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Auch der Nationalrat will den Vertragszwang lockern
Die Gesundheitsministerin warnt, doch das Parlament setzt ein klares Zeichen: Die Zulassungspraxis soll sich ändern.
, 13. März 2025 um 12:32In der Wissenschaft ist man sich einig: Der Vertragszwang trägt dazu bei, dass Gesundheitskosten kaum in den Griff zu kriegen sind. Dennoch sind bisher alle Versuche gescheitert, ihn abzuschaffen oder zumindest zu lockern.
Deutliche Mehrheit
Das scheint sich zu ändern: Der Nationalrat stimmte mit 113 zu 72 Stimmen einer Motion von Mitte-Ständerat Peter Hegglin zu – und damit einer Lockerung des Vertragszwangs im KVG. So wie das schon der Ständerat in der letztjährigen Sommersession gemacht hatte.
Weder Brigitte Crottaz, Waadtländer SP-Nationalrätin und selber Ärztin, noch Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider vermochten die Ratsmehrheit davon abzuhalten, diesen Paradigmenwechsel in die Wege zu leiten.
Mengenausweitung
Der Baselbieter SVP-Nationalrat Thomas de Courten betonte im Namen der Kommissionsmehrheit, dass angesichts der steigenden Kosten und der Mengenausweitung im Gesundheitswesen effizientere Leistungserbringer notwendig seien.
Doch der Zeitpunkt dieses Vorstosses ist fraglich: Vor drei Jahren ist eine neue Regelung zur Zulassung von Leistungserbringern in Kraft getreten. Danach liegt es in der Kompetenz der Kantone, Zulassungsbeschränkungen umzusetzen. Sie haben eine Übergangsfrist bis Mitte 2025, um die Regelung der Höchstzahlen für Ärzte umzusetzen.
Fehlende Wirkung?
De Courten hingegen erklärte, die kantonalen Zulassungsbeschränkungen hätten nicht die gewünschten Effekte erzielt – in einigen Regionen bestehe weiterhin ein Überangebot. Daher müsse bei der Zulassung von Leistungserbringern den Qualitätskriterien und dem Leistungswettbewerb eine grössere Bedeutung zukommen, so de Courten.
Schon Mitte-Ständerat Peter Hegglin sprach in seiner Motion von der fehlenden Wirkung der Zulassungsbeschränkung. Die Kantone gingen sehr zurückhaltend vor. Vielerorts werde das Höchstzahlenmodell gar politisch oder gerichtlich bekämpft.
Das will die Motion Hegglin
Der Bundesrat wird beauftragt, das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) dahingehend anzupassen, dass der Kontrahierungszwang im ambulanten und im stationären Bereich gelockert wird. Damit die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf dem heutigen hohen Niveau gewährleistet ist, sind folgende Eckwerte zur berücksichtigen:
- Versorgungssicherheit ist sichergestellt;
- Die heutigen Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit müssen erfüllt sein;
- Wettbewerbskonformes und korrektes Verhalten ist sichergestellt.
Für Elisabeth Baume-Schneider ist es zu früh, jetzt schon die Wirkung der Zulassungsbeschränkung zu beurteilen. «Es ist wichtig, den Kantonen Zeit für die Umsetzung dieser Massnahmen zu geben, ohne ihre Arbeit zu behindern», erklärte die Bundesrätin.
Die Verantwortung liege bei den Kantonen. Schliesslich habe sich auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) gegen die Motion ausgesprochen, sagte Elisabeth Baume-Schneider weiter. Eine Annahme der Motion könnte die laufenden Umsetzungsarbeiten der Kantone gefährden.
Zu viel Macht
Ganz klar gegen eine Lockerung des Vertragszwangs ist die Waadtländer SP-Nationalrätin Brigitte Crottaz. Das Hauptproblem sieht sie in der Macht der Krankenkassen.
SP-Nationalrätin Brigitte Crottaz kämpft gegen eine Lockerung des Vertragszwangs.
«Die Motion von Peter Hegglin lasse keinen Zweifel an ihrem Ziel: den Krankenkassen die uneingeschränkte Macht über das Gesundheitssystem zu geben», sagte Brigitte Crottaz, die selber Ärztin ist.
Der Wortlaut der Motion mache dies deutlich: «Derzeit haben die Krankenkassen nicht die Möglichkeit, Leistungserbringer nach Kriterien wie Qualität und medizinischer Versorgung auszuwählen und können eine solche Auswahl nicht zur Steuerung des Gesundheitssystems nutzen.»
Das Fazit laut Brigitte Crottaz: «Genau das – die Steuerung des Gesundheitssystems – wollen die Versicherer».
Gut möglich, dass Krankenkassen eine «uneingeschränkte Macht» möchten. Werden sie diese auch erhalten? Elisabeth Baume-Schneider räumte ein, der Bundesrat könne sehr wohl über eine Lockerung des Vertragszwang nachdenken. «Aber ich betone: Lockerung und nicht Abschaffung.»
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