Weshalb lohnt sich bei der Rekrutierung von Führungskräften die Messung von Wertvorstellungen?

«Hire attitude, train skills» ist in der Tat keine neue Erkenntnis. Wir möchten in diesem Beitrag trotzdem der Frage nachgehen, weshalb das Verständnis für die Wertvorstellungen einer Führungsperson wichtig ist und wie Sie mit relativ einfachen Mitteln einen hohen Erkenntnisgewinn realisieren.

, 8. Juni 2020 um 12:13
image
  • führung
  • spital
  • ärzte
«Wenn wir wissen, woher wir kommen, verstehen wir besser, wo wir stehen». Dieses Zitat von Bundesrat Ueli Maurer anlässlich seiner Neujahrsrede 2019 fasst prägnant zusammen, worum es hier geht. Abgesehen von der aktuell viel diskutierten Generationenthematik und deren Konsequenzen für die Mitarbeiterführung darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass uns insbesondere die Sozialisierung massgeblich prägt. Unter «Sozialisierung» verstehen wir dabei die Prägung des Individuums durch die Familie und den Kulturraum.
So sind zum Beispiel für die «Schweizer Kultur» Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Freiheit und die Bedeutung des Individuums zentrale Werte. Auch wenn diese Werte im Alltag nicht ständig präsent sind, so durchdringen sie unser Leben, sei das in der Schule, in der Politik oder im beruflichen Alltag. Sie beeinflussen die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, wie wir kommunizieren, Entscheidungen fällen oder Konflikte austragen.
Konkret auf den Rekrutierungsprozess bezogen, sollten wir im Idealfall also eine möglichst hohe Übereinstimmung der Wertvorstellungen einer (Führungs-)Person mit den Werten eines Unternehmens erreichen. Dieser Fit ist zentral, weil Werte relativ stabil sind und sich nicht rasch «trainieren» oder «verändern» lassen.

Die Messung in der Praxis

Es stellt sich also die Frage nach einer praktikablen Messung von Werten. Während Persönlichkeitsmerkmale über wissenschaftlich validierte Tests wie z.B. e-stimate® relativ einfach und verlässlich über standardisierte Instrumente gemessen werden können, ist die Messung von Werten aufwändiger. Am klarsten werden Wertvorstellungen durch eine längerfristige Beobachtung des effektiven Verhaltens einer Person. Diese Methode steht in einem Rekrutierungsprozess natürlich nur bedingt zur Verfügung. Realistisch sind möglichst strukturierte, aber offene Fragen. Solche Fragen lassen sich der Führungsperson sowohl direkt als auch im Rahmen von Referenzgesprächen indirekt stellen.
Was bedeutet dies nun konkret? Bereits am Anfang jedes Rekrutierungsprozesses sollte im Rahmen der Konkretisierung des Anforderungsprofils («Profiling») festgehalten werden, welche Werte für das Unternehmen wichtig sind. Die Messung der Wertvorstellung der Kandidat/innen erfolgt dann mehrstufig. Bereits im Rahmen des Erstgesprächs empfiehlt es sich, einen Frageblock «Werte» gezielt einzubauen. Als Einstieg kann durchaus gefragt werden: «Welche Werte sind Ihnen in Ihrem Führungsalltag wichtig?» oder «Wenn wir Ihre Kollegen fragen, welche Werte für Sie wichtig sind, was würden diese antworten?» Selbstverständlich werden Sie das Thema weiter vertiefen wollen. Wenn Sie die Top-Kandidaten in der Findungskommission haben, dann helfen auch kleine «Cases» zu anspruchsvollen Führungs- oder Kommunikationsaufgaben, um zu verstehen, wie eine Führungsperson funktioniert und welches das zugrundliegende Werteverständnis ist. Also z.B. wie eine Führungsperson Vertrauen aufbaut oder welche Bedeutung Wertschätzung, Abholen von Meinungen, Einbezug, Präzision oder Geschwindigkeit haben. Zur Abrundung helfen selbstverständlich auch Erkenntnisse, wie und wo sich ein Mensch ausserhalb des beruflichen Umfeldes engagiert. Unerlaubt sind dabei aber Fragen zu Religion oder politischer Gesinnung.
Es wäre aus unserer Sicht demnach verfehlt anzunehmen, dass die Wertvorstellungen von Führungspersonen mit den eigenen deckungsgleich sind. Versuchen Sie möglichst konkret auszuloten, wie der Fit zwischen den gewünschten und effektiv vorhandenen Werten einer Führungsperson ist. Bereits das aktive Ansprechen dieses wichtigen Themas im Erstgespräch, der Findungskommission und am Schluss im Rahmen der Referenzgespräche bringt einen erstaunlichen Erkenntnisgewinn. Das Erkennen von Haltungen - oder wie wir es am Anfang beschrieben haben von «Attitudes» - ist ein zentraler Erfolgsfaktor bei der Rekrutierung von Führungskräften.
Dr. Michèle Etienne und Dr. Kurt Aeberhard sind Partner bei Innopool AG – Strategieberatung und Executive Search im Gesundheitswesen.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

So wird KI fit für die klinische Routine

Vivantes integriert mit clinalytix KI in die täglichen Behandlungsprozesse

image

GZO Spital Wetzikon: Definitive Nachlassstundung bewilligt

Damit wird dem Spital Wetzikon die benötigte Zeit eingeräumt, um das Sanierungskonzept anzugehen.

image

Das MediData-Netz: Damit alle profitieren

Die Digitalisierung im Gesundheitssystem ist dringend und bringt Vorteile für Health Professionals und Patient:innen. Die Standardisierung des Forums Datenaustauschs ermöglicht eine sichere Vernetzung und effiziente Prozesse. Das MediData-Netz ermöglicht die schnelle Implementierung neuer Lösungen.

image

Zukunftsvisionen für die Gesundheitsversorgung

Beim Roche Forum 2024 diskutierten Expertinnen und Experten zentrale Herausforderungen der Schweizer Gesundheitsversorgung und setzten wertvolle Impulse für die Zukunft.

image

Gesundheitsfördernde Materialien gesucht?

Die Wahl passender Materialien ist bei Neu- und Umbauten eine grosse Herausforderung – auch im Gesundheitsbereich. Denn diese müssen unterschiedlichen und hohen Anforderungen gerecht werden. Nicht immer ist das jahrelang Eingesetzte die beste Wahl und neue Alternativen haben es schwer.

image

Spitäler Schaffhausen: Gesamterneuerung teurer, Kosten bei 330 Millionen Franken

Dabei soll der Kanton insgesamt 130 Millionen Franken beitragen.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.