Eine einschneidende Reform im Gesundheitswesen wird konkreter: Der Vertragszwang steht auf der Kippe. Die Gesundheitskommission des Nationalrats sprach sich am Freitag dafür aus, ihn teilweise aufzuheben – «sofern insbesondere die Versorgungssicherheit gewährleistet ist und die Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit eingehalten werden».
Zuvor hatte sich schon der Ständerat hinter das Anliegen gestellt: Die Sache wird also sehr realistisch.
«Die Kommission glaubt, durch die Stärkung des Leistungswettbewerbs dem Anstieg des Leistungsvolumens und der Kosten zulasten der OKP entgegenzuwirken»,
heisst es in der Mitteilung aus Bern.
Der Vertragszwang verpflichtet die Krankenkassen, mit allen zugelassenen Leistungserbringern eines Kantons einen Vertrag abzuschliessen. Dies wiederum ermöglicht den Patienten die freie Arzt- und Spitalwahl; denn die Krankenkassen können die Wahl nicht einschränken, indem sie bestimmte Spitäler, Kliniken oder Praxen ausschliessen.
«Griffiges Instrument»
Das aber soll nun ermöglicht werden. Die Idee dabei: In Gebieten, wo Überversorgung herrscht, können die Kassen eingreifen, indem sie einzelne Häuser oder Praxen ausschliessen. Oder sie können gewisse Anbieter aus qualitativen Gründen entfernen.
Mit anderen Worten: Der Ständerat – und nun die Nationalratskommission – erhoffen sich so mehr Wettbewerb.
«Die Lockerung des Vertragszwangs ist als griffiges Instrument gegen die Mengen- und Kostenexplosion zu prüfen», argumentierte Ständerat Peter Hegglin (Mitte, ZG), der die Motion vor zwei Jahren einreichte. Konkret würde der Vertragszwang jeweils dort gelockert, wo laut BAG-Daten eine Überversorgung besteht. «Letztlich würden dadurch wettbewerbliche Anreize gestärkt, dort zu praktizieren, wo die Versorgung die Höchstzahlen nicht überschreitet»,
meinte Hegglin.
Mehr Macht für die Kassen
Der Spitalverband H+ meldete am Freitag umgehend Widerspruch an. Eine Lockerung des Vertragszwangs «würde nicht nur zu einer massiven Bürokratisierung und Kostensteigerung im Gesundheitswesen führen, sondern auch die Versorgungssicherheit und die freie Wahl der Leistungserbringer durch die Patient:innen gefährden», so das Statement. «Zudem würde so der Einfluss der Krankenversicherer auf die Steuerung der Gesundheitsversorgung bedrohlich zunehmen.»
Ohnehin habe man mit der Zulassungssteuerung jüngst eine effektive Regulierung eingeführt, die nun von den Kantonen umgesetzt wird. Es sei unnötig, gerade jetzt eine zusätzliche Regulierung zu schaffen «und mit weiteren Eingriffen die bestehenden Strukturen zu destabilisieren», so Hplus.
Und weiter: «Im schweizerischen System sind die Kantone für die Spitalplanung zuständig. Wenn nun die Krankenversicherer jeweils selbst festlegen, mit welchen Spitälern und Kliniken sie zusammenarbeiten wollen, wird eine parallele Planung durch die Krankenversicherer geschaffen. Dies würde deren Einfluss erheblich ausweiten und die Gefahr einer Risikoselektion durch Versicherer verstärken.»
Schliesslich entstünde dadurch die reale Gefahr, dass Verträge vor allem mit günstigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, ohne dabei die Qualität der Versorgung zu berücksichtigen.
Der Ständerat hatte den Vorstoss von Peter Hegglin im September 2024 mit 30 zu 12 Stimmen angenommen – also relativ deutlich.