Nicht nur in der Medizin ist die Qualität ein wichtiges Element, um den Preis einer Ware oder Dienstleistung zu beurteilen. Deshalb ist die Qualität seit Beginn im KVG verankert.
Leider werden aber in der Politik selten die Gründe gesucht, warum etwas nicht funktioniert. Bei Gesetzesrevisionen wird auch selten seriös geprüft, welche Wirkungen und Nebenwirkungen die geplante Revision haben könnte oder ob es Alternativen gäbe. Und das obwohl Regulierungsfolge-Abschätzungen obligatorisch sind.
Nach ein paar Jahren wird auch selten evaluiert, ob mit einer Regulierung konkrete Ziele erreicht wurden, falls überhaupt messbare Ziele definiert wurden.
Felix Schneuwly ist Head of Public Affairs beim Vergleichsdienst Comparis und Vizepräsident des Bündnisses Freiheitliches Gesundheitswesen. Zuvor war er unter anderem Delegierter für Public Affairs bei Santésuisse.
Die Antwort auf die Frage, warum denn die im KVG seit seiner Inkraftsetzung mehrfach verankerte Qualität der versicherten medizinischen Leistungen jahrelang toter Buchstabe blieb, ist einfach: Was in Sachen Qualität geschehen soll, war in Anhängen der Tarifverträge der Krankenversicherer mit den medizinischen Leistungserbringern zwar vereinbart worden, wurde aber nicht umgesetzt.
Niemand beanstandete die fehlende Umsetzung. Es nützt halt nichts, wenn Behörden Verträge genehmigen, die nur teilweise umgesetzt werden.
Die in den Tarifverträgen vereinbarten Tarife wurden bezahlt, ohne dass die in den Anhängen vereinbarte Qualität ausgewiesen wurde. Kein einziger Versicherer klagte beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Nichterfüllung der vertraglich vereinbarten Qualitätsbestimmungen. Anstatt von den Tarifpartner zu verlangen, dass sie sich nicht bloss an die vereinbarten Tarife halten, sondern auch an die vereinbarte Qualität, verbürokratisierte das Parlament auf Antrag des Bundesrats die Qualität mit den umfangreichen Bestimmungen im KVG massiv.
Ein Musterbeispiel
So ging es auch mit anderen toten Buchstaben im KVG. In den letzten Jahren wurde eine KVG-Revision nach der anderen durchs Parlament gepeitscht, ohne dass eine Mehrheit Evaluationen der vergangenen Revisionen und Regulierungsfolge-Abschätzungen verlangte, welche wissenschaftliche Anforderungen erfüllen. Im Gegenteil: Der seitenlange Qualitätsartikel 58 a bis h des KVG ist ein Musterbeispiel überbordender Regulierungsbürokratie.
Anstatt – wie in der Medizin üblich – erwünschte Wirkungen und unerwünschte Nebenwirkungen zu überprüfen, hat der Bundesrat zehn Qualitätsziele für die Jahre 2021 bis 2024 und nun für 2025 bis 2028 die
gleichen Ziele noch einmal präsentiert – ohne im Detail festzuhalten, wo man auf Kurs ist und wo noch nicht. So wie man dies sonst nur aus der sozialistischen Planwirtschaft kennt.
«Wer danach sucht, welche der zehn Ziele in welchem Masse erreicht worden sind, findet nichts.»
Und wie immer, wenn der Staat plant, braucht er dazu Geld. Der Bundesrat beantragt dem Parlament einen Verpflichtungskredit von 47 Millionen Franken, damit die ausserparlamentarische «Eidgenössische Qualitätskommission (EQK)» Projekte finanzieren kann, welche die Qualität der medizinischen Leistungen stärken und die Patientensicherheit fördern.
Wer auf der
Website der EQK danach sucht, welche der zehn für die Jahre 2021-2024 und für 2024-2028 wiederholten Ziele in welchem Masse erreicht worden sind beziehungsweise was noch getan werden muss, findet nichts.
Für eine Verknüpfung von Preis und Qualität
Noch viel problematischer als die staatliche Planwirtschaft mit den nicht messbaren Zielen ist die fehlende Abgrenzung der Zuständigkeiten von Bund und Kantonen. Die Kantone haben als Zulasser der medizinischen Leistungserbringer die gesundheitspolizeiliche Verantwortung, die Patientensicherheit sicherzustellen. Wer die Patientensicherheit gefährdet, darf Patientinnen und Patienten weder untersuchen noch behandeln.
«Weil die Behörden den Qualitätswettbewerb scheuen wie der Teufel das Weihwasser, ist auch nicht vorgesehen, dass bessere Qualität besser vergütet wird.»
Das hat nichts mit dem KVG zu tun. Das KVG garantiert die freie Wahl der medizinischen Leistungserbringer und muss folgliche sicherstellen, dass die von den Kantonen zugelassenen medizinischen Leistungserbringer Qualitätsdaten veröffentlichen, die für die Versicherten verständlich sind, damit deren freie Wahl der Leistungserbringer kein Blindflug ist.
Das ist die Basis eines Qualitätswettbewerbs. Aber das Wort «Qualitätswettbewerb» kommt im KVG nicht vor. Weil die Behörden den Qualitätswettbewerb scheuen wie der Teufel das Weihwasser, ist auch nicht vorgesehen, dass bessere Qualität auch besser vergütet wird.
Qualitätswettbewerb statt Qualitätsbürokratie
Mit dieser klaren Zuteilung der Zuständigkeiten an Bund und Kantone wäre auch eine kurze und klare Formulierung des Qualitätsartikels 58 im KVG möglich:
- Medizinische Leistungserbringer und Krankenversicherer vereinbaren in ihren Tarifverträgen für sachgerechte Tarife auch die Qualitätstransparenz beziehungsweise die unterschiedliche Qualität berückichtigen. Die Qualitätstransparenz beinhaltet sowohl aktuelle nicht öffentliche Qualitätsdaten der einzelnen Leistungserbringer, damit sie sich direkt mit gleichen Leistungserbringern vergleichen können, als auch aktuelle öffentliche Qualitätsdaten, die für Laien verständlich sind, damit Versicherte sich bei ihrer freien Wahl der Leistungserbringer auf für sie verständliche Daten stützen können.
- Leistungserbringer, welche die Anforderungen an die Qualitätstransparenz nicht erfüllen, verlieren ihr Recht, zu Lasten der sozialen Krankenversicherung abzurechnen. Leistungserbringer, die effizienter und qualitativ besser sind als andere, erhalten höhere Tarife.
Diese allgemeinen Bestimmungen könnten auch im Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts. (ATSG) verankert werden, damit sie für alle Sozialversicherungen gelten.