«Das System der Tarifpartnerschaft funktioniert nicht mehr»

Der ehemalige Spitaldirektor Beat Straubhaar erklärt, weshalb der Gesundheitsökonom Heinz Locher nur bedingt recht hat.

, 18. April 2024 um 14:44
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Beat Straubhaar: «Früher agierten auf Seite der Kassen und der Ärzte Personen, mit denen man zusammensitzen und gemeinsam Lösungen finden konnte. Das ist heute nicht mehr der Fall».
Unter neutralen Beobachtern und Gesundheitsökonomen ist es unbestritten, dass die Spitaltarife generell zu tief sind, insbesondere bei ambulanten Leistungen. Wer ist schuld?
Laut den Spitälern sind es die Krankenkassen; laut dem Gesundheitsökonomen Heinz Locher tragen aber auch die Spitäler eine Mitschuld.
«Sie sollten die Verträge nicht unterschreiben, wenn der gesetzliche Auftrag mit den ausgehandelten Tarifen nicht erfüllt werden kann, erklärt er. In solchen Fällen müssten dann die Kantonsregierungen aktiv werden.
Und wenn die Spitalverbände Tarife unterzeichnen, die ein einzelnes Spital in die Bredouille führe, sollte dieses dem von den Verbänden ausgehandelten Tarifvertrag nicht beitreten, sagt Locher. Das Spital könne selber den Tarifvertrag aufsetzen und ihn den Kassen unterbreiten. Falls die Kassen den Vertrag ablehnen, sei es wiederum an der Kantonsregierung, darüber zu befinden und den Tarif festzulegen.

Ein Insider

Beat Straubhaar war ab 1985 Direktor des Regionalspitals Thun und später bis Ende 2010 CEO des Regionalen Spitalzentrums Thun (STS). Dann war der Thuner von 2015 bis 2021 VR-Präsident des Psychiatrie Zentrums Münsingen. Ausserdem präsidierte er lange Jahre den Berner Spitalverband, in dessen Auftrag er selber Tarifverhandlungen führen musste.
Der erfahrene ehemalige Spitaldirektor gibt Heinz Locher recht, wenn er meint, dass die Spitäler den Tarifvertrag nicht unterzeichnen müssten und durch den Kanton ein Festsetzungsverfahren anstreben könnten. «Das ist jedoch aufwändig und kann Jahre dauern», sagt er.

Keine Planungssicherheit

So müssten die Spitäler mit einem vertragslosen Zustand Vorlieb nehmen und mit einem sogenannten Arbeitstarif abrechnen. Dabei besteht laut Straubhaar keine Gewähr, dass nach Ende des Verfahrens der definitive Tarif nicht tiefer sein wird. In einem solchen Fall müsste dann das Spital das zu viel einkassierte Geld den Krankenkassen zurückzahlen.
«Die Planungssicherheit ist nicht gegeben», so Straubhaar. «Dieses Risiko will kein Spital auf sich nehmen».
Wenn die Verbände Tarifverhandlungen führen, so treffen sie sich beim kleinsten gemeinsamen Nenner. Für die einen Spitäler mag die Rechnung mehr oder weniger aufgehen, für andere eben nicht. «Die Spitäler haben aufgrund unterschiedlicher Leistungsportfolios unterschiedliche Kostenstrukturen». Darauf werde bei den Verhandlungen nicht Rücksicht genommen. Man verhandle über den Preis und nicht über die Finanzierung der Kosten.

Neue Modelle

Für Straubhaar funktioniert das heutige System der Tarifpartnerschaft nicht mehr. Er vertritt deshalb die Meinung, dass nicht mehr die Verbände die Preisverhandlungen führen, sondern die einzelnen Marktteilnehmer. Er meint damit homogene Verhandlungsdelegationen, die sachlich zusammenpassen. «Dadurch könnten auch neue Finanzierungsmodelle entstehen».
Aber: «Wie war es denn früher, Herr Straubhaar?» Die Antwort des langjährigen Spitaldirektors, der selber Tarifverhandlungen führte: «Früher agierten auf Seite der Kassen und der Ärzte Personen, mit denen man zusammensitzen und gemeinsam Lösungen finden konnte. Das ist heute nicht mehr der Fall».

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