Medizinhistoriker kritisiert: «Gesundheitswesen zu teuer»

Der Zürcher Medizinhistoriker Flurin Condrau kritisiert sechs Punkte, die während der Pandemie falsch gelaufen sind, darunter auch die Frage der Masken.

, 28. Juli 2021 um 13:02
image
Die Schweiz könnte ihr Gesundheitwesen viel billiger organisieren - denn letztlich gehe es ihr einfach zu gut: Diese provokative Aussage macht der Medizinhistoriker Flurin Condrau. In einem Interview mit den Tagesanzeiger-Medien spricht er gleich sechs wunde Punkte bei der Bewältigung der Pandemie an:

1. Die Kommunikation des Bundesrats:

Daniel Koch, der damalige Leiter der Abteilung «Übertragbare Krankheiten» beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), hätte nicht so kurz vor seiner Pension zum Sprecher werden dürfen. «Kein Unternehmen würden in einer existenziellen Krise die Krisenkommunkation jemandem anvertrauen, der so schnell von der Bildfläche verschwinden muss», sagt Condrau.

2. Die Wirksamkeit der Masken:

Die Wirksamkeit von medizinischen Masken sei zu wenig untersucht worden, obwohl sie in Asien schon lange zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten anerkannt würden.

3. Unser therapieorientiertes Gesundheitssystem:

Die Schweiz setzt zu stark auf Behandlungen statt aufs Vorbeugen. «Gesundheitssysteme, die mit viel weniger Geld als die Schweiz auskommen müssen, setzen auf Vorsorge.» Damit lasse sich das Geld sehr effektiv einsetzen. Der Beweis für Condrau: Etwas laufe falsch, wenn die Schweizer Spitäler in der grössten Gesundheitskrise der letzten hundert Jahre so grosse Defizite einfahren, wie das derzeit der Fall ist.

4. Zu viele unnötige oder fragliche Operationen:

Schuld an diesen hohen Defiziten sind laut Condrau die vielen abgesagten Wahloperationen. Der hohe Anteil von Wahleingriffen zeige, dass die Schweiz stark aufs Behandeln, statt aufs Vorsorgen ausgerichtet sei. Das führe auch dazu, dass viele unnötige oder zumindest fragliche Eingriffe durchgeführt würden. Diese seien nachweislich ein Grund dafür, warum die Schweiz so viel Geld ins Gesundheitwesen stecken müsse.

5. Zu viel Aufmerksamkeit für Corona-Skeptiker:

Condrau räumt zwar ein, dass die Impfskepsis so alt sei wie das Impfen selbst. Doch er habe noch nie so viel gesellschaftlichen Zweifel an der Notwendigkeit von Schutzimpfungen erlebt. «Heute erhält jeder Corona-Skeptiker mediale Aufmerksamkeit für die abenteuerlichsten Interpretationen, völlig abseits vom wissenschaftlichen Konsens.»

6. Zu wenig Vertrauen in die Spitäler:

Zu dieser Skepsis tragen laut Flurin Condrau unter anderem auch die vielen Spitalskandale in letzter Zeit bei. Unabhängig von den Hintergründen und der Schuld an diesen Vorfällen: «Das Bild gieriger Chirurgen, geschönte wissenschaftliche Studien oder fehlerhafte Studien in der Maskenfrage wirken akut vertrauenszersetzend.»
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Nun lässt der Bund das Kostenwachstum bei den Krankenkassen-Leistungen überwachen

In einem Monat beginnt die Kommission für das Kosten- und Qualitätsmonitoring EKKQ, die Preisentwicklung im Gesundheitswesen zu beobachten.

image

Beschwerde gegen das SIWF: Der medizinische Nachwuchs verliert die Geduld

Eine Gruppe von Nachwuchsmedizinern geht vor das Bundesverwaltungsgericht: wegen «ungerechtfertigter Verzögerung» bei der Vergabe von Facharzttiteln.

image

Für Apotheken wird der Verkauf von Medikamenten der Kategorie B einfacher

Die Apotheken sollen nicht unter der Umteilung der Arzneimittel-Kategorien leiden. Der Bundesrat erleichtert ihnen deshalb die obligatorische Dokumentation.

image

Suva soll Asbestopfer-Fonds mitfinanzieren

Die Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer (EFA) hat zu wenig Geld. Nun könnte es Unterstützung von der Suva geben.

image

Bundesrat bewilligt Tardoc und Pauschalen - Chirurgen sind «bestürzt»

Der Bundesrat will das neuen Tarifsystem mit einigen Änderungen im Januar einführen. Die FMCH prangert die Pauschalen erneut als teilweise gesetzeswidrig an.

image

Neuer Name, altes Dossier: Bundesrat macht aus dem EPD das E-GD

Nun beerdigt der Bundesrat das unbeliebte elektronische Patienten-Dossier – und macht kurzerhand ein elektronisches Gesundheitsdossier daraus.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.