der «Basler Zeitung» sei «krass falsch.» Am 28. Februar habe man das erste Informationsschreiben an alle Pflegeheime versandt und ab dem 1. März Schutzmaterial gratis geliefert. Das Marthastift habe davon so viel bezogen wie kein anderes Pflegeheim. Engelberger sagte auch: «Mitte März hat der stellvertretende Kantonsarzt das Demenzzentrum bezüglich Schutzkonzept telefonisch beraten. Das wurde sogar verdankt.» Und weiter: «Ich kann mir nicht erklären, wie man auf diese Vorwürfe kommt. Sie sind völlig hanebüchen.»
Drei Sätze zur Richtigstellung
Kleinlaut zog dann auch die «Basler Zeitung» mit einem kurzen Korrekturhinweis nach: In drei Sätzen stellte sie richtig, dass der Martha-Stiftung nicht zu spät geholfen worden sei; vielmehr habe sie bereits im März 2020 in hohem Masse praktische und medizinische Unterstützung erhalten.
Seither hat die «Basler Zeitung» nicht etwa von Lukas Engelberger abgelassen. Bereits knapp zwei Monate später spielte sie Engelberger gegen seinen Baselbieter Amtskollegen Thomas Weber aus und schrieb die Schlagzeilen: «Weber schützt Senioren besser als Engelberger».
Auch die Pflegenden im Stich gelassen
Doch lang blieb auch Thomas Weber nicht in der Gunst der Zeitung. Nun ist es nicht mehr Engelberger, der die Alten im Stich liess. Sondern: «Engelberger und Weber lassen Pflegende im Stich». Der Vorwurf: «Keine Corona-Prämie für Pflege: Das Pflegepersonal ist erschöpft und erhält weniger Lohn. Die Gesundheitsdirektoren in beiden Basel sehen sich nicht in der Verantwortung.»