EPD: Noch mehr Geld und Zwang machen es auch nicht besser

Ein brauchbares elektronisches Patientendossier wäre überfällig. Aber weiterhin sind wichtige Fragen offen. Zum Beispiel: Wie müsste das EPD sein, damit es auch genutzt wird? Warum fehlen viele praktische Features?

Gastbeitrag von Felix Schneuwly, 23. Februar 2024 um 23:00
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«Das Parlament sollte die Übergangsfinanzierung ablehnen»: Felix Schneuwly  |  Bild: zvg
In der kommenden Session beschliesst das Bundesparlament eine Übergangsfinanzierung. Mir ist schleierhaft, warum Stammgemeinschaften und Industrie für eröffnete elektronische Patientendossierts Geld erhalten sollen. Ohne nützliche Features wie eRezept, eMediplan, eImpfbüchlein, eÜberweisung et cetera werden all dank staatlichen Finanzspritzen eröffneten Dossiers nicht benutzt.
Das Parlament sollte die Übergangsfinanzierung ablehnen und sich so rasch wie möglich um die EPDG-Totalrevision kümmern.
Manchmal ist der Abbruch eines erfolglosen Projekts und ein Neustart die bessere Option; diese Kultur fehlt in der Schweiz definitiv. Aber auch wenn man versucht, dem EPD auf der aktuellen gesetzlichen Basis zum Durchbruch zu verhelfen, hätte man alle Optionen prüfen sollen. Bei allem gebührenden Respekt vor der geleisteten Arbeit: Das wird nicht gemacht.
Felix Schneuwly ist Head of Public Affairs der Vergleichsfirma Comparis und Vizepräsident des Bündnis Freiheitliches Gesundheitswesen. Zuvor war er Delegierter Public Affairs respektive Leiter Politik und Kommunikation beim Kassenverband Santésuisse.
Mit der Übergangsfinanzierung und der umfassenden EPDG-Revision werden Abhängigkeiten geschaffen, um die Stammgemeinschaften am Leben und die Industrie bei Laune zu halten. Eine magere Regulierungsfolgen-Abschätzung genügt nicht. Diese muss Antworten auf die Frage geben, wie die Ziele «Patientensicherheit erhöhen» und «Effizienz der medizinischen Versorgung verbessern», gemessen und erreicht werden. Auf die Übergangsfinanzierung sollte schlicht verzichtet werden.
Im Kapitel 1.2 des erläuternden Berichts zur umfassenden EPDG-Revision steht unter «Gewählte Lösung und geprüfte Alternativen»: «Mit der umfassenden Revision des EPDG sollen die Rollen zwischen Bund und Kantonen klar geregelt und die nachhaltige Finanzierung des EPD sichergestellt werden. Gleichzeitig sollen verschiedene Massnahmen zur Weiterentwicklung des EPD getroffen und damit die Verbreitung und Nutzung des EPD erhöht werden.»
Sehr wichtige Aspekte fehlen aber. Ob und welche Alternativen geprüft und aus welchen Gründen verworfen wurden, steht nirgends.
«Die Grundsatzfrage wird nicht geklärt – nämlich ob und wie mit dem EPD Geld verdient werden darf.»
Der wichtigste Frage wird aber weder gestellt noch beantwortet: Wie muss das EPD aussehen, damit es Versicherte und Gesundheitsfachleute ganz einfach unbedingt wollen?
Bevor das Parlament sich um die EPDG-Revision kümmert, sollten ein paar Punkte geklärt werden. Das möglichst viele Versicherte und medizinische Fachpersonen EPDs nutzen, ist wohl das unbestrittene Ziel.
Zu klären wäre:
  • Die in den Dossiers enthaltenen Informationen müssen so aktuell und vollständig wie nur möglich sein, denn wenn sich das Fachpersonal nicht darauf verlassen kann, werden die Dossiers gemieden.
  • Dass das EPD die Patientensicherheit erhöhen und die Effizienz der medizinischen Leistungen erhöhen soll, hat das rein gar nichts mit einer elektronischen Datenablage für Patientinnen und Patienten zu tun, sondern mit optimierten und bis zu einem gewissen Grad standardisierten Prozessen. Über Prozessoptimierung steht nichts im Bericht und auch nichts im Gesetzesentwurf.
  • Die Daten müssen so strukturiert sein, dass sie mit wenig Aufwand darin abgelegt, einfach wieder gefunden und bearbeitet werden können (Datenstruktur).
  • Auch die Grundsatzfrage wird nicht geklärt – nämlich ob und wie mit dem EPD Geld verdient werden darf. In anderen Branchen wird sehr wohl gemeinsam investiert, wenn Effizienz und Qualität allen nützt und jedem Wettbewerbsvorteile verschafft. eBanking ist beispielhaft. Und im KVG-Bereich sind die alternativen Versicherungsmodelle (AVM) prädestiniert, weil dort Unternehmen und nicht Verbände Vertragspartner sind. Oder soll der Bund (Beispiel Dänemark) die gesamte EPD-Inftastruktur wie die Nationalstrassen planen, bestellen sowie finanzieren und den Einsatz im Bereich der durch Sozialversicherungen finanzierten medizinischen Leistungen für Versicherte und Fachpersonen als verbindlich erklären?
«Die Qualitätsbürokratie würde auf das gesundheitspolizeilich Wesentliche schrumpfen.»
  • Egal welche Rolle der Staat und private Akteure spielen, das EPD muss so einfach und nützlich sein wie eBanking oder ein Smartphone. Dann wollen es alle – Versicherte und Gesundheitsfachleute. Und wie in Dänemark würde kaum jemand vom Opt-out-Recht Gebrauch machen.
  • Wer weniger freiheitlich denkt, kommt mindestens zum Schluss, dass im überregulierten und kollektiv finanzierten Sozialversicherungsbereich ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, ein bewirtschaftetes EPD für die Abrechnung von versicherten Leistungen vorauszusetzen. Wer weniger weit gehen möchte, kann wie oben erwähnt den AVM-Vertragspartnern (Art. 62 KVG) den Spielraum geben, Efizienz und Qualität statt bloss Mengen zu vergüten. Dann bekommt nämlich die Digitalisierung einen ganz normalen, ökonomisch getriebenen Schub.
  • Der Datenschutz muss mit Augenmass angewendet werden. Die durch die Revision des Datenschutzgesetzes noch viel komplizierter gewordenen Regelungen müssen so angewendet werden, dass sie das EPD nicht blockieren oder dessen Vorteile eliminieren. Wer bei der Finanzierung von der Solidarität profitiert, sollte jeder Gesundheitsfachperson, die am Behandlungsprozess beteiligt ist, im EPD vollen Lese- und Schreibzugriff gewähren. Letzteres wäre ein einfaches und hochwirksames Qualitätssicherungs- und Qualitätsentwicklungs-Instrument. Die gigantische und stetig wachsende Qualitätsbürokratie würde auf das gesundheitspolizeilich Wesentliche schrumpfen.
Wer das erkennt, sieht ein, dass nicht der/die gläserne Patient/in die Herausforderung ist, sondern die gläserne Gesundheitsfachperson.
  • Und ein Widerspruchsregister ist auch mit dem Recht auf Opt-out überflüssig, wie übrigens auch ein Organspenderegister. Ein Vermerk auf dem Chip der Versichertenkarte genügt.

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