In Wuhan, China, eröffnete 2017 ein neues Hochsicherheitslabor. Das Wissenschaftsmagazin «Nature» berichtete damals, dass Forschende ausserhalb Chinas die Befürchtungen hegten, dass aus dem neuen Labor gefährliche Erreger entweichen könnten. Gemäss einem amerikanischen Molekularbiologen waren zuvor mehrfach SARS-Viren aus einem Laboratorium in Peking entwichen.
Da die aktuelle Coronakrise in Wuhan ihren Anfang nahm, führte dies knapp drei Jahre später zu Spekulationen, dass der Virus aus dem dortigen Labor stammen könnte.
Doch eine vor wenigen Tagen ebenfalls im «Nature» publizierte Studie von amerikanischen, britischen und australischen Forschenden kommt nun zu einem eindeutigem Schluss: Es sei nicht wahrscheinlich, «dass SARS-CoV-2 durch Labormanipulation eines verwandten SARS-CoV-ähnlichen Coronavirus entstanden ist.» Und weiter: «Unsere Analysen zeigen deutlich, dass SARS-CoV-2 kein Laborkonstrukt ist».
SARS-CoV-2 ist anders als erwartet
Das aktuelle Erreger SARS-CoV-2 weisst gegenüber früher aufgetretenen SARS-CoV-Erregern Unterschiede auf. Dies bei der sogenannte Rezeptor-bindende Domäne (RBD), die es dem Virus ermöglicht, mittels der sogenannte giotensin-converting-enzyme 2 (ACE2) in die menschlichen Zellen einzudringen. ACE2 finden sich auf Zelloberflächen - dies vor allem in der Lunge, aber auch im Darm, dem Herzen, der Niere und in Blutgefässen.
Zwar zeigen Analysen, dass das aktuelle Coronovirus sich stark an menschliches ACE2 bindet. Doch: Es tut dies nicht so, wie es Computerberechnungen bei frühere Variationen von SARS-Erregern als die effizienteste Weise berechnet hatten. Hätten Forschende im Labor bestehende SARS-Erreger für Experimente verändert, hätten sie dies aber sehr wahrscheinlich analog dieser Modellvorhersagen gemacht.
Dass dies beim aktuell um die Welt gehenden Coronavirus anders ist, sei eines von mehreren starken Indizen dafür, dass die Mutationen nicht aus einer bewussten Manipulation im Labor hervorgegangen sei, schreiben die Forscher. «Die hochaffine Bindung des SARS-CoV-2-Spike-Proteins an menschliches ACE2 ist also höchstwahrscheinlich das Ergebnis einer natürlichen Selektion, die eine andere optimale Bindungslösung entstehen liess.»
Doch wie entstand SARS-CoV-2?
Die Forschergruppe nennt zwei mögliche Entstehungsszenarien.
1. Natürliche Selektion in einem tierischen Wirt vor der Übertragung auf den Menschen
Da viele frühe Fälle der Erkrankung COVID-19 im Umfeld eines Lebensmittelmarkts in Wuhan auftraten, seien potenzielle Tierquellen vorhanden, schreiben die Forscher. Fledermäusen wurden von chinesischen Forschenden SARS-CoV-Erreger entnommen. Dessen Genom war mit jenem von SARS-CoV-2 zu 96 Prozent identisch. Doch die Analyse der RBD (siehe oben) zeigt: Dieses ist so ausgestaltet, dass es sich möglicherweise nicht effizient an menschliches ACE2 binden kann.
Auch Malaienschuppentiere wurde SARS-CoV-Erreger entnommen. Die in den illegal nach Süchina importierten Tieren gefundenen Erreger waren SARS-CoV-2 insgesamt weniger ähnlich als die Fledermauserreger. Doch weisen einige der Schuppentier-Coronaviren gemäss den Forschenden «eine starke Ähnlichkeit mit SARS-CoV-2 in der RBD auf, einschließlich aller sechs Schlüssel-RBD-Rückstände». Auch dies zeige deutlich, dass das SARS-CoV-2-Spike-Protein, das für die Bindung an humanähnliches ACE2 optimiert ist, das Ergebnis natürlicher Selektion ist.
Gleichwohl: Es habe bisher kein tierisches Coronavirus identifiziert werden können, das SARS-CoV-2 ausreichend ähnlich sei, um als direkter Vorläufer von SARS-CoV-2 gedient zu haben, schreiben die Forscher. Doch die Analysen hätten auch gezeigt, dass es zu Genmutationen in Bereichen kommen könne, die eine Anpassung an den Menschen möglich mache.
Weil das SARS-Covid-2 neben dem adaptieren RBD eine weitere spezielle Eigenschaft aufweist, müssen zwei Mutationen passiert sein. Damit das Virus gleich beide habe erwerben können, sei in der Wirtstierpopulation deshalb eine hohe Populationsdichte notwendig, schreiben die Forscher. Nur so könne die natürliche Selektion effizient geschehen.
2. Natürliche Selektion beim Menschen nach der Übertragung aus dem Tierreich
Die Forscher sehen auch die Möglichkeit, dass ein Vorläufer von SARS-CoV-2 auf den Menschen übergesprungen sein könnte. Seine spezifischen Eigenschaften könnte das aktuell grassierende Coronavirus anschliessend während unentdeckten Übertragungen von Mensch zu Mensch erworben haben. Erst dann wäre der Erreger so potent geworden, dass er entdeckt worden wäre - gleichzeitig wäre somit auch die Basis für die grassierende Pandemie geschaffen worden.
Weitere Forschung notwendig
Die Forscher schliessen ein Entweichen des Virus aus einem Labor als «unplausibel» aus. Doch um die effektive Herkunft noch genauer bestimmen zu können, seien aber weitere Forschungsarbeit notwendig.
Die Studie im «Nature» finden sie
hier.