Psychologen-Präsidentin kritisiert, dass Hausärzte notgedrungen Antidepressiva verschreiben

Viele Allgemeinärzte widersprechen den Behandlungsempfehlungen: Sie verschreiben bei leichten Depressionen Medikamente statt einer Psychotherapie.

, 19. Februar 2020 um 08:30
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Es sei kein Drama - aber es entspreche nicht den Behandlungsempfehlungen, sagt Yvik Adler. Die Psychotherapeutin und Co-Präsidentin der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) kritisiert in einem Interview mit der «Berner Zeitung», dass Allgemeinärzte in der Schweiz bei leichten Depressionen oft ein Antidepressivum verschreiben.

Mehr als die Hälfte erhält nur Medikamente

Ihre Haltung zu den verschriebenen Medikamenten kommt klar zum Ausdruck: «Ich weiss nicht, ob Sie eine solche Behandlung wünschen würden», antwortete sie auf die Frage, ob Antidepressiva in gewissen Fällen nicht auch nützlich sein könnten. Für Yvik Adler ist klar: Eine Psychotherapie von vielleicht 20 Stunden sei in jedem Fall hilfreich.
Doch die Praxis sieht anderes aus: Am meisten Antidepressiva werden leicht depressiven Patienten in Hausarztpraxen verschrieben. 60 Prozent erhalten ausschliesslich Medikamente, obwohl diese in den Leitlinien nicht erste Wahl sind. Seither läuft die Diskussion darüber, ob Psychotherapien oder Medikamente die besseren Resultate bei der Behandlung liefern.

«Ein Hausarzt macht nichts falsch, wenn er ein Antidepressivum vorschlägt»

Erich Seifritz, Direktor an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, verteidigte in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» kürzlich den verbreiteten Einsatz von Medikamenten auch bei leichter Depression. «Wenn ein Patient mit Depression in die Praxis kommt, macht ein Hausarzt nichts falsch, wenn er ein Antidepressivum vorschlägt», sagte er – und liegt damit auf einer völlig anderen Linie als Yvik Adler.
Trotzdem betont er, dass er durchaus ein «Fan von Psychotherapie» sei und es ihm «im Traum nicht in den Sinn käme, die verschiedenen Methoden gegeneinander auszuspielen», wie dies derzeit gemacht werde.

Sind Psychiater am Gängelband der Pharmaindustrie?

Seifritz glaubt den Grund für die derzeit scharfen Diskussionen um Nutzen und Risiken der beiden Methoden zu kennen: Der geplante Modellwechsel bei der Anordnung von psychologischer Psychotherapie. Dabei werde oft unsachlich gegen Psychiater geschossen. «Wir werden als Zuhälter und Handlanger der Pharmaindustrie beschimpft», klagt er.
Handkehrum wirbt auch Yvik Adler unverblümt im Interesse ihres Berufsstandes: Sie glaubt, dass viele Hausärzte notgedrungen so viele Medikamente und so wenig Psychotherapien verschreiben. Es sei zu schwierig für sie, einen Psychotherapieplatz zu finden, der sich über die Grundversicherung abrechnen lässt. Denn davon gebe es in der Schweiz viel zu wenig.
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