Frau Schneiter, als Forscherin und Autorin stand die Gartentherapie bis zu Ihrer Pensionierung 2015 im Zentrum Ihrer Arbeit. Stimmt in diesem Zusammenhang der Begriff «Therapeutic Gardens» – gibt es eine Verbindung zum Gesundheitswesen?
Ja, der Begriff «Therapeutic Gardens» stimmt in diesem Zusammenhang und es besteht auch eine Verbindung zum Gesundheitswesen. Wenn ein Garten gleichzeitig als Raum für Therapien genutzt wird, spricht man von einem Therapiegarten oder «Therapeutic Garden». Gartentherapie oder auch «Horticultural Therapy» findet in der Regel in einem solchen Garten statt.
Dabei dienen Pflanzen als therapeutische Mittel, um bei diagnostizierten Patienten bestimmte Ziele zu erreichen. Gartentherapie wird von einer therapeutisch sowie botanisch und gärtnerisch qualifizierten Fachperson wie aus der Physio- oder Ergotherapie durchgeführt.
Renata Schneiter
Die Biologin mit dem doppelten Master of Science mit dem Schwerpunkt Botanik sowie Diplom für das höhere Lehramt in Biologie engagierte sich als Dozentin für Biologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften bis 2015. Im Bereich Garten und Therapie initiierte und leitete sie verschiedene Forschungsprojekte und arbeitete als Co-Autorin an einem Lehrbuch sowie weiteren Publikationen. Zusätzlich bekleidete sie das Amt eines Vorstandsmitglieds der Schweizerischen Gesellschaft Gartentherapie und der Internationalen Gesellschaft Gartentherapie. 2013 erhielt sie die Auszeichnung «Charles A. Lewis Excellence in Research» der American Horticultural Therapy Association.
Als Leiterin der Forschungsgruppe «Grün und Gesundheit» leitete ich verschiedene grössere Projekte in diesem Zusammenhang. Beispielsweise die dreijährige Zusammenarbeit mit der RehaClinic Bad Zurzach; dabei entstanden auf dem Klinikgelände Gartentherapieangebote für Schmerz- und Schlaganfallpatienten.
Ist das Projekt der RehaClinic Bad Zurzach einzigartig?
Die RehaClinic in Bad Zurzach ist im deutschsprachige Raum die erste Klinik, welche im Rahmen eines Forschungsprojekts einen Therapiegarten realisierte und standardisierte Gartentherapieprogramme für Schmerz- und Schlaganfallpatienten entwickelt, implementiert und mit wissenschaftlicher Methode evaluiert hat. Wobei bei Schmerzpatienten in Ergänzung zur qualitativen eine quantitative Wirkungsanalyse durchgeführt wurde.
Wie funktioniert solch ein Gartentherapie-Programm genau?
Das in Zurzach angewendete Gartentherapieprogramm für Schmerzpatienten bestand aus sieben Therapieeinheiten zu je 60 Minuten, verteilt auf den vierwöchigen Aufenthalt in der Klinik. Das Ziel war ein körperlich aufbauendes Training. Schwierigkeit und Anstrengung nahmen innerhalb des Programms kontinuierlich zu vom Gehen (Gartenrundgang), Sitzen (Aussaat), Stehen (Topfen), Stehen vorgeneigt (Pflanzung am Hochbeet) bis hin zum Arbeiten in der Hocke (Arbeiten am Erdbeet).
Als Studiendesign wurde ein naturalistisches Ein-Gruppen Prä-Post-Design gewählt.
- Prä-Phase, Kontrollgruppe: April 2006 bis August 2007 Zurzacher Interdisziplinäres Schmerzprogamm.
- Post-Phase, Interventionsgruppe: September 2007 bis Dezember 2008 Zurzacher Interdisziplinäres Schmerzprogamm und Gartentherapie,
Daten von 79 Patienten wurden bei Eintritt in und Austritt aus der Klinik erfasst und danach ausgewertet mittels vier validierten Fragebögen und zwei funktionellen Leistungstests.
Signifikante Unterschiede zu Gunsten der Interventionsgruppe waren beobachtbar in den Bereichen physische Rollenerfüllung, psychisches Wohlbefinden, Angst und Schmerzbewältigungsstrategie.
Die Publikationen im Überblick2010: Herausgeberin und Mitautorin des Lehrbuchs Gartentherapie, Verlag Hans Huber, Bern
2013: Mitautorin Garten und Demenz, Verlag Hans Huber
2016: Mitautorin Gestalterische Innenraumbegrünung, Verlag v/d/f
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung dieser ergänzenden Therapieform ein?
Gartentherapie wird seit zirka 30 Jahren vermehrt im angelsächsischen Raum und seit einigen Jahren zunehmend auch in Europa und Asien praktiziert. An der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Wädenswil pflegten wir den weltweiten Austausch zwischen Forschenden insbesondere aber mit Akteuren im deutschsprachigen Raum, z.B. an den
Grünberger Gartentherapietagen in Deutschland.
Gartentherapie ist in der Schweiz noch ein «zartes Pflänzchen», das sich aber Blatt für Blatt stetig entwickelt und sich mit grossem Potential für das Gesundheitswesen pflückbereit macht.