Bis vor Bundesgericht zog ein Osteopath aus Zürich seinen Fall weiter. Doch auch das oberste Gericht befand: Seine Behandlung war fahrlässige schwere Körperverletzung. Und weil er keine ärztliche Hilfe rief, machte er sich auch noch der unterlassenen Nothilfe schuldig.
Zu schnell und kräftig den Nacken gedreht
Eine Patientin des Osteopathen hatte wegen zu abrupten Manipulationen einen Schlaganfall – und er merkte nichts. Aufgrund von Zeugeneinvernahmen und ärztlichen Gutachten rekonstruierte das Gericht die Vorkommnisse folgendermassen: Der Osteopath hatte unter Einsatz seines Körpergewichts bei der Patientin schnelle und kräftige Manipulationen und Drehbewegungen im Nackenbereich vorgenommen.
Sie lag auf dem Rücken und der Therapeut zog mit zwei kräftigen und ruckartigen Bewegungen die Schultern und den Kopf auseinander. Beim ersten Mal knackste es, beim zweiten Mal klagte die Frau über Drehschwindel.
Wirbelarterie verletzt
Der Osteopath schilderte seine Manipulationen ähnlich: «Und dann noch eine Rotation auf die andere Seite, je links und rechts. In dieser Bewegung gehe ich an die Grenze. Von der Patientin verlange ich dabei einen gewissen Gegendruck».
Offenbar riss der Osteopath jedoch mit dem abrupten Halswendemanöver die Wirbelarterie, es bildete sich ein Blutgerinnsel – und dieses verschloss ein Blutgefäss. Die Patientin erlitt einen Hirninfarkt.
Osteopath hätte sofort reagieren müssen
Gleich nach der Manipulation hatte sie entsprechende Symptome: Starken Drehschwindel, Übelkeit, Gefühlsstörungen im Gesicht und Sprechstörungen. Die Patientin sagte dem Osteopathen, sie habe Kopfschmerzen, ein Gefühl von Müdigkeit und sie zeigte offenkundlich Mühe, den Kopf aufrecht zu halten.
Der Osteopath hätte wissen müssen, dass dies Symptome eines Schlaganfalls aufgrund seiner Behandlung sein könnten. Doch der Verurteilte machte keinen der Tests, die in einer solchen Situation angebracht gewesen wären.
Bestellte keine Ambulanz
Sogar als die Patientin und ihr Ehemann den Therapeuten aufforderten, eine Ambulanz zu bestellen, weigerte sich dieser. Schliesslich musste der Ehemann selber ein Rettungsfahrzeug für seine Frau anfordern.
Die Patientin schwebte in Lebensgefahr und konnte nur durch Zufall gerettet werden. Auch das Bundesgericht urteilte, dass die verhängte Strafe von 14 Monaten Gefängnis bedingt gerechtfertigt sei.
Dreimal durch die Prüfung gerasselt
Speziell am Fall ist, dass der Osteopath zwar ein Diplom in Osteopathie der «International Academy of Osteopathy» von Gent (Belgien) hatte. Doch hatte er in der Schweiz dreimal die interkantonale Prüfung in Osteopathie nicht bestanden und wurde deshalb definitiv von dieser Prüfung ausgeschlossen.
Trotzdem durfte er bis vor kurzem seinen Beruf ausüben. Denn im Kanton Zürich brauchen Osteopathen erst seit Februar 2020 eine Bewilligung der Gesundheitsdirektion.