In Genf und Waadt geht es um die «Geiselnahme» der Zusatzversicherten

Der Konflikt zwischen Ärzten und Versicherern über die Kostenübernahme für Halbprivat- und Privatpatienten schwelt weiter: Die Waadtländer Ärztegesellschaft wendet sich an die Finma, während Genf ein Ultimatum stellt.

, 4. April 2025 um 03:10
image
«Wir müssen die Fronten zusammenführen»: Der Genfer Regierungsrat Pierre Maudet im TV-Interview zu den Zusatzversicherungen  |  Screenshot RTS.
Seit Anfang des Jahres haben mehrere Versicherungen die automatische Erstattung von Behandlungen im Zusatzversicherten-Bereich eingestellt. Dies weckt den Widerstand von Patienten und Leistungserbringern insbesondere in den Kantonen Waadt und Genf.
Da sich die Parteien nicht einigen konnten, sind die Folgen bereits spürbar: Operationen werden verschoben oder nicht übernommen, Patienten werden an andere Einrichtungen oder sogar an andere Kantone verwiesen. Einigen chronisch Kranken droht, dass sie den Arzt wechseln müssen. Andere haben sogar Kosten vorgestreckt, in der Hoffnung, dass die Versicherung dereinst zahlt.

Genf versucht, die Krise zu entschärfen

In dieser Lage beschloss der Kanton Genf, zur Lösung des Konflikts beizutragen: Das Gesundheitsdepartement organisierte einen Runden Tisch mit den Tarifpartnern und stellte ein Ultimatum: Bis 15. April müsse ein Übergangsabkommen gefunden werden. Ein solches Abkommen würde es ermöglichen, die Situation zumindest bis Ende 2025 zu entschärfen.
Pierre Maudet, der für Gesundheit zuständige Staatsrat, plädiert für das von der Genfer Ärztevereinigung (AMGe) vertretene Modell. Dabei wird in den Rechnungen klar unterschieden, was unter die Grundversicherung fällt und was von der Zusatzversicherung übernommen werden muss. Das Modell bereits von drei Versicherern übernommen: Assura, Groupe Mutuel und Swica.

Privater Bereich, öffentliche Antwort

Nur: Warum greift eine kantonale Behörde in einen Bereich ein, der dem Privatrecht unterliegt? Diese Frage stellte Radio RTS an Maudet. Für den Genfer «Gesundheitsminister» bedeutet Untätigkeit, dass ein Dominoeffekt auf die öffentlichen Spitäler wie auf die Grundversicherung droht. «Die Patienten werden als Geiseln genommen», wiederholte Maudet und griff damit einen Ausdruck auf, der seit mehreren Monaten in der Romandie kursiert.
In Genf, so erinnerte Maude, «wird etwa ein Drittel der Akutversorgung von Privatkliniken übernommen». Die Situation sei also eine ernst zu nehmen – sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich. Der Kanton will verhindern, dass die Öffentlichkeit überfordert wird.

Versicherer unter Druck

«Wir müssen die Fronten zusammenführen», betonte Maudet.
Denn auf der anderen Seite stehen die Versicherer ebenfalls unter Druck: Die Aufsichtsbehörde Finma hat kürzlich ihre Anforderungen für die Privat-Versicherungen verschärft. Einige Kassen befürchten nun, dass sie die Vorschriften nicht einhalten. «Ich möchte glauben, dass die Versicherer in gutem Glauben handeln», meinte Maudet.
Würden die grössten Versicherer zustimmen würden, sich dem Übergangsmodell anzuschliessen, so könnte dies 80 Prozent statt heute bislang 40 Prozent der Genfer Versicherten umfassen.

Waadtländer Ärzte protestieren

Im Waadtland wurde ebenfalls Alarm geschlagen: Auf ihrer letzten Versammlung verabschiedete die kantonale Ärztegesellschaft SVM drei Resolutionen, in denen sie die Situation anprangert.
Die Ärzte erinnern daran, dass die Zusatzversicherten sowohl in normalen Zeiten als auch in Krisenzeiten eine Schlüsselrolle für das Gleichgewicht des Gesundheitssystems spielen. Sie fordern die Finma auf, die neuen Regeln so schnell wie möglich überprüfen, insbesondere die Frage der Erstattung von Behandlungen, wenn keine Leistungsvertrag besteht.
Die SVM warnt auch vor unlauterem Wettbewerb und Einschränkungen der Wahlfreiheit: Patienten könnten dazu gedrängt werden, ihre Ärzte zu wechseln, oder an Strukturen verwiesen werden, die von ihren Versicherern vorgeschrieben werden.

Interview mit Pierre Maudet in «La matinale» von RTS, 1. April 2025:


Artikel teilen
  • Share
  • Tweet
  • Linkedin
  • Whatsapp
  • Telegram
Kommentar

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Was ist Ihr Beruf?

Wo arbeiten Sie?*

undefined
undefined

*Diese Angaben sind freiwillig. Sie bleiben im Übrigen anonym.
Warum bitten wir Sie darum? Medinside bietet Ihnen die Informationen und Beiträge kostenlos. Das bedeutet, dass wir auf Werbung angewiesen sind. Umgekehrt bedeutet es idealerweise auch, dass Ihnen auf Medinside möglichst nur Werbung gezeigt wird, die zu Ihnen passt und die Sie interessant finden könnten.
Wenn wir durch solche Erhebungen Angaben über das allgemeine Profil des Medinside-Publikums gewinnen, nützt dies allen: Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, uns und unseren Kunden. Vielen Dank!


Mehr zum Thema

image

«Nur in Genf und der Waadt haben wir noch Probleme»

Die Finma genehmigt keine neuen Produkte der Krankenzusatzversicherer, solange nicht alle Transparenzanforderungen erfüllt sind – und solange sich die Ärztegesellschaften am Genfersee querstellen.

image

Prio.Swiss hält gar nichts von höheren Senioren-Prämien

Keine Abkehr vom Solidaritätsprinzip: Der neue Krankenkassenverband findet höhere Prämien für alte Menschen ungerecht – und eine unnötige Verkomplizierung.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

Beenden wir die Zwangsehe der Tarifpartner

Regulierung und Bürokratie treiben die Gesundheitskosten in die Höhe – ohne Mehrwert für die Bevölkerung. Vertragszwang, Zwangsgemeinschaft der Tarifpartner, Territorialitätsprinzip: Wir sollten solche alten Zöpfe abschneiden.

image

Swica baut ab: 30 Stellen und drei Regionaldirektionen

Die Winterthurer Krankenkasse Swica spart 50 Millionen Franken Verwaltungskosten und streicht drei Regionaldirektionen.

image

Vertragszwang: Mehr Wettbewerb – oder nur mehr Bürokratie?

Nun will auch die Gesundheitskommission des Nationalrats den Vertragszwang für Krankenkassen begrenzen, um Überversorgung und Kosten einzudämmen. Die Spitäler warnen.

image

Verzögerte Kostengutsprachen und ihre Folgekosten

Eine Studie zeigt, wie die Krankenkassen die Gesuche für eine Brustverkleinerung bearbeiten. Fast die Hälfte der Patientinnen musste mehrere Anträge stellen – mit Zusatzkosten von durchschnittlich 2400 Franken.

Vom gleichen Autor

image

Freiburg: Weniger Stellen als geplant für die mobilen Pflegedienst-Teams

Die Freiburger Sektion des Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) klagt, dass zu wenig Geld vorhanden sei für Verstärkungsteams in der Pflege.

image

Unispital Genf schaffte 30 Millionen Gewinn

Nach mehreren Jahren in den roten Zahlen verzeichneten die HUG 2024 wieder einen Überschuss.

image

Politische Unterstützung für das dezentrale Freiburger Spital

8,5 Millionen Franken stehen zur Debatte: Ein Auftrag aus dem Kantonsparlament verlangt von der Regierung, die Mehrkosten für den Betrieb des Freiburger Spitals an mehreren Standorten zu decken.