Weniger Bagatellfälle in den Spitälern dank einer Zusatzgebühr: Diese Idee geistert seit Jahren durch die Gesundheitspolitik. Jetzt kommt sie auf die politische Zielgerade: Eine entsprechende
parlamentarische Initiative, eingereicht 2017 von damaligen GLP-Nationalrat Thomas Weibel, soll Ende September im Nationalrat debattiert werden. Der Ständerat hat die Idee bereits gutgeheissen.
Nun kommt allerdings ein bemerkenswerter Widerspruch auf – von Helsana. Die grösste Krankenkasse im Land entnahm ihren Abrechnungen, dass die Bagatellfälle in den Spital-Notfallstationen in den letzten Jahren rückläufig waren.
Oder präziser: Der Anteil sank deutlich; absolut gesehen war die Zahl stabil bis minim rückläufig.
Freilich stiegen die Spital-Not-Fälle in jener Phase gesamthaft deutlich an – von gut einer Million vor zehn Jahren auf zuletzt gut 1,7 Millionen.
Die Helsana-Analysten rechneten die Bagatellfälle mit einer speziellen Methode heraus: Dazu nahmen sie jene Patienten, die einerseits in eine Notaufnahmestation kamen – die aber andererseits in den 30 Tagen davor und danach keinen weiteren Leistungsbezug anmeldeten (ausser einem Medikamentenkauf in einer Apotheke). Damit könne angenommen werden, «dass der Notfall-Besuch nicht zwingend gewesen ist», so die Überlegung.
Das Resultat: Der Anteil an Bagatellfällen sank von 10 Prozent im Jahr 2014 auf 7 Prozent im Jahr 2023.
Die unnötigen Notfall-Konsultationen schaffen bekanntlich mehrere ebenfalls unnötige Probleme: Erstens ein Kostenproblem, weil spitalambulante Konsultationen doppelt so teuer sind wie ein Praxisbesuch. Zweitens müssen Patienten in echten Notfallsituationen deshalb warten. Drittens wird das knappe spezialisierte Spitalpersonal falsch beansprucht.
Die Auswertung der Helsana nach Wochentagen ergab, dass Notfallstationen speziell oft am Wochenende aufgesucht werden; und dass dies bei Bagatellfällen noch ausgeprägter ist.
Der Helsana-Text äussert Zweifel, ob sich das Publikum von einer Zusatzgebühr effizient abhalten lässt – zumal alle Versicherten, die ihre Franchise und den Selbstbehalt noch nicht ausgeschöpft haben, sowieso die Rechnung selber bezahlen.
Und so plädiert Helsana dafür, lieber stärker auf Telehealth-Angebote zu setzen und sie bekannter zu machen. Denn: «Leider ist diese Nummer immer noch wenig bekannt und seit 2021 ist die Anzahl der Anrufe für diesen Service sogar rückläufig.»
«Schuss ins Blaue»
Auf der anderen Seite sei zu befürchten, dass eine Notfallgebühr statt der gewünschten Entlastung bloss mehr administrativen Aufwand verursacht: «Mit Gebühren auf Bagatellen zu schiessen, mag zwar verlockend sein, bleibt aber ein Schuss ins Blaue, der weder zum Ziel noch zu einer sinnvollen Lösung für alle führt.»
Dass die Kassen der Idee skeptisch gegenüberstehen, zeigt auch Curafutura: Der Krankenversicherer-Verband empfahl dem Parlament eine Ablehnung der Initiative: Sie würde diverse Umsetzungsprobleme nach sich ziehen. Und zugleich sei fraglich, ob eine Notfallgebühr die erwünsche Wirkung erzielen kann.
«Zur Vermeidung von Bagatellfällen in Spitalnotfallaufnahmen sind Massnahmen zu ergreifen, welche die Rolle von grundversorgungsnahen Leistungserbringern stärken», schreibt Curafutura: «Informationen an die Patientinnen und Patienten, eine integrierte Versorgung und alternative Versicherungsmodelle (Telemedizin, Hausarzt, HMO usw.) stehen dabei im Zentrum.»