«Wir sind weder geldgeil noch begeben wir uns in die Illegalität»

Unschöne Verdächtigungen unter den Spitälern: Widmen sich die einen noch den Wahloperationen, während die anderen schon alle Kräfte für den Corona-Ansturm bereitstellen?

, 18. März 2020 um 15:26
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Wie dringend muss eine Operation sein, damit sie ein Spital derzeit noch vornehmen darf? | Bild: Lothar Wandtner, Pixelio
Die angespannte Situation in den Schweizer Spitälern zeigt erste unschöne Seiten: «Andere Spitäler gehen in den Notbetrieb. Bei uns läuft der Normalbetrieb weiter», kritisiert ein Angestellter des Kantonsspitals Baden (KSB), welcher anonym bleiben möchte.

Innerhalb weniger Stunden bereit

CEO Adrian Schmitter kontert solche Vorwürfe im spitalinternen Chat, welcher Medinside vorliegt: «Das KSB wird bis auf Weiteres elektive Eingriffe vornehmen», schreibt er dort. Und erklärt dann, warum: «Wir sind weder geldgeil noch begeben wir uns damit in die Illegalität. Sollte die Zahl der Corona-Patienten ansteigen, dann fahren wir den Krisenmodus sukzessive rauf respektive den Normalbetrieb runter.» In letzterem Fall sei es möglich, den Operations-Betrieb innerhalb weniger Stunden den neuen Begebenheiten anzupassen.
Doch nicht nur im Fall des KSB wird in Zweifel gezogen, ob derzeit alle Spitäler ihre Mittel für die bevorstehende Infizierten-Welle genug schonen. Eine Mitarbeiterin einer ambulanten Klinik im Kanton Zürich - deren Name ist der Redaktion bekannt - kritisiert: «Bei uns wird einfach weitergemacht wie bisher. Ich fühle mich nicht gut dabei, dass diese hoch elektiven Eingriffe bei uns noch stattfinden.»

Etliche Schweizer Spitäler «operieren munter weiter»

Jedes Mal, wenn ein Patient eine Vollnarkose erhalte, setze sich das Anästhesiepersonal einem Infektionsrisiko aus. Deshalb, so die Mitarbeiterin, müsste es doch gute Gründe für solche Eingriffe geben. Der Begriff «dringend» sei unbrauchbar, da es dafür keine verbindliche Definition gebe.
«Ich wäre lieber im Unispital, im Triemli oder im Kantonsspital Winterthur», gesteht die Fachfrau. «Dort wäre ich beim Ansturm, der uns bevorsteht, viel nützlicher.» Auch ein anderer Insider weist darauf hin, dass etliche Schweizer Spitäler «munter weiter operieren», obwohl es sich um Wahleingriffe handle.

«Wir tun im Moment alles dafür, uns auf die bevorstehende Welle vorzubereiten»

So fordere die Schulthess-Klinik auf ihrer Website sogar dazu auf, solche Eingriffe nicht abzusagen. In der Tat heisst es dort: «Solange Sie gesund sind, keine Nebenerkrankungen haben und keine Grippe-Symptome oder Atemwegsbeschwerden zeigen, gibt es keinen Grund, den Termin abzusagen.»
Auf den Vorwurf, dass die Privatkliniken derzeit noch Wahloperationen übernähmen, während andere Spitäler bereits im Notbetrieb seien, reagiert Enrico Manzanell von der Schulthess-Klinik ungehalten: «Genau wie alle anderen Spitäler tun wir im Moment wirklich alles dafür, uns auf die bevorstehende Welle vorzubereiten.» Patienten würden telefonisch kontaktiert und Termine abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben. Nur noch «wirklich dringende» Behandlungen würden durchgeführt. Zudem bereite sich die Klinik darauf vor, im Ernstfall möglichst viele schwer erkrankte Menschen aufzunehmen.

Auch Privatklinikgruppen sagen, sie seien vorbereitet

Andere Privatkliniken tun das nach eigenen Angaben auch. So sagt Claude Kaufmann, Sprecher der Privatspitalgruppe Hirslanden: «Wir haben das Operationsprogramm auf dringliche Eingriffe reduziert.»
Die Privatspitalgruppe Swiss-Medical-Network (SMN) führt gemäss den Vorgaben der Kantone nach wie vor «semi-elektive» Operationen durch. «Wir haben den kantonalen Behörden und dem Kantonsarzt aber mitgeteilt, dass wir die kantonalen Einrichtungen unterstützen möchten», erklärt deren Sprecherin Zeynep Ersan Berdoz.

Keine Patienten aus dem Ausland mehr

Auf Anfrage von Medinside sagte sie auch, dass in den beiden Tessiner Kliniken Ars Medica und Sant’Anna keine italienischen Patienten mehr behandelt würden. Sie dürften die Grenze nicht überschreiten. Dies gelte auch für alle anderen SMN-Kliniken in Grenznähe.
Laut der Verordnung des Bundesrats müssen Schweizer Spitäler, Kliniken und Arztpraxen derzeit «auf nicht dringend angezeigte medizinische Eingriffe und Therapien verzichten.» Das Problem: Diese eigentlich klare Anweisung lässt grossen Interpretationsspielraum: Wie «dringend» ist eine Operation oder eine Behandlung tatsächlich?

Nicht dringliche Kranke sind zuhause am sichersten

Der Kritiker des KSB findet: Es gebe sehr wohl dringliche Erkrankungen. Doch nach wie vor werde im Normalbetrieb weitergefahren. So würden sämtliche ärztlichen Verordnungen als dringlich und nicht verschiebbar beurteilt. Das sei nicht im Sinn der bundesrätlichen Vorschriften.
Nicht dringlich kranke Patienten seien am sichersten zuhause. Zudem könnten unnötige Leistungen und Patientenströme vermieden werden, so wie es die Anordnung des Bundesrates bezwecke.

Freiburg ist bereits im Notbetrieb

Es gibt auch Spitäler, die bereits offiziell zum Notbetrieb übergehen. So schliesst das Freiburger Spital morgen Donnerstag die Operationssäle an seinen Nebenstandorten Riaz und Tafers, damit das Personal noch entsprechend geschult werden kann und dann voll für Corona-Infizierte zur Verfügung steht, wie Medinside hier berichtete.
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