Qualität ist keine Glaubensfrage

Bei der Qualität im Gesundheitssystem wird nicht zu viel gesteuert und vereinheitlicht – sondern eher zu wenig. Viele Akteure wollen einfach ihr eigenes Messsystem als Standard sehen.

Gastbeitrag von Michael Jordi, 11. April 2024 um 22:00
image
«Es muss sich auch noch vieles rascher als heute verbessern»: Michael Jordi, Präsident der EQK  |  Bild: zvg.
Es liegt nicht alles im Argen bei unserem Gesundheitswesen, sonst würde die Zufriedenheit mit den Leistungserbringern in den Bevölkerungsbefragungen nicht regelmässig hoch eingestuft. Aber es muss sich noch vieles rascher als heute verbessern. Auch bei der Qualität.
Anders als Felix Schneuwly in seiner Kritik in Medinside sehe ich die heutigen Probleme der Qualitätsentwicklung jedoch nicht in einer «sozialistischen Planwirtschaft» anstatt einem freiheitlichen Gesundheitswesen, welches die Lösung bringen sollte. Es stellt sich nicht die Glaubensfrage, ob Staat oder Markt die besseren Erfolgsgaranten für eine gute Behandlung und Pflege sind; sondern es geht darum, dass in diesem ziselierten Gesundheitswesen auch jeder seine Verantwortung und Kompetenzen wahrnimmt und dabei hoffentlich etwas an Tempo zulegt.
Michael Jordi ist seit Januar 2024 Präsident der Eidgenössischen Qualitätskommission im Gesundheitssystem EQK. Zuvor war leitete er unter anderem 13 Jahre lang das Generalsekretariat der GDK.
In den bisherigen Tarifverträgen waren nur sehr wenige Qualitätsbestimmungen enthalten. Mit den neu eingeforderten Qualitätsverträgen, die zwischen den Marktakteuren – «Tarifpartnern» – abgeschlossen werden (sollten) und vom Bundesrat genehmigt werden müssen, hat das Parlament ein Kind aus der Wiege gehoben mit einem durchaus berechtigten Platz in dieser Gesundheitswelt. Nur hat es noch nicht recht laufen gelernt.
Der oft geforderte Qualitätswettbewerb sollte nicht in unterschiedlichen Qualitätsverträgen münden, sondern in gemeinsam erarbeiteten Grundsätzen, Indikatoren und Standards zur Qualitätssicherung und -entwicklung. Nur so können wir als Patientinnen und Patienten sowie die Kantone als Planungsbehörden auch vergleichen. Insofern gibt es zurzeit nicht zu viel Geplantes, Gesteuertes, Einheitliches, sondern eher zu wenig. Viele Akteure möchten am liebsten ihr eigenes Qualitätsmesssystem – und deren gibt es viele – als Standard sehen.
«Wir legen das Gewicht auf Messungen, welche auf bereits bestehenden Daten basieren, sowie auf einheitliche Indikatoren.»
Auch die Eidgenössische Qualitätskommission EQK ist ein Rad in diesem komplexen System und hat inzwischen Tritt gefasst. Sie unterstützt und fördert mit Finanzhilfen Projekte, die zur Verbesserung der Qualität im Gesundheitswesen beitragen, und entwickelt und implementiert zusammen mit den Gesundheitspartnern, insbesondere den Leistungserbringern, eigene Programmschwerpunkte. Wir legen das Gewicht auf Messungen, welche auf bereits bestehenden Daten basieren, sowie auf einheitliche Indikatoren – auf Indikatoren also, die allgemein vorgeschrieben oder empfohlen und somit geplant sind.
Insgesamt hat die EQK im Jahr 2023 neun Aufträge an Dritte vergeben sowie zwölf Mandate vorbereitet, teils öffentlich ausgeschrieben und die Angebote evaluiert. Finanziert werden diese zu gleichen Teilen von Bund, Kantonen und Krankenversicherern. Die Themenbereiche sind vielseitig: beispielsweise septische Infektionen verhindern, ein Indikatorensystem für Pflegeheime weiterentwickeln oder eines für die Spitex initialisieren.
«Wir wollen keine abstrakten Theorien oder Forschungsprojekte fördern.»
Zukünftige Handlungsfelder sehen wir unter anderem in der Medikationssicherheit, im ambulanten Bereich – beispielsweise in der Diagnosesicherheit –, im Feld der psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung oder auch in der Physiotherapie, um nur einige Beispiele zu nennen.
Im Vordergrund steht stets die positive Wirkung von Qualitätsmassnahmen auf die Patientinnen und Patienten. Wir wollen keine abstrakten Theorien oder Forschungsprojekte fördern, sondern Programme, die konkret bei der Behandlung und Pflege Wirkung zeigen. Dazu brauchen wir alle Partner – egal ob private oder staatliche.
  • Qualität
  • politik
  • Gesundheitskosten
  • Gastbeitrag
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Idee: Eine «fünfte Säule» für die Langzeit-Pflege

Die Denkfabrik Avenir Suisse schlägt ein Pflege-Sparkonto im Stile der Pensionskassen vor. Die angesparte Summe würde die Belastung von Krankenkassen und Staat senken – und könnte auch vererbt werden.

image

Luzern: Referendum gegen neues Spitalgesetz

Die Luzerner Grünliberalen sind gegen die Festlegung des Leistungsangebots der Spitäler im Gesetz.

image

«Kritiker der Komplementärmedizin haben eine zu einseitige Sicht»

SP-Ständerätin Franziska Roth kritisiert im Interview die Haltung von Gegnern der Komplementärmedizin. Sie verkennen den Wert der ärztlichen Expertise.

image

Überraschende Rechnung: Medizinstudium soll viermal günstiger sein

Hat die Politik bislang mit falschen Zahlen gerechnet? Eine Analyse des Verbandes der Schweizer Medizinstudierenden Swimsa deutet darauf hin.

image
Gastbeitrag von Martin Wiewiorski

Mehr Effizienz: Die Spitäler sollten von den Praxis-Ärzten lernen

In der ambulanten Versorgung wird augenfällig, wie teuer und träge die Spitalstrukturen oft sind. Es braucht eine klarere Trennung von stationären und ambulanten Abläufen.

image

Medizinprodukte: Swissmedic moniert Mängel in vielen Spitälern

Die Aufsichtsbehörde kontrollierte unter anderem Endoskopie und Instandhaltung – und fand so viele Probleme, dass sie jetzt die Überwachung intensiviert.