Die Wiedereinstellung des «Whistleblowers» im Fall Francesco Maisano am Universitätsspital Zürich (USZ) ist für Aussenstehende nicht nachvollziehbar: Ende April hatte die Spitaldirektion den Leitenden Arzt entlassen: wegen «nicht heilbarer Zerrüttung». Vorgängig wurde dem Herzchirurgen noch ein befristetes Operationsverbot auferlegt; Patienten seien in Gefahr, hiess es. Seit seiner Meldung über die angeblichen Verfehlungen seines Vorgesetzten hätten sich sein Verhalten und seine Leistung zu sehr verändert. Und es gehe um einen «zwischenmenschlichen Konflikt». Dann, nachdem die Zeitungen von Tamedia Francesco Maisano an den Pranger stellten, wurde der «Whistleblower»
Mitte Juli plötzlich wiedereingestellt. Das Unispital Zürich sprach nun von «Missverständnissen», die aus dem Weg geräumt werden konnten. «Sämtliche Differenzen zwischen den Parteien sind vollumfänglich und einvernehmlich bereinigt», teilte das USZ mit.
Über die Aufhebung der Kündigung wurde sein Vorgesetzter, der beurlaubte Klinikdirektor Francesco Maisano, allerdings nicht informiert, wie spitalnahe Quellen berichten. Der Leitende Arzt und «Whistleblower» ist somit bereits Monate in der Klinik, bevor sein Chef zurückkehren könnte, wenn überhaupt. Wichtige Mitarbeitende in der Herzchirurgie äusserten gegenüber der Spitaldirektion bereits scharfe Kritik an der Rückkehr des umstrittenen Kollegen. Und eine Gruppe von wichtigen Professoren soll sich sogar klar gegen den Leitenden Arzt stellen. Was ist passiert? Das Unispital gibt aktuell zum Themenkomplex Herzchirurgie bis zum Abschluss der laufenden Untersuchungen
keine weiteren Auskünfte. War der mediale Druck nach seiner Entlassung für die Unispital-Leitung zu gross geworden?
Handelt es sich um eine Whistleblower-Gruppe?
Vieles ist noch unklar. Eine zentrale Frage ist aber die nach dem Motiv des Hinweisgebers, zumal der Walder-Wyss-Bericht Francesco Maisano von den wesentlichen Vorwürfen entlastet hat. Denn Whistleblower sind bekanntlich nicht immer gerechtigkeitssuchende Menschen, sondern verfolgen hauptsächlich auch knallharte Eigeninteressen. Es ist zudem nicht ganz klar, ob es sich sogar um eine Gruppe handelt. Mehrere Thesen stehen im Raum: Nebst klassischen Gründen wie Missgunst als Motiv soll es auch darum gehen, dass der Leitende Arzt die Stelle als Maisanos Stellvertreter anstrebte, die
in der Zwischenzeit Peter Matt vom Luzerner Kantonsspital (Luks) angetreten hat. Es könnte sich aber auch um ein willentliches «Anschwärzungswerk» handeln, das auf Exponenten der Kardiologie zurückgeht. Denn Insider äussern, dass Frank Ruschitzka, der Leiter des Zürcher Herzzentrums, Maisano bereits im Sommer 2019 an einer offiziellen Sitzung mit exakt denselben Vorwürfen vorattackierte, die Monate später vom «Whistleblower» in die Medien getragen und dort unbesehen weiterverbreitet wurden.
Ruschitzka, der Maisano im Fall bislang mit keinem einzigen Wort verteidigte, und der «Whistleblower» sollen sich zudem gut verstehen und miteinander geschäften. Sie waren beide Gründer der Firma Cardiorentis, ein Unternehmen für «Forschung, Entwicklung, Herstellung und Verkauf von pharmazeutischen, biologischen und diagnostischen Produkten». Der Leitende Arzt, der Maisanos Verknüpfung mit der Industrie in seiner Darstellung detailliert analysierte und kritisierte, kennt sich unternehmerisch übrigens bestens aus: Der deutsche Staatsangehörige betreibt mehrere Firmen, zum Beispiel eine mit Sitz auf Schloss Herblingen im Kanton Schaffhausen, das mehrere Firmen beherbergt. Seine Rescue Technologie-Firma bezweckt laut Handelsregistereintrag die Forschung, die Entwicklung, die Herstellung sowie den Handel mit Geräten, Produkten, Hilfsmitteln und Verbrauchsmaterial im Bereich der Medizintechnologien, Schutz und Rettung und verwandter Sachgebiete. Im Verwaltungsrat sitzt auch ein anderer Herzchirurg, der als Professor am Institut für Regenerative Medizin an der Uni Zürich forscht.
«Whistleblower» mit Verbindung zu ehemaligem Geheimdienstler
Der als vermögend geltende Kaderarzt im Fall Maisano hält über seine Firma auch Beteiligungen an anderen Gesellschaften, mit Sitz in den steuergünstigen Kantonen Schwyz und Zug. Vor allem eine sticht hervor: Bis Ende Juni war er Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma «PGP Sciences», die neu unter «Gecko Risk Training Group» firmiert. Deren Zweck: die Beratung und Schulung in den Bereichen Rettung, Prävention und Sicherheit für Unternehmen, Behörden und Privatpersonen im In- und Ausland. Es erschliesst sich nicht, was dies mit seinem Kerngeschäft der Herzchirurgie zu tun haben könnte. Seit Ende Juni präsentiert sich seine Aktiengesellschaft als Gesellschafter der Firma, gemeinsam unter anderem mit dem Unternehmen
«Multi Operational Security Agency Intelligence Company». Diese Gesellschaft, die unter anderem Staaten und Strafverfolgungsbehörden auf der ganzen Welt etwa in der Terrorismusbekämpfung berät, wurde von
Tony Schiena gegründet. Schiena, der das Unternehmen als Chairman führt, arbeitete früher für den südafrikanischen Geheimdienstsektor und ist ein gefragter Experte zum Thema Terrorismus oder Spionage.
Ärztliche Insider vermuten darüber hinaus, dass Ruschitzka vom Kollegen Maisano unbedingt die Klappeninterventionen übernehmen will, wie die «Weltwoche» vor kurzem berichtete. Frank Ruschitzka, der für seine Beteiligung
an einem grossen Wissenschaftsskandal mit samtenen Handschuh angefasst wurde, dürfte auch sonst viel Einfluss haben: Das Beziehungsgeflecht soll dicht sein. So ist USZ-Präsident Martin Waser Herzpatient des Klinikdirektors, wie das Wochenmagazin aufgedeckt hat. Medizinische Gründe soll es aber nicht geben, da sein Leiden nicht Ruschitzkas Spezialgebiet betreffe, weiss die «Weltwoche» und hier auf eine mögliche Befangenheit hinweist. Zudem sei Waser mit Malcom Kohler befreundet und gehe mit ihm dem Hobby des Tauchens nach. Kohler ist Direktor der Klinik für Pneumologie und Leiter des Medizinbereichs Herz-Gefäss-Thorax und somit den Professoren Maisano und Ruschitzka bereichsmässig vorgesetzt.
Böswillige Diskreditierung von Prof. Maisano?
Viele Fragen rund um den Fall sind noch unklar. Francesco Maisano wurde bislang von den wesentlichen Anschuldigungen aber entlastet. Somit scheinen die Vorwürfe gegen ihn - nach bisherigen Erkenntnissen - praktisch vollständig falsch und entweder mutmasslich böswillig zu sein oder auf Inkompetenz zu beruhen. Es gilt deshalb, die Motive des «Whistleblowers» und allenfalls seines Umfelds zu hinterfragen. Denn schliesslich hatte er den Fall ins Rollen gebracht, indem er die Öffentlichkeit suchte, was wiederum die öffentliche Vorverurteilung provoziert hat. Dabei behandelte er die Angelegenheit
nicht wie vereinbart vertraulich, sondern informierte Dritte wie zum Beispiel Bundesrat Alain Berset, Regierungsrätin Natalie Rickli oder Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit. Ein Kratzer an seiner Glaubwürdigkeit. Ein solches Vorgehen trifft man typischerweise bei Querulanten an. Es geht ihm wohl nicht um das Aufdecken und Beheben angeblicher Missstände, sondern um eine Kampagne gegen Francesco Maisano. Mit dem Ziel, ihm zu schaden. Es könnte sich deshalb nun lohnen, noch genauer hinzuschauen.