Was die Wissenschaft zu Schulschliessungen sagt

Der bekannte Infektiologe Pietro Vernazza würde die Schulen nach den Ferien wieder öffnen. Ganz nach seinem Motto: Follow the Science.

, 14. April 2020 um 08:03
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Der Entscheid, die Schulen zu schliessen, stützte sich ganz auf die Erfahrungen mit Grippe-Pandemien ab. | Pixabay
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Pietro Vernazza, Chefarzt für Infektiologie/Spitalhygiene | (KSSG)
Die wissenschaftliche Beurteilung zeigt: Das Schliessen von Schulen hat keinen relevanten Einfluss auf die Ausbreitung der Covid-19 Epidemie. Dies schreibt Pietro Vernazza, Infektiologe und Chefarzt am Kantonsspital St. Gallen (KSSG). Er bezieht sich dabei unter anderem auf eine neue Studie, die im Fachjournal «Lancet Child and Adolescent Health» erschienen ist. Deren Schlussfolgerung decke sich im Wesentlichen mit seinen, schreibt Vernazza.
Während sich die Ausbreitung von Influenza durch das Schliessen von Schulen deutlich verzögern lasse, sei ein solcher Effekt bei Covid-19 nur noch marginal nachweisbar, so der Infektiologe. Influenza-Pandemiedaten seien nicht für Covid-19 anwendbar. Und Kinder erkrankten sehr viel seltener daran oder zeigten Symptome.

Hygienemassnahmen weiterhin beachten

Vernazza und seine Kollegen haben das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und auch die Expertengruppe bereits auf die fehlende Evidenz der Schulschliessung hingewiesen, schreibt der bekannte Chefarzt weiter. Dennoch habe der Bundesrat die Schulschliessung verlängert.
«Wir bedauern, dass wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse nicht adäquat in den politischen Entscheidungsprozess einbezogen wurden.» Nach seinem Motto Follow the Science würde Pietro Vernazza die Schulen nach den Ferien wieder öffnen. Man müsste aber dafür sorgen, dass die Hygienemassnahmen für die ältere Bevölkerung sowie für die Kinder weiterhin beachtet werden.

BAG: «Harte Fakten fehlen»

Das BAG hat die Frage nach der Wiederöffnung der Schulen auch explizit der Wissenschafts-Community gestellt, wie Patrick Mathys am Dienstag vor den Medien sagte. Die Meinungen gehen laut Mathys da relativ weit auseinander. 
Die Evidenz fehle, sagte er. «Wir können nicht sagen, zu welchem Zeitpunkt es sinnvoll sei, eine Grundschule zu öffnen», so der Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit beim BAG weiter. Harte Fakten gebe es weltweit nicht. 
Dies zeige sich in der unterschiedlichen Handhabung der Länder. Wer Recht habe, werde sich unter Umständen erst nach diesen Ereignissen zeigen, wenn dies überhaupt wirklich messbar sei. Es sei ein Ausprobieren und eine Frage, mit der sich auch die Schweiz auseinandersetzen müsse.  


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