Aufsichts-Populismus: Wer schützt die Versicherten vor der Finma?

Die Aufsichtsbehörde will den Zusatzversicherungsmarkt noch mehr regulieren. Den Versicherten hilft das nicht, im Gegenteil: Spitäler geraten unter Druck, die Spitalwahl wird eingeschränkt, die Versorgung leidet.

Gastbeitrag von Guido Schommer, 7. Februar 2025 um 23:00
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«Eine derartige Strategie ist einer Aufsichtsbehörde unwürdig und lässt die notwendige Sachlichkeit vermissen»: Autor Schommer.
Die Medienmitteilung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma vom 16. Januar 2025 zur Lage im Zusatzversicherungsbereich ist mit grosser Sorge zur Kenntnis zu nehmen. Die Finma präsentiert ihre Aufsichtstätigkeit als Schutz der Versicherten, geht dabei jedoch einseitig zuungunsten der Leistungserbringer vor und ignoriert die massiven negativen Konsequenzen für die Patientinnen und Patienten sowie für die Spitäler.
Insbesondere die folgenden Punkte sind kritisch zu hinterfragen:

1. Gefährdung der freien Spitalwahl der Versicherten

Die Finma behauptet, dass ein «vorübergehender oder im Einzelfall sogar dauerhafter vertragsloser Zustand mit den Leistungserbringern im Interesse der Versicherten» sei. Dies ist eine bemerkenswerte Argumentation: Ein Versicherter, der eine Spitalzusatzversicherung abgeschlossen hat, erwartet zu Recht, dass er Zugang zu einer erweiterten Spitalwahl und besseren Leistungen erhält. Durch das bewusste Inkaufnehmen vertragsloser Zustände wird jedoch genau das Gegenteil erreicht: Die Versicherungsdeckung wird entwertet, da einige Spitäler für Zusatzversicherte nicht mehr zugänglich sind.
Guido Schommer ist Generalsekretär des Privatkliniken-Verbands Ospita – Die Schweizer Gesundheitsunternehmen.
Dies stellt eine massive Benachteiligung der Versicherten dar, die in der Mitteilung der Finma jedoch mit keinem Wort erwähnt wird.

2. Einseitige Preisvorgaben, Verzerrung des Marktmechanismus

Die Finma kritisiert, dass «viele Marktpreise immer noch deutlich über den internen Referenzpreisen der Versicherer liegen». Diese Argumentation ist wirtschaftlich nicht haltbar. Marktpreise bilden sich durch Angebot und Nachfrage und spiegeln die tatsächlichen Kostenstrukturen und Verhältnisse in der Gesundheitsversorgung wider. Die Forderung nach einer Anpassung an die einseitig definierten Referenzpreise der Versicherer entspricht einer Preisfestsetzung durch den Nachfrager, was faktisch einem Monopolistenverhalten gleichkommt.
«Die Finma operiert mit selektiv gewählten Extrembeispielen, um den Eindruck eines weitverbreiteten Missstands zu erwecken.»
Ist dies tatsächlich das Marktverständnis der Finma? Diese Haltung verkennt die realen Kostenstrukturen der Leistungserbringer und gefährdet die qualitativ hochstehende Versorgung der Patienten.
Es ist daran zu erinnern, dass der Zusatzversicherungsbereich dem Prinzip der Privatautonomie folgt und sich die Preisfindung demnach am Mehrwert aus der Sicht der Vertragsparteien zu orientieren hat und gerade nicht an behördlichen Preisvorgaben.

3. Doppelte Abrechnungen? Unberechtigte Anschuldigungen!

Die Finma behauptet, dass «ärztliche Leistungen teilweise immer noch doppelt abgerechnet werden sowohl über die Grundversicherung als auch über die Zusatzversicherung». Diese pauschale Behauptung ist aus Sicht der Spitäler klar zurückzuweisen. Die Abrechnungen der Spitäler erfolgen transparent und unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben.
Die Finma suggeriert hier pauschale Missstände. Dies ist eine unzulässige Diskreditierung der Leistungserbringer.

4. Aufsichtspopulismus durch selektive Beispiele

Die Medienmitteilung der Finma operiert mit selektiv gewählten Extrembeispielen, um den Eindruck eines weitverbreiteten Missstands zu erwecken. So wird ein Einzelfall herausgegriffen, bei dem ein Krankenzusatzversicherer für eine Hotelleistung einen internen Referenzpreis von 191 Franken ermittelt habe, jedoch mit dem Spital einen Preis von 855 Franken vereinbarte. Solche Einzelfälle werden instrumentalisiert, um die gesamte Branche in ein schlechtes Licht zu rücken.
Eine derartige Kommunikationsstrategie ist einer Aufsichtsbehörde unwürdig und lässt die notwendige Sachlichkeit vermissen.
Die Finma verkennt mit ihrer Argumentation die Realität der Gesundheitsversorgung und untergräbt die Rechte der Versicherten, anstatt sie zu schützen. Eine Politik der forcierten Preisregulierung auf Kosten der Leistungserbringer wird unweigerlich zu einer Verschlechterung der Versorgung führen. Die Finma wäre gut beraten, ihre Aufsichtstätigkeit mit weniger Voreingenommenheit und mehr Augenmass auszuüben.
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