Soll eine Krankenkasse Geld in ein unrentables Spital stecken?

Die Visana beteiligt sich an zwei Spitälern im Jura – ein finanzielles Abenteuer. Denn das Spital Moutier ist ein Problemfall.

, 9. November 2022 um 13:46
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Das Spital Moutier: Es steht bald nicht mehr auf Berner, sondern auf jurassischem Boden. | zvg
Die Krankenkasse Visana ist frischgebackene Mitbesitzerin eines Spitals. Das ist ein Novum in der Schweiz. Und ein finanzielles Risiko. Denn das Spital Moutier ist ein Sorgenkind: Einst stand es vor der Schliessung, dann wurde es von der Privatspital-Gruppe Swiss Medical Network (SMN) gerettet. Nun hat sich SMN wieder eines Teils des Spitals entledigt. Dass die Visana in die Bresche gesprungen ist, ist eine Überraschung. Geplant ist, dass die Visana zusammen mit den anderen Mitbesitzern – das sind neben SMN auch der Kanton Bern – eine neue Gesundheitsorganisation im Jurabogen errichten, den Réseau de l’Arc.

Das bürdet sich die Visana mit Moutier auf

Doch vorerst hat sich die Visana mit dem Spital Moutier vor allem einige Probleme eingehandelt.
  • Wie viel die Visana für ihren Anteil bezahlt hat, sagt sie nicht. Es gibt aber einen Anhaltspunkt: SMN hat 2020 dem Kanton Bern für einen 35-Prozent-Anteil immerhin 27 Millionen Franken gezahlt. Der Visana-Anteil ist nur unwesentlich kleiner; er beträgt 32,4 Prozent.
  • Unklar ist, wie viel die neuen Besitzer in den Unterhalt der Spitäler Moutier und St. Imier investieren müssen. 2020 war die Rede von 25 Millionen Franken.
  • Das Spital Moutier hat grosse Konkurrenz: Mit dem Auto nur gerade eine Viertelstunde entfernt liegt das jurassische Kantonsspital Delsberg.
  • Moutier wird zum «Visana-Spital». Das könnte andere Krankenkassen dazu bewegen, weniger mit diesem Spital zusammenzuarbeiten.
  • Der Kanton Jura wusste nichts von den Plänen der Visana. Er sei erst «am Vortag» darüber informiert worden, sagte der jurassische Gesundheitsdirektor Jacques Gerber gegenüber der «Berner Zeitung».
Diese Punkte erhöhen das finanzielle Risiko für die Visana. Insbesondere der letzte Punkt könnte die Pläne der Visana durcheinanderbringen. Denn der Kanton Jura wird schon bald sehr wichtig sein fürs Spital Moutier. Durch den bevorstehenden Kantonswechsel der Stadt Moutier wird auch das Spital von Bern in den Jura verlegt.

Moutier, die heisse Kartoffel

Derzeit behandeln die beiden Kantone das Spital wie eine heisse Kartoffel: Keiner will sich länger damit befassen. Einerseits ist klar, dass sich der finanzschwache neue Standortkanton Jura nicht gleich zwei Spitäler leisten kann, die nur 15 Kilometer voneinander entfernt liegen. Andererseits ist das Spital der grösste Arbeitgeber und kann deswegen nicht einfach geschlossen werden.
Der Kanton Bern seinerseits würde gerne auch seinen verbliebenen Drittel-Anteil am Spital loswerden, wenn Moutier nicht mehr zu Bern gehört. Doch der Kanton Jura denkt nicht daran, diesen Anteil zu kaufen. «Die jurassische Regierung zieht zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Erwägung, sich am Aktienkapital des Réseau de l’arc zu beteiligen», sagte Jacques Gerber gegenüber der «Berner Zeitung».

Will SMN gar nicht das Spital, sondern die Ärzte?

Auch die Absichten des Partners SMN könnten für das Spital Moutier zum Stolperstein werden. Der Gesundheitsökonom Willy Oggier hat in der «Berner Zeitung» die Vermutung geäussert, dass SMN gar kein Interesse am Spital habe, sondern «vorne an der Behandlungskette, nämlich bei den Hausärzten, ankommen» wolle. So könnte die Privatspital-Kette die Zuweisungen an die öffentlichen Spitäler herunterfahren und möglichst viele Patienten in ihren Kliniken behandeln.
Die Visana zeigt sich trotz aller Probleme des Spitals Moutier zuversichtlich: «Wir investieren nicht in ein Spital, sondern in die Gesundheitsorganisation Réseau de l’Arc, und damit in ein wegweisendes Modell für die Durchsetzung und Etablierung der Integrierten Versorgung», antwortet Visana-Mediensprecher François Furer auf eine entsprechende Nachfrage von Medinside.

Keine Prämiengelder für Spitalkauf investiert

Er versichert ausserdem, dass keine Prämiengelder in den Kauf fliessen, sondern ausschliesslich Geld aus der separaten Gesellschaft Visana Beteiligungen. Visana ist überzeugt, dass die Spitäler Moutier und St-Imier wichtig seien für die neue Gesundheitsorganisaiton. «Wir bekennen uns klar zum Spitalstandort Moutier.»
Mögliche finanzielle Risiken habe die Visana eingehend geprüft. Auf die Frage, ob es möglich sei, dass man dereinst die Schlagzeile lese, «Visana hat Millionen in Moutier verloren», antwortet Furer: «Dieses Szenario erachten wir als nicht realistisch.»
Lesen Sie auch «Die fünf heiklen Punkte beim Krankenkassen-Spital im Jura.»

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