Francesco Maisano ist seit Wochen von seiner Position als Direktor der Klinik für Herzchirurgie des Universitätsspitals Zürich (USZ) beurlaubt. Ein Whistleblower und selber Herzchirurg am USZ hat massive Vorwürfe gegen ihn erhoben: Motiv unklar. Bislang gab es aber weder Hinweise auf ein strafbares Verhalten noch auf eine Gefährdung der Patientensicherheit.
Lange hat Francesco Maisano in der Öffentlichkeit geschwiegen. «Nun kann ich nicht länger warten», schreibt er am Donnerstag an seine Berufskollegen. Und auch seine Mitarbeitenden, seine Patientinnen und Patienten könnten nicht warten. Ebenso wenig seine Studierenden. Und seine Familie.
«Ich habe mein persönliches Interesse nicht über das der Patienten gestellt»
In einer über 130 Seiten langen Stellungnahme schildert der renommierte Herzchirurg seine Position. Fazit: Die vom Hinweisgeber erhobenen Vorwürfe hinsichtlich seiner «ethischen Grundhaltung» entbehren jeder Grundlage. Hier eine Kurzzusammenfassung (vollständiger Bericht unten):
- Ich habe Patienten nicht geschadet, und ich habe versucht, ihnen die bestmögliche Behandlung anzubieten.
- Ich habe keine Komplikation verheimlicht.
- Ich habe mein persönliches Interesse nicht über das der Patienten gestellt.
- Ich habe nicht versucht, den Aufsichtsbehörden (Swissmedic und KEK) irreführende Informationen zu liefern.
- Ich habe keine öffentlichen Mittel für meine privaten Interessen verwendet.
- Ich habe meine wissenschaftlichen Publikationen nicht ausgeschmückt.
- Ich habe mein finanzielles Interesse gegenüber der Öffentlichkeit und den Patienten nicht verheimlicht.
«Vorverurteilende und persönlichkeitsverletzende Medienkampagne»
Die Anwälte von Niederer Kraft Frey, die Maisano vertreten, kritisieren in der Stellungnahme, dass der Untersuchungsbericht der Kanzlei Walder Wyss veröffentlicht worden ist, noch bevor Prof. Maisano dazu Stellung nehmen konnte. Der Bericht sei ein Element der laufenden Untersuchung.
Seither sei eine «unsägliche, vorverurteilende und persönlichkeitsrechtsverletzende Medienkampagne gegen ihn losgetreten worden, welcher der Bericht zum Teil Vorschub leistete.» Diese schädige seinen Ruf und seine Reputation auf unverantwortliche Weise. Maisano behält sich juristische Schritte vor.
Der Kampagne schutzlos ausgeliefert
Weil sich der Klinikdirektor der Herzchirurgie an die Vorgaben des Unispitals hielt und sich bis heute zu den «kaum erträglichen Vorwürfen» öffentlich nicht äusserte, war er dieser «wirkungsmächtigen Kampagne bisher schutzlos ausgeliefert», schreiben die Juristen.
Und weiter: Die mit immer neuen Behauptungen des «Whistleblowers» gefütterte Medienkampagne führte ihnen zufolge dazu, dass diese Behauptungen von weiteren Medien ungeprüft übernommen werden und auch andere wichtige Anspruchsgruppen sie als Fakten behandeln. In der Tat haben die meisten Medien, die nicht zum Zielpublikum von medizinischen Studien gehören, auf der Basis eines unvollständigen Einblicks in den Sachverhalt berichtet.
Maisano war nur mit einem Bruchteil wirtschaftlich verbunden
Die Haltlosigkeit zeige sich zudem schon an der überaus geringen Anzahl der genutzten Devices, mit denen er verbunden ist. So habe die Klinik Herzchirurgie unter seiner Leitung seit 2014 insgesamt 3'329 Patienten wegen Herzklappen-Erkrankungen behandelt. Dabei wurden lediglich 45 (1,3 Prozent) Klappendevices von Unternehmen eingesetzt, mit denen er verbunden ist:
- 35 Cardioband Mitral;
- 6 Cardioband Tricuspid;
- 4 TriCinch;
- 1 Cardiovalve.
Maisano zieht Lehren aus dem Bericht
Ein weiterer Vorwurf, er habe Interessenkonflikte in Publikationen nicht oder nur unvollständig offengelegt, wird in der Stellungnahme zum Teil entkräftet. Mit dem Argument, dass bei nur etwa fünf Prozent der Publikationen die Angaben fehlten. Der Uni hatte Maisano zudem sämtliche Beteiligungen gemeldet. Bis heute gibt es aber keine Vorschrift, Beteiligungen an Gesellschaften zu melden.
Der Klinikdirektor der Zürcher Herzchirurgie zeigt sich gleichzeitig auch selbstkritisch und will die Angabe der Interessenbindungen in Zukunft verbessern. Auch die Protokollierung in den Patientenakten, Aufklärungsformulare und andere administrative Prozesse müssten ihm zufolge in angebrachtem Masse korrigiert werden.
Nur ein kleiner Teil eines Vorwurfs sei berechtigt
Francesco Maisano habe darüber hinaus nie negative Aspekte in Publikationen unterschlagen, stellen die Juristen weiter fest. Dem Vorwurf von «bewusst beschönigenden Darstellungen» steht entgegen, dass Messungen in kurzer Zeit unterschiedlich sind und grosse Unterschiede bestehen zwischen unter Narkose (intraoperativ) durchgeführten gegenüber prä- und postoperativen Befundungen.
Insgesamt stellt sich laut der sehr detaillierten Analyse von zwölf teilweise gravierenden Vorwürfen lediglich ein kleiner Teil eines einzigen Vorwurfs als berechtigt heraus. In der Stellungnahme bemängeln Francesco Maisano und die Verfasser sodann auch eine unvollständige und einseitige Verwendung der Informationen und Unterlagen im «Walder-Wyss-Bericht».