Eigentlich sollten die Schweizer Krankenkassen ja dieselben Interessen haben – könnte man meinen. Das ist aber nicht so. Vor knapp zehn Jahren haben sich vier grosse Kassen – CSS, Helsana, Sanitas und KPT – vom weit über 100 Jahre alten Krankenkassenverband abgespaltet. Seither gibt es immer wieder Streit zwischen den beiden Konkurrenten.
Einer dafür, der andere dagegen
Egal, welches Thema: Meistens ist der eine Verband dafür, und der andere dagegen. Beispiele gibt es viele:
- Curafutura wollte den neuen Tarif Tardoc einführen, Santésuisse war bis vor kurzem dagegen.
- Santésuisse will eine Reform der Medikamentenpreise, wie sie der Bund vorschlägt, Curafutura findet, das nütze nichts.
- Die jüngste Uneinigkeit zwischen den Verbänden betrifft die Leistungen von Psychotherapeuten in Weiterbildung: Santésuisse weigert sich deren Therapien zu bezahlen. Die Curafutura-Kassen wollen zahlen.
Santésuisse dementiert
Reformen im Gesundheitswesen gab es in den vergangenen Jahren keine mehr. Daran seien nicht die beiden Verbände schuld, sagt Matthias Müller von Santésuisse. «Nicht die Anzahl der Krankenversicherungsverbände ist ausschlaggebend, ob Reformen im Gesundheitswesen blockiert werden, sondern die unterschiedlichen Interessen der Akteure im Gesundheitswesen», erklärt er gegenüber Medinside.
Er versucht die Gegensätze kleinzuhalten: In der Mehrheit der Themen seien sich die beiden Verbände ja einig, sagt er. Die Verbandsspitzen träfen sich regelmässig zu Gesprächen auf verschiedenen Ebenen, beteuert er ausserdem.
Kein Streit, nur eine andere Richtschnur
«Wir haben keinen Streit. Wir haben nur unsere eigene Richtschnur», klärt er gegenüber Medinside den Unterschied. Bei Santésuisse sei diese Richtschnur die Sicht der Prämienzahler.
Was denn die Richtschnur bei Curafutura sei, wollte Medinside von Curafutura-Präsident Josef Dittli wissen. Doch dieser wollte zu den Fragen keine Stellung nehmen. Die Sprecherin Simone Hinnen teilte mit: «Es gibt keine neue Entwicklung und daher verzichtet unser Präsident auf die Beantwortung der Fragen.»
«Zarte Annäherung?» - mitnichten!
Medinside
kündete kürzlich «mittelfristig einen Zusammenschluss» der beiden Verbände an. Auch die «Aargauer Zeitung» vermeldete «erste zaghafte Annäherungsversuche» zwischen den beiden Verbänden. Doch die zerstrittenen Parteien haben nicht wirklich im Sinn, zu fusionieren.
Laut CH Media machte Curafutura im Dezember einen Rückzieher. Der Verband könne den Fusionsplänen «vorläufig nicht zustimmen». Man frage sich, «ob der Zeitpunkt zum Start des Projekts geeignet ist».
BAG war erfreut über Einigung
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will zwar gegenüber Medinside nicht kommentieren, wie sich die Krankenkassen organisieren, weil diese frei entscheiden könnten. BAG-Sprecher Jonas Montani räumt aber ein: «Tatsächlich war es so, dass der Bundesrat mehrere Male eingreifen und subsidiär einen Tarif festlegen musste, weil sich die Tarifpartner nicht einigen konnten.»
Deshalb sei das BAG auch erfreut gewesen, dass sich die Tarifpartner Mitte November darauf geeinigt haben, sich an der Einreichung zur Genehmigung des Tardoc und der ambulanten Pauschalen beim Bund zu beteiligen.
Dittli tritt bald zurück
Für diese Einigung braucht es zwar keine Fusion. Aber schon bald wird es ein neues Problem geben: Josef Dittli wird in dreieinhalb Monaten als
Curafutura-Präsident zurücktreten. Einen neuen Präsidenten zu finden für einen Verband, den es schon bald nicht mehr geben soll, wird für die Curufutura-Kassen nicht einfach sein.
Santésuisse und Curafutura scheinen mit ihrer Aufteilung gar nicht so unglücklich zu sein. Jedenfalls kommt von keiner Seite das ausdrückliche Signal, dass jetzt endlich im Interesse aller wieder fusioniert werden sollte. Santésuisse-Sprecher Matthias Müller findet es auch überhaupt nicht überraschend, dass es in der Schweiz zwei Krankenkassen-Verbände gibt.
Sind zwei Krankenkassen-Verbände normal?
Die Anzahl Verbände habe keinen Einfluss auf die Reformen im Gesundheitswesen, sagt er. «Es gibt ja auch andere Branchen, die mehrere Verbände haben, wie zum Beispiel die Pharmabranche oder die Physiotherapeuten und das hat keinen Einfluss auf die Reformfreudigkeit.»
Aber vielleicht macht ein einziger gemeinsamer Verband vieles einfacher. Ein Beispiel: Deutschland hat vor 15 Jahren seine sieben ehemaligen Berufskassen-Verbände zu einem einzigen Spitzenverband vereinigt.